Deshalb brauchen wir jetzt die Kreativen

Wie die Kreativbranche der Wirtschaft jetzt Starthilfe geben kann


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wirtschaftseinsteiger:innen
  • Kleinunternehmer:innen

Lesedauer:

5 Minuten

AutorIn: Jenny Sommer

Kreative beim Co-Worken i
Unsplash / Annie Spratt

Jedes zehnte Unternehmen in Österreich zählt zur Kreativwirtschaft. Viele von ihnen hat die Krise hart getroffen. Dabei brauchen wir die Kreativen jetzt erst recht: Gerin Trautenberger, Design-Manager und Vorsitzender der Kreativwirtschaft Austria (KAT), erklärt warum.

1. Weil sie erfindungsreich sind

9 von 10 kreativen Unternehmen bringen laufend neue oder verbesserte Produkte und Dienstleistungen auf den Markt (Quelle: 8. Kreativwirtschaftsbericht). Damit befinden sie sich auf Augenhöhe mit der forschungsgetriebenen Hightech-Industrie. Im Unterschied zu dieser zielen die Innovationen der Kreativwirtschaft aber viel direkter auf den Markt. Sie werden schneller entwickelt und regen so andere Wirtschaftsbranchen an. Ein Beispiel: Die steierische Traditionstischlerei KAPO entwarf in einem Open-Source-Prozess gemeinsam mit dem Designbüro breadedEscalope einen smarten Arbeitstisch, der sich den Bedürfnissen der Nutzer anpasst.

2. Weil sie uns vorleben, wie man netzwerkt

Kreativschaffende sind zu zwei Dritteln in Ein- bis Zwei-Personen-Unternehmen organisiert. Das macht sie flexibel. "Kreative arbeiten gemeinsam mit anderen Kreativen an unterschiedlichen Projekten. Gute Kooperationen sind in diesem Sektor der wahrscheinlich wichtigste Wert überhaupt", sagt Trautenberger. Gerade in Krisen erweisen sich kleine, wendige Strukturen, die sich im Bedarfsfall vernetzen, als Vorteil. Auf der KAT-Website findet man passende Partner.

3. Weil die Wirtschaft mutige Wegbereiter braucht

Kreative probieren gerne Dinge aus. Davon profitieren auch andere Bereiche der Wirtschaft. Ein Beispiel: "Viele kreative Unternehmen nutzen seit Jahrzehnten alternative Transportmittel wie das Lastenrad." Die Vorarlberger Initiative fairvelo und der 1. Wiener Lastenfahrradmarkt sind nur zwei Beispiele dafür, wie Kreative die Mobilitätswende mit Witz und Einfallsreichtum beschleunigen. "Von solchen ökologischen Vorstößen profitieren wiederum große Unternehmen", sagt Trautenberger. Auch für sie kann der Umstieg auf das Lastenrad sinnvoll sein, schließlich legen immer mehr Konsumenten Wert auf Nachhaltigkeit. In Wien stellen Rewe (Merkur am Hohen Markt und Billa Corso), der Samariterbund (Essen auf Rädern) oder diverse Paketdienste einen Teil ihrer Waren schon mit E-Cargo-Bikes zu.

4. Weil sie bei der Digitalisierung die Nase vorn haben

"Die meisten Kreativen arbeiten schon seit zehn, zwanzig Jahren übers Netz", sagt Trautenberger. Andere Branchen können davon profitieren. Ein Beispiel für eine gelungene Kollaboration: Die Wiener Digitalagentur wild entwickelte für Juwelierin Oriane Schullin einen interaktiven Schaukasten für Verlobungsringe, mit dem sie die Zahl der Zugriffe in sechs Monaten verdoppelte.

5. Weil sich jeder investierte Euro 1,7-fach auszahlt

Während der Coronapause nutzten viele Kreative die Zeit, sich neu aufzustellen. Und dennoch warten viele sehnlich darauf, dass Tourismus und Kultur wieder so richtig in die Gänge kommen. Schließlich seien viele Projekte mit ihnen verflochten, sagt Trautenberger: "Wenn die Kreativwirtschaft durch die Krise wirtschaftlich untergeht, steht sie auch nicht als Motor des Neustarts für den Rest der Wirtschaft zur Verfügung." Einer Studie zufolge, die Gerin Trautenberger vergangenes Jahr für das European Creative Business Network erstellt hat, verzeichneten Österreichs Kreative einen durchschnittlichen Umsatzeinbruch von 30 Prozent.

Viele kreative Projekte sind eng mit den besonders stark von der Covid-19-Krise betroffenen Branchen Tourismus und Kultur verflochten. "Das heißt aber nicht, dass es in der Branche keine Resilienz gibt", sagt Trautenberger. Welche Förderungen während Covid-19 Kreativen zur Verfügung stehen, erfährt man auf der Homepage der Kreativwirtschaft. So stellte das Wirtschaftsministerium im Juli 2020 zusätzliche Mittel von in der Höhe 3,8 Millionen Euro zur Verfügung – und rechnet mit einem saftigen Return. Denn jeder Euro in der Kreativwirtschaft bewirkt 1,70 Euro an Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft.

Wussten Sie, dass...

  • …der größte Umsatz im Kreativ-Sektor im Bereich Software und Games erwirtschaftet wird? – Rund 6,7 Milliarden im Jahr (Quelle: 8. Kreativwirtschaftsbericht).

  • ...die Kreativwirtschaft mit ihren 22 Mrd. Euro rund 4 Prozent der gesamten österreichischen Wirtschaftsleistung erbringt, beinahe doppelt so viel wie die KFZ-Branche? (Quelle: APA)

  • … 60 Prozent der Umsätze der Kreativwirtschaft dort wieder investiert werden? Wie das geht? "Ein Webentwickler beauftragt einen Designer, ein elektronischer Musiker einen Animationsfilmer für ein Musikvideo – die Beispiele sind zahllos", erklärt Trautenberger.