Eine Innovatorin und drei Innovatoren, die über den Tellerrand blicken und ihren eigenen Weg gehen, im MARI€-Porträt.
Cornelia Habacher: Hybrides Fleisch für mehr Nachhaltigkeit
Österreich ist eine Nation von Fleischliebhabern. Die Fleischproduktion ist jedoch ressourcenintensiv und klimaschädlich. Was ist nun der effektivste Weg, den gesamten Fleischverbrauch des Landes zu reduzieren?
90 Prozent der Österreicherinnen und Österreich sind Fleischesser., im Schnitt isst jeder Mensch in Österreich etwa 1,2 Kilogramm Fleisch pro Woche. Und vielen fällt es schwer, auf den Fleischkonsum zu verzichten. Die konventionelle Fleischindustrie ist jedoch besonders ressourcenintensiv. Innerhalb der Landwirtschaft ist die Tierhaltung für 60 Prozent der Klimawirkungen verantwortlich. Der CO2-Fußabdruck von Rindfleisch ist mindestens fünfzehn Mal so groß wie der von Gemüse, Obst oder Brot. Die Rindfleischproduktion verursacht einen Großteil des weltweiten Methanausstoßes.
"Wenn wir sie dazu bringen, nur noch halb so viel Fleisch zu essen, dann ist das der effektivste Weg, den gesamten Fleischverbrauch des Landes zu reduzieren“, sagt Cornelia Habacher, eine der Gründerinnen von „Rebel Meat“. Die Molekularbiologin und Biochemikerin arbeitete mehr als sieben Jahre in der Grundlagenforschung und leitete ein Forschungsprojekt beim Biotechnologie- und Pharmaunternehmen Novartis, bevor sie im Jahr 2019 gemeinsam mit Philipp Stangl und Wolfang Heidinger das Wiener Start-up "Rebel Meat" gründete. Ein Burger zu 50 Prozent aus Bio-Fleisch und 50 Prozent pflanzlichen Zutaten wie Kräuterseitlingen, Hirse und Gewürzen. Ein Burger, der Fleischgenuss und Nachhaltigkeit vereinen soll. Laut Angaben des Unternehmens werden mit Rebel Meat 17 Kilogramm CO2 pro Kilogramm eingespart. Mehr als ein halbes Jahr hat das Start-up damit verbracht, Geschmack und Kaugefühl der Burger zu perfektionieren. Durch die Fernsehsendung „2 Minuten 2 Millionen" hat es „Rebel Meat" ins Supermarkt-Regal geschafft. Das Gründerteam von Rebel Meat zählt zu den „Nachhaltigen Gestalter*innen 2020“ und „greenstars 2020“.
Kreativität bewies Corneila Habacher bereits bei ihrer Arbeit als PhD-Studentin am Schweizer Friederich Miersich Institut. Sie erhielt dafür den Chiquet-Ehrismann Preis, der besonders kreative Projekte auszeichnet. Schon damals sagte sie: Eigenständigkeit bedeute, neue Herausforderungen anzunehmen und nicht davor zu scheuen, herkömmlichen Annahmen zu widersprechen. Eine eigenständige Idee sei oft nicht genug. Der Schlüssel zu eigenständiger Forschung sei, davon überzeugt zu sein, sich am richtigen Weg zu befinden.
Gernot Grömer: 1.000 Wege, wie man am Mars sterben kann
Wann wird der erste Mensch auf dem Mars landen? Der Astrophysiker Gernot Grömer simuliert als Analog-Astronaut bereits jetzt schon die Mission auf dem Roten Planeten.
Gernot Grömer: 1.000 Wege, wie man am Mars sterben kann
Wann wird der erste Mensch auf dem Mars landen? Der Astrophysiker Gernot Grömer simuliert als Analog-Astronaut bereits jetzt schon die Mission auf dem Roten Planeten.
200 Tage wird die Hinreise etwa dauern. Die Bedingungen am Zielort sind alles andere als freundlich: Durchschnittstemperatur von minus 55 Grad Celsius, Sandstürme mit bis zu 600 km/h, die Atmosphäre besteht hauptsächlich aus Kohlendioxid, der Druck auf der Oberfläche entspricht dem Druck der Erdatmosphäre in 35 Kilometern Höhe. Kurz: Der Mars ist alles andere als ein Wohlfühlort für Menschen. Für Gernot Grömer ist er trotzdem so etwas wie ein Sehnsuchtsort. Der Oberösterreicher und Astrophysiker ist zertifizierter Analog-Astronaut. Er erforscht die Welt von morgen. Und die – da ist er sich sicher – wird sich auch am Mars befinden.
Gernot Grömer ist davon überzeugt, dass der erste Mars-Astronaut bereits geboren wurde. Er rechnet damit, dass die erste bemannte Mars-Mission in 20 oder 30 Jahren stattfinden wird. Als Direktor des Österreichischen Weltraum Forums (ÖWF) koordiniert Grömer mit seinem Team internationale Mars-Simulationen. Diese aufwändigen Forschungs-Camps stellen die realen Bedingungen auf dem Mars möglichst originalgetreu in irdischer Umgebung nach. Das heißt wochenlang abgeschottet auf engstem Raum in einer Station leben, die mitten in einer Steinwüste errichtet wurde. Ins Freie darf man nur in einem Raumanzug, um Proben zu sammeln, Experimente durchzuführen und Messungen vorzunehmen.
Dank der dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen künftige Mars-Expeditionen sicherer, effizienter und erfolgreicher werden. Der Ansatz von Grömer ist: Jeder Fehler, der jetzt von Analog-Astronauten gemacht wird, rettet einem Astronauten in der Zukunft das Leben. Denn Fehler, die man in der Simulation gemacht hat, macht man in der Realität nicht. Der Oberösterreicher kennt bereits über 1.000 Wege, wie man auf dem Mars sterben kann. Seit einigen Jahren forscht das Team von Grömer auch an einem Raumanzug für Missionen auf dem roten Planeten. Der derzeit bei den Simulationen eingesetzt Raumanzug wiegt gut und gerne 40 Kilogramm, es dauert mit allen Sicherheits-Checks etwa drei Stunden, um ihn mit Hilfe von zwei Crewmitgliedern anzulegen. Vielleicht kann Grömer dann bei der ersten bemannten Marsmission sagen: Ein Stückchen davon ist rot-weiß-rot.
Karl Ochsner: Technologieführer bei der Wärmewende
Durch effizientes Heizen und thermische Sanierung könnten in Österreich jährlich bis zu drei Milliarden Euro an Heizkosten gespart werden. Die Wärmepumpe wird bei der Wärmewende eine beträchtliche Rolle spielen.
Karl Ochsner: Technologieführer bei der Wärmewende
Durch effizientes Heizen und thermische Sanierung könnten in Österreich jährlich bis zu drei Milliarden Euro an Heizkosten gespart werden. Die Wärmepumpe wird bei der Wärmewende eine beträchtliche Rolle spielen.
Etwa ein Drittel des österreichischen Energieeinsatzes und rund 20 Prozent des heimischen CO2-Ausstoßes entfallen laut Klima- und Energiefonds auf die Versorgung mit Raumwärme und Warmwasser. Im Unterschied zur Stromversorgung überwiegt im Wärmebereich die Nutzung fossiler Energie jedoch mit einem Anteil von rund 60 Prozent. Ein Beispiel: Mehr als 600.000 österreichische Haushalte heizen noch mit Öl. Ein Großteil dieser Anlagen ist bereits 20 bis 25 Jahre in Betrieb.
Die Wärmewende wird von Experten als ein zentraler Baustein für die Erreichung der Pariser Klimaziele gesehen. Eine Studie der TU Wien zeigt, dass der Gesamtenergieeinsatz durch thermische Sanierung und effiziente Heizungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energie um 50 Prozent reduziert werden und der Einsatz fossiler Energien beinahe vollständig verdrängt werden kann. Durch die Wärmewende könnten in Österreich jährlich bis zu drei Milliarden Euro an Heizkosten gespart werden. Eine beträchtliche Rolle wird dabei die Wärmepumpe spielen. Ihr Anteil an der installierten Leistung wird laut Modellrechnung von derzeit etwa 10 Prozent auf rund 40 Prozent im Jahr 2050 steigen. Und der internationale Technologieführer in diesem Bereich ist das oberösterreichische Unternehmen Ochsner.
2008, knapp nachdem Karl Ochsner die Leitung des Unternehmens übernahm, sah die Situation noch komplett anders aus. Der Wärmepumpenhersteller geriet massiv in die Turbulenzen der Finanzkrise. Ochsner stellte das regionale Familienunternehmen auf komplett neue Beine und rückte kontinuierliche Innovation in den Fokus des Unternehmens. Ein Beispiel: Durch die eine von Ochsner entwickelte Technik hat sich der Wirkungsgrad der für Wärmepumpen wichtigen Leistungsziffer COP um etwa 10 Prozent verbessert. Heute zählen Forschung und Entwicklung zur Grund-DNA von Ochsner, um sich am High-End-Bereich der hochentwickelten Wärmepumpen durchsetzen zu können. Ochsner setzt stark auf Energieeffizienz – denn eine gesteigerte Effizienz hat sofort mit reduziertem Stromverbrauch beim Heizen oder Kühlen mit der Wärmepumpe zu tun. Das Unternehmen erhielt zweimal den Innovationspreis ENERGIE GENIE des österreichischen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit (aktuell BMLRT) sowie zweimal den österreichischen Staatspreis. In den letzten fünf Jahren ist das Unternehmen um etwa 70 Prozent gewachsen. Im Herbst 2020 erfolgte der Spatenstich für den Ausbau des Werks im niederösterreichischen Haag. Die Produktionskapazität wird verdoppelt.
Valentin Stalf: Banker für eine neue Generation
Der Wiener möchte nicht nur das Smartphone zum Mittelpunkt des Bankgeschäfts machen, er möchte die Bankenbranche in ihren Grundfesten erschüttern.
Valentin Stalf: Banker für eine neue Generation
Der Wiener möchte nicht nur das Smartphone zum Mittelpunkt des Bankgeschäfts machen, er möchte die Bankenbranche in ihren Grundfesten erschüttern.
Die Digitalisierung macht auch vor der Bankenbranche nicht halt. 84 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher benutzen einen Laptop oder Computer, um Bankgeschäfte abzuwickeln, 78 Prozent informieren sich über neue Produkte online, so eine Erhebung von Ernst & Young. Die Folgen: Die Zahl der Bankfilialen in Österreich hat sich von 2000 bis 2019 um ein Viertel verringert, von 5.479 auf 4.140. In 27 Prozent aller österreichischen Gemeinden gibt es keine Bankfiliale mehr.
Die Digitalisierung verändert die Ansprüche der Bankkunden. Kundinnen und Kunden bevorzugen einfache und klar verständliche Produkte. Digitale Kanäle bzw. Online-Services werden zunehmend zu einem essenziellen Kriterium, sich für eine bestimmte Bank zu entscheiden. „Der Wert unseres Unternehmens ist die positive Nutzungserfahrung für den Kunden", sagt der Wiener Valentin Stalf, Gründer von N26. Die Vision des Banking Start-ups N26: Es soll nicht eine Bank werden, die alle klassischen Angebote selbst erstellt, sondern eine Plattform für verschiedenste Fintechs und Angebote. Die Bank der Zukunft werde nicht alles selber machen, sondern die besten Angebote von den besten Anbietern bündeln, ist Stalf überzeugt.
Valentin Stalf studierte Accounting & Finance in St. Gallen und Tokio. Danach ging er zum Beteiligungsunternehmen Rocket Internet, wo er zwei Unternehmen aus dem Bereich Banking und Payment mit aufbaute. Nun macht er mit N26 das Smartphone zum Mittelpunkt des Bankgeschäfts. Stalf möchte sein Unternehmen auf eine Stufe mit Netflix, Spotify, Uber oder Airbnb stellen: Alles Unternehmen, die ihre Branche in den Grundfesten erschüttert haben. Bei N26 ist es eben das Banking.
Im Herbst 2015 hatte N26 50.000 Kunden in Deutschland und Österreich. Nun ist das Fintech-Start-up in 26 Märkten tätig und hat fünf Millionen Kunden. Bewertet wird es mit 3,5 Milliarden Dollar, klassischer Einhorn-Status. Das Potenzial ist damit aber wohl noch nicht ausgeschöpft. Die Managementberatung A.T. Kearney erwartet, dass in den nächsten fünf Jahren in Europa 50 bis 85 Millionen Menschen zu Neobanken wie N26 wechseln werden.