Während Bitcoin boomt, überlegt die EU, eine Art digitales Zentralbankgeld zu schaffen. Aber wie genau soll das funktionieren, welche Vorteile bringt es? Wir haben bei der Nationalbank und einer Kryptowährungs-Expertin nachgefragt.
China testet gerade eine, die Bahamas haben sie schon eingeführt, und die EU hätte auch gern eine: eine offizielle elektronische Währung. Zwar wurden Kryptowährungen wie Bitcoin in den vergangenen Jahren von vielen noch als „crazy Internet Money“ belächelt, aber Zentralbanken erkannten, dass man sich von den dahinterliegenden Technologien auch zu Innovationen bei staatlichen Währungen inspirieren lassen kann. Der Begriff „digitales Zentralbankgeld“ entstand.
Der Grundgedanke ist immer folgender: Die von der Zentralbank ausgegebenen Banknoten und Münzen sind das einzige uneingeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel, während „Buchgeld“ auf einem Konto aus Sicht des Besitzers eigentlich nur eine Forderung gegenüber der jeweiligen Geschäftsbank ist. Oder anders ausgedrückt: Nur Bares ist Wahres. Mit heutiger Technik ließe sich aber auch elektronisches Geld schaffen, das direkt auf einer Datenbank der Zentralbank abgebildet ist; entweder mit Blockchain-Technologie wie bei Bitcoin oder auch auf andere Art. Ob dann jedermann eine Art Konto direkt bei der Zentralbank halten kann oder das nur Banken und ähnlichen Institutionen angeboten wird, ist eine der großen Gestaltungsfragen.
Vorteile: ja, aber
Was soll das Ganze überhaupt bringen? Verfechter eines digitalen Euro wie Prof. Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance & Management argumentieren unter anderem, dass Zahlungen „programmierbar“ gemacht werden können, der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr schneller und günstiger werden kann, bei einer dezentralen Speicherung ein Systemausfall unwahrscheinlicher wird und Zentralbankgeld nicht ausfallen kann. Aber sowohl Beat Weber von der Oesterreichischen Nationalbank als auch die Bitcoin-Expertin und Autorin Anita Posch sind bei diesen Argumenten skeptisch.
„Im Internet of Things, wo Maschinen selbst Zahlungen abwickeln, kann es schon Vorteile haben, Geld auf eine andere technische Basis zu stellen“, sagt Beat Weber. „Aber die Frage ist, ob das die Zentralbank auf die Beine stellen muss. Viele Innovationen, was Geld betrifft, werden im Privatsektor gemacht.“ Programmierbar seien Zahlungen auch jetzt schon, meint Weber, und auch Near-Real-Time-Zahlungen seien im Euro-System seit 2018 über die Infrastruktur TIPS möglich: „Das ist nur noch nicht im Alltagsbewusstsein angekommen.“ Das Argument der Ausfallsicherheit treffe schon einen Punkt, „aber es steht ja nicht nur die Geschäftsbank für die Guthaben ihrer Kunden gerade, sondern es gibt auch Sicherheitsnetze wie die Einlagensicherung.“
Neue Technik, alte Instanz
Anita Posch sieht die Vorteile eines E-Euro ebenfalls nicht, aber aus anderen Gründen: „Dabei gibt es ja weiterhin eine Instanz, die Geld schöpfen und es bewusst auf- oder entwerten kann. Ich glaube, dass das Geldsystem verändert werden muss – aber so lange es weiterhin geschlossene, zentralisierte Systeme sind, wird sich am Prinzip nichts ändern.“ Auch technologisch sieht sie keinen Fortschritt durch einen E-Euro, nur weil der anders gespeichert ist als bisheriges Buchgeld: „Bei Maschinenzahlungen wird es wohl dennoch Schnittstellen geben zum SWIFT-System, über das Banken derzeit Transaktionen abwickeln.“
Posch sieht eine Zukunft, in der drei Arten von Geld kursieren: staatliche Währungen, private demokratische Kryptowährungen und von Unternehmen ausgegebene elektronische Währungen, wie Facebooks angekündigte Digitalwährung Diem (vormals Libra). Sie sagt dabei Bitcoin eine große Zukunft voraus, auch im Zahlungsverkehr: „Dafür gab es bisher technische Hürden, aber über das Lightning-Network werden sich bald auch riesige Mengen an sehr kleinen Transaktionen rasch abwickeln lassen.“
China hat andere Ziele
Einen Nutzen von digitalem Zentralbankgeld sieht Posch aber doch, allerdings nur für Regierungen und nicht für den Einzelnen: „Was man damit wunderbar machen kann, ist, Geldflüsse viel besser kontrollieren, negative Zinsen umsetzen und Steuern automatisch einziehen.“ Die Überwachung von Kapitalflüssen ist wohl auch einer der Gründe, warum China bei der Entwicklung eines digitalen Yuan schon weit fortgeschritten ist – derzeit läuft ein Pilotprojekt in mehreren großen Städten. Beat Weber von der Nationalbank nennt einen weiteren: „China war lange Zeit sehr bargelddominiert, dann kamen Bezahl-Apps mit großer Marktmacht auf, die nicht wie Banken reguliert sind. Das könnte zu einer Schieflage im Finanzsektor führen, deshalb schafft man eine Alternative.“
Auch die Situation auf den Bahamas, wo im Oktober 2020 der digitale Sand Dollar seine Premiere feierte, sei nicht mit Europa zu vergleichen. Dort hatten zuletzt große Teile der Bevölkerung überhaupt keinen Zugang zu digitalen Bezahlmöglichkeiten oder internationalen Überweisungen. „Weder China noch die Bahamas sind daher ein Vorbild. Aber man kann sicher das eine oder andere aus den Projekten lernen und Inspirationen erhalten“, resümiert Weber.
Kommt der E-Euro oder nicht?
Ob die EZB ein Projekt zum E-Euro startet, will sie bis Mitte des Jahres entscheiden. Aber wann und in welcher Form dieser kommen könnte, ist noch völlig offen. Dass alle Bürger direkten und unbegrenzten Zugang zu elektronischem Zentralbankgeld bekommen, scheint mittelfristig aber ausgeschlossen. „Das würden die Banken nicht so gern haben“, sagt Posch, und auch Weber stimmt dem zu: „Wir haben kein Interesse, den privaten Markt zu schlucken. Wenn, geht es darum, ein zusätzliches Modell anzubieten, das vielleicht mehr Datensicherheit und niedrigere Gebühren bringen könnte. Aber ob es diese Vorteile wirklich gibt? Da tasten wir noch in einem Nebel in die Zukunft.“ Vor zu viel Enthusiasmus für einen E-Euro warnen beide. „Ich sehe darin nicht die große Innovation, die sich manche erhoffen“, fasst Krypto-Expertin Posch zusammen.