Warum der Ukrainekrieg ein Wendepunkt ist

Tim Marshall erklärt am Exporttag die tiefgreifenden Auswirkungen des Ukrainekriegs in 5 Punkten.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Exporteur:innen

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Jürgen Zacharias

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Jolly Thompson

Die Auswirkungen von Russlands Angriff auf die Ukraine prägen Österreich und die Welt wie kaum ein Ereignis zuvor, sagt der renommierte britische Außenpolitik-Experte und Exporttag-Keynote-Speaker Tim Marshall.

So drastisch skizziert der Journalist, Bestseller-Autor und anerkannter Außenpolitik-Experte Tim Marshall die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Am 28. Juni wird Marshall die Keynote am Exporttag 2022 halten. Seine fünf wichtigsten Punkte haben wir schon vorab für dich zusammengefasst:

Der 24. Februar 2022 stellt einen Wendepunkt der Geschichte dar. Seine Auswirkungen sind mindestens so bedeutend ist wie der 11. September 2001 – möglicherweise sogar noch schwerwiegender.

Tim Marshall

1. Darum geht es

Russland verfolgt laut Marshall mit seinem Angriff mehrere Ziele:

  • Verhinderung einer politischen Annäherung zwischen dem Westen und der Ukraine

  • Verhinderung eines NATO-Beitritts der Ukraine

  • Kontrolle über den Zugang zur militärisch wichtigen nordeuropäischen Tiefebene

  • Kontrolle von Warmwasserhäfen (Odessa), die eigenen arktischen Häfen sind im Winter nur eingeschränkt nutzbar

  • Zugang zur Weizenproduktion und den Rohstoffen (Edelmetalle) der Ukraine

2. Das ist passiert

Am 24. Februar haben russische Truppen die Ukraine auf mehreren Fronten angegriffen. Seitdem tobt in dem osteuropäischen Land ein Krieg, der eine Zäsur für die Weltwirtschaft und die globale Sicherheitspolitik markiert, sagt Tim Marshall. "Putin hatte erwartet, dass sich die NATO und die Europäische Union in Kriegsbefürworter und Kriegsgegner aufteilen würden." Nun wirken EU und NATO gestärkt, der Westen hat Russland mit massiven Wirtschaftssanktionen belegt, zwischen Ost und West herrscht eine neue "politische Eiszeit". 

Exporttag 2022 i
WKÖ

Exporttag 2022

Österreichs größte Informations- und Netzwerksveranstaltung rund um die Themen Export und Internationalisierung findet am Dienstag, 28. Juni, in Wien statt. Am Programm stehen unter anderem:

  • Keynote mit Tim Marshall (Journalist, Autor & Experte für Außenpolitik)
  • Best Practices von Startups
  • Beratungsgespräche mit Wirtschaftsdelegierten aus über 60 Ländern
  • Networking mit Unternehmer:innen und Expert:innen
Jetzt anmelden!

3. Das sind die globalen Auswirkungen

Die zuvor neutralen Staaten Schweden und Finnland drängen in die NATO, der Krieg sorgt weltweit für steigende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise. Dazu kommt: Viele Länder erhöhen nun ihre Verteidigungsbudgets – alleine Deutschland will 100 Milliarden Euro zusätzlich in seine Armee investieren. Und auch China verfolgt die Entwicklungen in der Ukraine intensiv. Das Land betont seit Jahrzehnten seine Ansprüche auf die "abtrünnige" Insel Taiwan und droht immer wieder mit einer Invasion.

Ich glaube, dass wir uns auf eine neue Form einer bipolaren Welt zubewegen, in der die meisten Länder unter Druck geraten werden, sich für eine Seite zu entscheiden – für China oder die USA.

4. So wirkt sich der Krieg auf Österreich aus

Auch in Österreich ist eine Aufstockung des Verteidigungsbudgets geplant. Ein Problem ist die Abhängigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft von russischem Öl und Gas, es wird daher derzeit fieberhaft nach Ersatzlieferanten gesucht. Vom Krieg und den Sanktionen betroffen sind auch viele heimische Firmen mit Niederlassungen in der Ukraine und in Russland. Zudem wird über die Neutralität Österreichs und die die rot-weiß-rote Rolle in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik diskutiert.

5. So geht es jetzt weiter

Tim Marshall rechnet damit, dass sich der mit dem Angriff geöffnete "neue Eiserne Vorhang" zwischen Ost und West weiter verfestigen und auch über Europa hinaus ausdehnen wird. Auf der einen Seite stehen demnach die industrialisierten Demokratien (Westen, USA, Japan, Südkorea, Taiwan, …), auf der anderen Seite die autoritäre Staaten Russland und China.

Drei langfristige Folgen, mit denen wir rechnen müssen

  • Anhaltende Spannungen zwischen Russland und China sowie der NATO

  • Weitere Verschiebung des "Zentrums der Welt" in Richtung Indo-Pazifik

  • Störungen ökonomischer Engstellen (Suezkanal, Straße von Malakka, …) können verstärkt zu globalen Wirtschafts-Verwerfungen führen