Ukraine-Krieg: Chancen für Cybersecurity-Firmen

Interview mit Reinhard Marak von der ARGE Sicherheit & Wirtschaft.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Problemlöser:innen

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Jürgen Zacharias

Mann arbeitet an Serverschrank i
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Wie können österreichische Cyber- und IT-Unternehmen vom weltweit gestiegenen Sicherheitsbedürfnis profitieren? Und warum haben heimische Produkte einen Wettbewerbsvorteil? Das erklärt dir Reinhard Marak, Geschäftsführer der ARGE Sicherheit & Wirtschaft, im MARI€-Interview.

Das Wichtigste in fünf Sätzen

  • Der Ukraine-Krieg hat das Thema Sicherheit wieder ins Bewusstsein gerufen und gezeigt, dass wir uns verstärkt um unseren Schutz kümmern müssen.

  • Das betrifft auch den Cyber- und IT-Bereich, der es möglichen Angreifern erlaubt, jederzeit ohne Vorwarnung zuzuschlagen.

  • Heimische Unternehmen haben viel Know-how und Produkte zur Abwehr derartiger Attacken im Portfolio und reüssieren damit auch am Weltmarkt.

  • Wichtig wäre es nun, dass diese Lösungen verstärkt auch national abgefragt werden.

  • Damit würde einerseits ein großer Teil der heimischen Sicherheitsausgaben zurück ins Budget fließen und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit der rot-weiß-roten Unternehmen weiter gestärkt.

"Herr Marak, der Ukraine-Krieg hat das Thema Sicherheit weltweit wieder in den Fokus gerückt, viele Länder planen nun eine Aufstockung ihrer Sicherheitsausgaben. Was bedeutet das für Österreich?"

Reinhard Marak:
Die dramatischen Entwicklungen in der Ukraine haben auch in Österreich das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Investitionen in den Sicherheitsbereich – insbesondere unter dem Aspekt des klaren Bekenntnisses zu Neutralität und Bündnisfreiheit – gestärkt. Letzteres bedeutet aber auch, dass wir uns verstärkt wieder selbst um unseren Schutz kümmern müssen. Es muss uns klar sein: Wenn man in keinem Bündnis ist, hilft einem im Anlassfall niemand und dieser Anlassfall kann auch ohne einen klar identifizierten Aggressor, der mit Waffengewalt die Grenze überschreitet, jederzeit gegeben sein.

"Sie denken an den Cyberbereich?"

Cyberangriffe kennen keine Grenzen, können überall und jederzeit ohne Vorwarnung stattfinden und behördliche Einrichtungen ebenso treffen wie gesellschaftliche Strukturen und Unternehmen. Dabei ist oft nicht einmal klar, wer eine Attacke fährt. Steckt eine Hackergruppe dahinter oder gar eine behördlich unterstützte Institution? Wir müssen uns bewusst sein, dass unsere immer stärker vernetzte und digitalisierte Welt zwar viele Annehmlichkeiten bietet, aber auch Tür und Tor für potenzielle Angriffe und Störaktionen öffnet. Und diese gilt es auf vielen Ebenen zu verhindern.

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Loginversuch auf dem Handy i
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Die Absicherung der eigenen Daten fordert Aufmerksamkeit, kann aber auch überfordern. In Zeiten der steigenden Internetkriminalität sollten wir uns allerdings alle damit befassen. Diese sieben Schritte helfen dabei.

Zum MARI€-Beitrag

"Eine deutliche Aufstockung der österreichischen Sicherheitsausgaben ist zwar noch nicht beschlossen, aber sehr wahrscheinlich. Inwiefern könnten von dem höheren Budget auch heimische Betriebe profitieren, wenn wir an den Cyber- und IT-Bereich denken?"

Wir haben eine nicht unbedeutende Anzahl von Cybersecurity-Unternehmen im Land, die mit ihrem Know-how international reüssieren, aber auch Lösungen für nationale Problemstellungen bieten. Würde man diese entsprechend abrufen, wäre das auch eine Investition in den Wirtschaftsstandort, die wiederum über die Grenzen hinaus Wirkung hätte. Wenn Produkte national verwendet werden und sich in der Praxis bewähren, lassen sie sich schließlich auch leichter ins Ausland verkaufen und dort haben heimische Produkte auch wegen der besonderen Stellung Österreichs einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil.

Cybersecurity stärken mit KMU.DIGITAL

Im Rahmen der Digitalisierungsförderung KMU.DIGITAL stehen heimischen Unternehmen bis 2023 insgesamt 10 Millionen Euro zur Verfügung, um ihre Digitalisierungsprojekten voranzutreiben. Ein besonderer Fokus liegt dabei - auch angesichts der aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg - auf dem Thema Cybersecurity.

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"Inwiefern?"

Österreich wird auf der internationalen Bühne nicht kritisch gesehen oder als potenzieller Gegner wahrgenommen. Das ist gerade im sehr sensiblen Sicherheitsbereich nicht für alle produzierenden Staaten gleichermaßen der Fall. 


"Angenommen, Österreich würde sein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis im Cyber- und IT-Bereich tatsächlich vor allem bei heimischen Unternehmen abdecken wollen. Hätten diese dazu überhaupt die Kapazitäten und das Know-how?"

Wir haben genau das im Jahr 2019 untersucht, als zuletzt höhere Investitionen in die heimische Sicherheit diskutiert wurden. Damals war die Bedürfnislage sehr ähnlich wie heute und österreichische Betriebe hätten im Bereich der Digitalisierung aus dem Stand 75 Prozent des Bedarfs abdecken können. Wir könnten also in vielen Bereichen direkt loslegen und was die restlichen 25 Prozent betrifft, bin ich zuversichtlich, dass wir mit dem nötigen Vorlauf auch da einen Großteil im Land verfügbar machen könnten. Das hätte übrigens den Vorteil, dass ein großer Teil der Investitionen wieder in die Staatskasse wandern würde. Jede öffentliche Vergabe in Österreich fließt zu 20 Prozent als Umsatzsteuer und – im High-Skill-Sektor Sicherheit – zu rund 30 Prozent als Lohnsteuer und Lohnnebenkosten aus den Gehältern der Mitarbeiter zurück ins Budget. Es gibt darüber hinaus noch weitere kleinere Rückflüsse, unter dem Strich würden sich die Ausgaben für den Staat zu mehr als 50 Prozent refinanzieren.

ARGE Sicherheit & Wirtschaft

Die ARGE Sicherheit & Wirtschaft (ASW) versteht sich als „One-Stop-Shop“ innerhalb der Wirtschaftskammer zum Thema Verteidigung und Sicherheit. Sie will die Interessen der österreichischen Verteidigungs- und Sicherheitsbranche bündeln und damit Synergie- und Kooperationspotenziale aufzeigen, die Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken, Österreich als Standort für qualifizierte Systemlieferungen positionieren und den Export durch Hilfestellung bei der Herstellung internationaler Kontakte fördern.

"Ließe sich das vor dem Hintergrund internationaler Vergaberichtlinien so einfach steuern?"

Ja, da bietet der Sicherheits- und Verteidigungsbereich einige Ausnahmen. Die Vergaberichtlinien würden einer starken Fokussierung auf heimische Unternehmen jedenfalls nicht im Wege stehen und wir würden gleichzeitig national Technologiekapazitäten aufbauen. Der Staat würde mit so einer Investitionsentscheidung also auch eine nachhaltige Technologiepolitik betreiben – eine bessere Win-Win-Situation könnte es kaum geben.