Hinter vielen der weltweit innovativsten Unternehmen stehen "Immigrant Entrepreneurs". Und auch in Österreich sind Einwanderer mittlerweile gründungsfreudiger als Alteingesessene – das war nicht immer so.
In den meisten Industrieländern gründen Migranten überproportional viele Unternehmen, gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung. Und sie betreiben nicht nur Schnellimbisse und Handyshops, sondern stehen auch überdurchschnittlich oft hinter innovativen Unternehmen: Ein US-Thinktank hat festgestellt, dass 55 Prozent der Unicorns – also der Start-ups mit Milliardenwert – migrantische Gründer oder Mitgründer haben.
„Eigentlich wirkt das zunächst kontraintuitiv, dass man ein Unternehmen gründet, wenn man in ein fremdes Land geht“, meint Dr. Peter Vandor von der WU Wien. Er beforscht unter anderem das Thema Immigrant Entrepreneurship: „Man beherrscht die Sprache womöglich nicht perfekt und kennt den Markt und die Kultur nicht so gut – das würde vermeintlich dagegensprechen, ein eigenes Geschäft aufzubauen.“
Wissen, was man kann – und was woanders funktioniert
Aber es gibt auch Faktoren, die dafürsprechen. Ein nicht so schöner: Als Ausländer hat man es oft nicht leicht, einen Job zu finden. „Abschlüsse werden oft nicht anerkannt und Studien zeigen, dass schon ein fremd klingender Name die Chancen, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, um 40 bis 60 Prozent reduziert“, sagt Vandor. „Viele sagen daher: ‚Ich weiß aber, was ich kann‘, und machen sich selbstständig.“
Gleichzeitig sind es besondere Qualitäten, die Migrantinnen und Migranten zu Gründern machen, erklärt Vandor: „Menschen, die sich entscheiden, ins Ausland zu gehen, sind oft risikofreudiger, ehrgeiziger. Das sind Charakteristika, die eher zu Gründungen führen. Und sie bringen interkulturelles Wissen mit: Sie kennen zum Beispiel Geschäftsmodelle, die in einem anderen Land funktionieren und die sie hierher übertragen – oder mit ihren Erfahrungen aus dem neuen Wohnsitzland rekombinieren.“
Langsamer Wandel auch in Österreich
In Österreich ist das Phänomen nicht so ausgeprägt wie zum Beispiel in den USA oder England. Geht man nach den Daten des aktuellen Austrian Startup Monitor, sind Nicht-Österreicher knapp überdurchschnittlich gründungsfreudig. „Ganz eindeutig ist die Datenlage aber nicht“, sagt Vandor. „Was ich schon sehe, ist, dass Migranten heute in Österreich häufiger Unternehmen gründen als noch vor zehn, zwanzig Jahren.“ Und aus Zahlen der Statistik Austria lässt sich ablesen, dass Selbstständige, die nicht in Österreich geboren sind, überdurchschnittlich oft auch Arbeitnehmer beschäftigen.
Messbarer Nutzen für die Gesellschaft
Positiv sieht Vandor, dass in Österreich Gründungsberatung in vielen Sprachen verfügbar ist: „Zumindest für Wien kann ich da mit Sicherheit sagen, dass wir da recht weit vorne dabei sind. Zum Beispiel wurde hier seitens öffentlicher Anlaufstellen und Agenturen bereits sehr früh begonnen, Unterlagen, Mentoring und Workshops in mehreren Sprachen anzubieten.“ Dennoch ist sein Wunsch an die Politik, dass die unternehmerischen Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund noch besser gefördert werden, zum Beispiel durch den Aufbau von Awareness, durch Workshops und einen generell konstruktiveren Umgang mit dem Thema Migration. Und: Mehr Forschung zu dem Thema. Dann könne man nämlich die Auswirkungen der Migration viel besser verstehen und in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen: „Immigrant Entrepreneurship ist greifbar und messbar nützlich für eine Volkswirtschaft, das zeigt die internationale Forschung ganz klar.“
Das beginne dabei, dass jene Einwanderer, die gründen, international etwas erfolgreicher sind, was das Einkommen betrifft. „Gleichzeitig schaffen sie Innovationen: Denken Sie an den Impfstoffhersteller Biontech“, sagt Vandor. Das deutsche Unternehmen wurde von Uğur Şahin und Özlem Türeci gegründet. „Und sie generieren zusätzliche Jobs – und zwar für MigrantInnen und Einheimische gleichermaßen.“ Ein negativer Effekt der migrantischen Gründungsneigung sei dagegen noch nicht festgestellt worden.
5 Immigrant Entrepreneurs in Österreich, die man kennt
- Attila Dogudan gründete den Caterer Do & Co. In Istanbul geboren, wurde er von der „Presse“ 2011 zum Österreicher des Jahres in der Kategorie Wirtschaft gekürt.
- Kim Sohyi, geboren in Südkorea, machte sich als Köchin und Kochbuchautorin einen Namen.
- Damian Izdebski und seine damalige Frau Aleksandra Izdebska gründeten den Elektronikhändler DiTech, der zeitweise über 100 Mitarbeiter beschäftigte. Beide stammen aus Polen.
- Ali Mahlodji kam als Kleinkind von Teheran nach Wien und wurde als Gründer der Berufsorientierungsplattform „whatchado“ bekannt.