Ukraine-Krieg: Das müssen Unternehmen jetzt beachten

Dazu raten die Risikoexperten von L&M Political Risk and Strategy Advisory.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Problemlöser:innen
  • Exporteur:innen

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Jürgen Zacharias

Straßenszene aus Kiew i
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Der russische Angriff auf die Ukraine hat auch für heimische Unternehmen weitreichende Konsequenzen. Was können sie unmittelbar tun? Mit welchen mittel- bis langfristigen Auswirkungen ist zu rechnen?

Am Morgen des 24. Februars ist der seit Jahren schwelende Konflikt um die Ukraine vollends eskaliert. Innerhalb weniger Stunden hat der zuvor auf den Osten des Landes beschränkte Konflikt mit dem Angriff der russischen Armee das ganze Land erfasst – und geht es nach Experten, dann ist die Einnahme der gesamten Ukraine durch russische Soldaten ebenso wenig auszuschließen wie eine Eskalation der Gewalt auch auf andere Gebiete und Länder.

Krieg in der Ukraine: Aktuelle Infos für Unternehmen

Ein Überblick über die aktuellen Entwicklungen sowie die wichtigsten Fragen und Antworten für Unternehmerinnen und Unternehmer findest du auf WKO.AT/UKRAINE

"Unserer Informationen zufolge hat das, was aktuell in der Ukraine passiert, eine größere Dimension", sagte Risikoexperte Hannes Meissner im Rahmen eines von der Wirtschaftskammer organisierten Webinars zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine. Laut dem Managing Partner der Wiener L&M Political Risk and Strategy Advisory GmbH sei schon länger zu beobachten, dass Russlands Präsident Wladimir Putin "den gesamten postsowjetischen Raum enger an sich" ziehe. Meissner: "Dabei setzt Putin auf friedliche Partnerschaften und politischen Druck, aber auch auf sicherheitspolitische Argumente und noch drastischer Mittel, wie sich nun in der Ukraine zeigt." 

Unmittelbare Auswirkungen haben die Kämpfe natürlich in erster Linie auf die Menschen in der Ukraine, die aktuell um Leib und Leben fürchten. Betroffen sind aber auch zahlreiche österreichische Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen in das Land unterhalten oder von den Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft gegen Russland getroffen werden. Johannes Leitner, Managing Partner von L&M Political Risk and Strategy Advisory: "Es ist schwer abzuschätzen, wie weit Russland gehen wird, wann und ob eine Rückkehr zum Verhandlungstisch möglich ist. In jedem Fall ist in den nächsten Tagen und Wochen mit weiteren und deutlich weitreichenderen Sanktionen gegen Moskau zu rechnen."

LOOKAUT: Ukraine-Konflikt - Flucht aus Kiew

WKÖ-Wirtschaftsdelegierte Gabriele Haselsberger i
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Gabriele Haselsberger, die WKÖ-Wirtschaftdelegierte in Kiew, berichtet für LOOKAUT während ihrer Flucht aus Kiew über die aktuellen Ereignisse in der Ukraine.

Aktuelle Stimmen und Berichte der WKÖ-Wirtschaftsdelegierten aus aller Welt zum Ukraine-Konflikt und den wirtschaftlichen Auswirkungen findest du auf LOOKAUT, dem neuen Wirtschaftskanal der WKÖ

In der Ukraine tätige rot-weiß-rote Unternehmen sind laut den beiden Risikoexperten von den Entwicklungen sehr unterschiedlich berührt: "Exportierende Unternehmen beispielsweise haben eine andere Risikoexposure als dort investierende Firmen." Unabhängig davon müssten alle Betriebe aber dringendst Notfallpläne zur Sicherheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie zum Schutz der wichtigsten Unternehmensressourcen vor Ort beispielsweise durch die Beauftragung privater Sicherheitsdienste erarbeiten. "Es ist davon auszugehen, dass mit dem Zusammenbruch oder Rückzug einer Ordnungsmacht und bis zur Übernahme einer anderen Ordnungsmacht eine Phase der Unsicherheit beginnt, die wenige Stunden dauern kann, aber auch mehrere Tage und in der schlimmstenfalls mit Plünderungen und Zerstörungen zu rechnen ist."

Über die unmittelbaren Aspekte hinaus müssten sich Unternehmen aber auch bereits über die mittelfristigen Auswirkungen Gedanken machen, so Meissner und Leitner. "Aufgrund der parallel zu den militärischen Attacken laufenden Cyberangriffe, ist mit massiven Unterbrechungen von Bürokratie und Administration zu rechnen. Zunehmend von Relevanz werden auch die Auswirkungen auf den Finanzsektor sein – wir gehen von einer weiteren Abwertung der Hrywnja (Anm.: ukrainische Landeswährung) aus." In einem nächsten Schritt müssten Unternehmen auch ihre Lieferketten überarbeiten und nicht zuletzt sei mit Ausfällen in der Infrastruktur zu rechnen – von der Energie- bis hin zur Wasserversorgung.

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Meissner weiter: "Es ist momentan schwer zu prognostizieren, wie sich die Lage weiterentwickelt. Aktuell ist der Zugriff auf Geschäftskonten und auf das Finanzsystem noch möglich, aber niemand kann vorhersagen, wie lang das der Fall sein wird." Unsicherheiten gäbe es auch in allen anderen Bereichen – bis hin zur Gewährung der Eigentumsrechte. "Wir gehen davon aus, dass es zu einer Neuorientierung in der Ukraine auf politischer Ebene kommen wird. Aber auch eine prorussische Regierung wird ein funktionsfähiges Wirtschaftssystem etablieren müssen und dabei auf unternehmerische Aktivitäten aus dem Ausland angewiesen sein." Meissner abschließend: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu einem schnellen Enteignungsprozess kommen wird – aber ich konnte mir bis vor ein paar Tagen auch viele andere Dinge nicht vorstellen."