So kann die Wirtschaft Blockchains nutzen

Was haben ein Friseur oder eine Barkeeperin von der Blockchain-Technologie?


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Game Changer:innen

Lesedauer:

5 Minuten

AutorIn: Florian Streb

Frau mit Laptop und Handy i
Envato

Der Blockchain-Technologie wird eine große Zukunft vorausgesagt. Aber welche praktischen Anwendungen gibt es für Unternehmen schon jetzt? 

Fast täglich liest man in den Medien irgendetwas über die Kryptowährung Bitcoin, aber viel seltener über die Blockchain-Technologie, die dahintersteht und bald große Auswirkungen auf unseren Alltag haben könnte. Man kann damit nämlich noch viele andere praktische Dinge anstellen, als neue Währungen zu erfinden – und das in allen Wirtschaftsbereichen und ohne ein Technik-Genie zu sein.

AUSTRIAN BLOCKCHAIN AWARD

Das Austrian Blockchain Center (ABC) und die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) vergeben seit 2020 den Austrian Blockchain Award für herausragende und einzigartige Blockchain-Projekte, die durch ein nachhaltiges Geschäftsmodell, bewiesene Praxistauglichkeit und disruptive Anwendungsmöglichkeiten hervorstechen. Die Einreichung ist bis 13. Mai möglich.

JETZT EINREICHEN!

Was ist eine Blockchain?

Kurz gesagt geht es bei Blockchains um eine Kombination aus Datenverschlüsselung und verteiltem Rechnen – eine Art Fingerabdruck der Daten wird auf vielen Computern gleichzeitig gespeichert. Ausführlich erklärt wird das Thema zum Beispiel – auf Englisch – vom Technologie-Experten Anders Brownsworth, es gibt aber auch gute Erklärungen auf Deutsch – zum Beispiel hier und hier. Der wesentliche Effekt von Blockchains: Sind Daten einmal eingegeben, können sie im Nachhinein nicht unbemerkt verändert werden. „Mit einer Blockchain kann man Vertrauen schaffen in nicht vertrauenswürdigen Netzwerken“, sagt Gerhard Laga. Er ist Leiter des E-Center der WKÖ (SMI-Abteilung) und Mitarbeiter im Blockchain-Arbeitskreis von AUSTRIAPRO.

Fälschungssichere Frisuren

Schon die einfachste Anwendung, die die Blockchain-Technologie bietet, kann in vielen Situationen des täglichen Lebens helfen: Alle digitalen Daten wie Fotos, Videos oder Dokumente bekommen einen unfälschbaren Zeitstempel. "Unternehmerinnen und Unternehmer können damit beweisen, welche digitalen Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen sind", sagt Laga. Und dafür gibt es in jeder Branche praktische Anwendungen: Wenn ein Friseur einen neuen Schnitt erfindet oder eine Barkeeperin einen Cocktail kreiert, können sie ein Foto beziehungsweise Rezept davon via Blockchain zertifizieren und belegen, dass sie der Urheber sind.

Wer das bisher wollte, konnte zum Beispiel zu einem Notar gehen oder sich selbst einen Brief schicken und hoffen, dass der Poststempel leserlich ist. Die eine Variante ist recht kostspielig, die andere nicht besonders sicher. Mit der Blockchain-Zertifizierung ist eine neue Option dazugekommen.


Kostenlos zertifizieren

Für die heimischen Unternehmerinnen und Unternehmer steht diese Möglichkeit kostenlos zur Verfügung. Die WKO hat einen eigenen Service zur Datenzertifizierung geschaffen, der auf der "Austrian Public Service Blockchain" basiert. Diese wird gemeinsam mit anderen Institutionen aus dem öffentlichen Bereich betrieben, zum Beispiel dem Bundesrechenzentrum und der Stadt Wien. "Das Angebot nutzen Industriebetriebe für Produktionsdaten von Maschinen ebenso wie eine Kleinstunternehmerin, die damit belegt, welche Zusammensetzung ihre Teemischung zum Zeitpunkt X hat", erklärt Gerhard Laga.

Auch große Dateien wie Videos oder ganze ZIP-Ordner sind möglich, weil nur ein sogenannter "Hashwert", also eine Art Fingerabdruck des Dokuments, in der Blockchain gespeichert wird – das eigentliche Dokument verlässt nie den eigenen Computer. Der Hashwert ist dabei immer gleich lang, egal wie groß das Dokument ist. „Für ein Gigabyte Daten ist der Hashwert in zehn Sekunden berechnet“, sagt Laga.

Daten und "echtes" Leben verknüpfen

Wer einen Schritt weitergeht und Daten mit physischen Gütern und Dienstleistungen verbindet, findet noch wesentlich mehr praktische Anwendungen. Damit lassen sich zum Beispiel Produktionsprozesse oder Lieferketten dokumentieren. Ein Beispiel: Sensoren in einem Container zeichnen laufend Position (via GPS), Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf und schreiben diese Daten in kurzen Abständen in die Blockchain. Der Frächter kann damit nachweisen, dass die Ware während des Transports immer gekühlt war – viel besser als mit herkömmlichen Mitteln wie einem Thermochip, der sich verfärbt, wenn er zu warm wird.

Ein aktuelles Beispiel aus der österreichischen Wirtschaft ist das Projekt "Steel But Smart" der S1Seven GmbH, die damit den Blockchain Award 2020 errang. "Steel but Smart" macht die Lieferketten in der Stahl- und Metallindustrie transparent, indem eine Vielzahl unterschiedlicher Werkszertifikate verknüpft wird. Daraus ergibt sich eine lückenlose, unveränderliche, rückverfolgbare und vertrauenswürdige Dokumentation der Produktionshistorie.

Smarte Verträge

Noch ein Level darüber findet man sogenannte Smart Contracts: Auf einer Blockchain hinterlegte "programmierbare" Verträge, die bei einem bestimmten Ereignis automatisch eine Transaktion auslösen. "Smart Contracts stecken aber noch in den Kinderschuhen", sagt Laga. Als echtes Beispiel nennt er eine Flugversicherung, die bei Verspätungen automatisch den daraus entstehenden Anspruch auszahlt. Das Produkt wurde zwar mangels Nachfrage – wohl auch coronabedingt – mittlerweile wieder eingestellt: "Aber technisch hat es funktioniert und zeigt, was möglich ist."

Es geht sogar noch einfallsreicher: Die in Wien entwickelte App Mobilio belohnt unter dem Motto "drive safe, get paid" Autofahrer, die während der Fahrt ihr Handy nicht anrühren. Das klappte erst so recht, als die Blockchain-Technologie ins Spiel kam. Mit den verdienten Punkten kann man derzeit allerdings noch nicht viel anfangen. Der Plan ist, dass bald Versicherungen dafür Rabatte gewähren.