Trotz Corona-Pandemie und Konkurrenz durch Streamingdienste ist die Zeit des Kinos noch lange nicht vorbei.
"Tenet", der spektakuläre Actionfilm von Christopher Nolan, sollte die Kinos bereits im Sommer 2020 aus der Corona-Krise herausholen. Ein spektakulärer Film mit 200 Millionen Dollar Produktionskosten, in dem die Hauptakteure die Weltenrettung rückwärts betreiben. Die Rettung der Filmwirtschaft hingegen misslang, denn es war der einzige Eventfilm in dieser Größenordnung, der es auf die große Leinwand geschafft hat. Die Kinos mussten die Türen erneut wegen der Pandemie-Maßnahmen schließen, die Krise wurde prolongiert. Profitiert haben davon Streamingdienste wie Netflix, Amazon & Co. Disney etwa brachte die fürs Kino gedachte Neuverfilmung "Mulan" auf seinem eigenen Streamingdienst heraus.
Und nun kommen die Oscar-Verleihungen, der alljährliche Höhepunkt der Filmbranche. "Mank", David Finchers Film über die Entstehung des Klassikers Citizen Kane, führt die Liste mit den meisten Oscar-Nominierungen an. Er hat 10 Chancen auf einen Academy Award. Das Besondere daran: Der Film lief in keinem einzigen Kino, sondern lediglich auf Netflix. Das war bisher undenkbar im klassischen Hollywood. Die Corona-Pandemie hat auch dies möglich gemacht. Normalerweise muss ein Film an mindestens sieben Tagen im Kino in Los Angeles zu sehen sein, um für eine Oscar-Nominierung überhaupt infrage zu kommen. Übernehmen Streamingdienste nun komplett die Filmwirtschaft? Wir sagen Nein!
Sieben Gründe, warum das Kino weiterhin Zukunft hat:
- Das Kino ist ein sozialer Ort
Filme haben wir bedingt durch die unterschiedlichen Lockdowns lange genug alleine vor dem Fernseher sitzend gesehen. Im Kino werden sie wieder zu einem Gemeinschaftserlebnis – etwas, wonach man sich nach den zahlreichen Monaten der Pandemie sehnt. Ins Kino geht man mit Familie und Freunden, man redet und diskutiert nachher über den Film. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Ausgehkultur. - Im Kino ist das Filmerlebnis immersiver
Auch wenn so mancher bereits ein kleines Heimkino im Wohnzimmer hat, ein Erlebnis wie auf der Kinoleinwand bekommt man zu Hause trotzdem nicht. Der dunkle Raum, die große Leinwand, Laserprojektoren, ein raumfüllendes Soundsystem, eine neuartige Sitztechnologie, die einen in das Filmgeschehen eintauchen lässt. Einige heimische Kinos haben in den letzten Jahren gezielt in die Technik investiert. Filme lassen sich so noch intensiver erfahren. - Das Kino bleibt Basis für ein Milliarden-Geschäft
Ja, die Corona-Pandemie ist eine große Herausforderung. Aber 2019, im Jahr vor der Pandemie, – haben die österreichischen Kinos im Vergleich zum Vorjahr ein Besucherplus von 5,8% erzielt. Und immerhin reden wir beispielsweise noch immer von rund 1,24 Milliarden verkauften Tickets in den USA und Kanada. Die Einnahmen an den Kinokassen dort betrugen immerhin 11,3 Milliarden Dollar. Es geht in Summe also um beträchtliche Summen, die in den Kinos erwirtschaftet werden. Der Rückfluss aus der Kinoauswertung bringt den internationalen Verleihern bis zu 50 Prozent der Einnahmen. - Zahlreiche Blockbuster warten auf das Kino
Dass die Filmstudios und Verleiher auf dieses Milliarden-Geschäft nicht so ohne weiteres verzichten wollen und weiterhin aufs Kino setzen, zeigt, dass die Starttermine zahlreicher Blockbuster verschoben wurden. "James Bond - Keine Zeit zu sterben", "Top Gun 2: Maverick", "Dune" und viele mehr wurden extra für Kinos zurückgehalten und nicht für Streaming-Plattformen freigegeben. Denis Villeneuve, der Regisseur von "Dune", sagte: "Streamings sind eine willkommene Ergänzung, aber sie können die Filmindustrie nicht erhalten. Filme von der Größe von Dune werden in dieser Welt nicht entstehen." Die Disney-Neuverfilmung von "Mulan" war somit wohl eher die Ausnahme, nicht die Regel. Sie hat auch gezeigt: Serien scheinen bei Streamingdiensten wichtiger zu sein als Filme. In puncto Abo-Zahlen war der Star-Wars-Ableger „The Mandalorian“ um ein Vielfaches erfolgreicher als „Mulan“. Es braucht jedoch weltweit eine gewisse Anzahl an offenen Kinos, damit die internationalen Verleiher überhaupt die Kinofilme freigeben – 2021 sollte es hoffentlich wieder so weit sein. - Kinos prägen Orte und Städte
„Kinos sind ein wesentlicher Bestandteil der urbanen Kultur“, sagt Christian Dörfler, Branchensprecher der Wiener Kinos. Ohne die unterschiedlichen Kinoformate wäre beispielsweise Wien nicht so vielfältig wie es ist. So manche Filmtheater sind architektonische Zeitzeugen. - Das Autokino kommt zurück
Das Autokino, ein fast vergessenes Vergnügen, wurde als Corona-kompatibel wiederentdeckt. In zahlreichen europäischen Städten fanden im Sommer 2020 Open-Air-Filmevents für Motorisierte statt. Und auch Österreichs einzigem Autokino in Großenzersdorf an der Wiener Stadtgrenze wurde nach einer Insolvenz 2015 neues Leben eingehaucht. Bis Saisonende am 31. Oktober rollten mehr als 50.000 Besucher auf das Areal. Die große Leinwand findet also weiterhin ihr Publikum. - Das Kino ist ein Ort der Entschleunigung
Denn es ist einer der wenigen Orte, an dem man sein sonst so omnipräsentes Smartphone ausschaltet.
Zahlen, Daten und Fakten
- 14.5 Millionen Menschen besuchten 2019 Österreichs Kinos. 2020 waren es Corona-bedingt nur noch 4,4 Millionen, also rund 70 Prozent weniger als im Jahr davor.
- 142 Kinos gibt es österreichweit, die in 569 Sälen Platz für 92.000 Personen bieten. Die Rangliste nach Anzahl der Kinos führen Wien (27), Niederösterreich (26) und Oberösterreich (25) an, Schlusslichter sind Kärnten (7) und das Burgendland (5).
- Der (Netto-)Umsatz der Kinos stammt zu 58 Prozent aus Ticketverkäufen und kinoaffinen Lebensmittelverkäufen, wie Knabbereien und Getränken (Concessions) (22 Prozent). Durchschnittlich zehn Prozent werden, sofern vorhanden, aus kinoeigener Gastronomie erwirtschaftet. Werbeeinkünfte (Vorspannwerbung) machen drei Prozent, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vier Prozent der Einnahmen aus. Sogenannter alternativer Content, wie Live-Übertragung von Kultur- oder Sportveranstaltungen, schlagen mit zwei Prozent zu Buche.
- Österreichs Kinos beschäftigen, abhängig von saisonalen Schwankungen, rund 1.500 ständige Mitarbeiter.