Arbeiten, was das Zeug hält

Das war der erste Wettkampftag bei EuroSkills 2021 in Graz.


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EuroSkills 2021 in Graz i
(c) EuroSkills2021/HansOberländer.

Die österreichischen TeilnehmerInnen sind mit viel Verve und Elan in den ersten EuroSkills-Wettbewerbstag gestartet. Bis Samstag dreht sich für sie nun im Schwarzl Freizeitzentrum in Graz alles um fehlerhafte Lkw, den Aufbau von Heizungsanschlüssen und den Entwurf neuer Kleidungsstücke.

Es ist kurz vor zehn Uhr Vormittag im Süden von Graz, und drinnen, im Zelt Nummer 8, geht es schon ordentlich zur Sache. Die beiden österreichischen Betonbauer Daniel Mühlbacher und Georg Engelbrecht sägen und hämmern, was das Zeug hält. Mit einem kräftigen „Horuck“ bringen sie ein Verschalungselement in Position, gleich darauf das nächste. Team Russia ist wenige Meter weiter noch nicht ganz so weit. Dort scheint man sich zunächst eher auf das Zurechtschneiden der gelben Schaltafeln zu konzentrieren, was aber auch egal ist: Am Ende der EuroSkills-Wettbewerbe muss das Ergebnis stimmen. Wie die TeilnehmerInnen beim europäischen Kräftemessen der Professionisten dahin kommen, ist ihnen überlassen. Und auch, welche Prioritäten sie auf dem Weg setzen.

Die Herangehensweisen sind auch bei den Landschaftsgärtnern am anderen Zeltende unterschiedlich: Die Teams müssen in einem 20 bis 30 Quadratmeter großen Arbeitsbereich auf Basis eines vorgegebenen Plans einen Garten gestalten. Mit einem Baum, mit Büschen und Pflanzen, Zier- und Randsteinen und einem Teich. Während die Italiener noch damit beschäftigt sind, mit Richtschnur und Wasserwaage den ersten Begrenzungsstein zu setzen, haben die Ungarn gleich den Baum in Position gebracht. Die Österreicher Felix Janisch und Bernhard Gabrle modellieren hingegen gerade mit einer Schaufel das Gelände für die nächsten Arbeitsschritte. Sie haben auch bereits zwei Randsteine gelegt und mit einem Gummihammer platziert. 

Deutlich lauter geht es in der nebenan liegenden Daviscup-Halle zu. Hier arbeiten die Land- und Baumaschinentechniker, ein Stück weiter die CNC-Dreher und die Schweißer. Und die Bautischler, bei denen sich an den drei Wettbewerbstagen alles rund um ein hüfthohes – auf den ersten Blick unscheinbares – Fenster dreht. Das müssen die TeilnehmerInnen nachbilden. „Sieht einfach aus, ist es aber nicht“, sagt der österreichische Experte Wolfgang Fank von der Tischlerei Putz in Vorau. „Wenn man sich verdeutlicht, dass jede Holzverbindung rund eine Stunde Arbeit ist und jeder Kandidat innerhalb von 18 Stunden insgesamt 17 Holzverbindungen zu bewerkstelligen hat, dann sieht man schon, dass der Faktor Zeit bei uns eine sehr große Rolle spielt.“ Erst recht, wo die Fachkräfte davor am Musterfenster noch Maß nehmen und einen 1:1-Aufriss zeichnen müssen, auch die Holzrundungen müssen mühsam zurechtgeschnitten werden.  

Das Glück des Tüchtigen hat der österreichische Kandidat Alexander Peinhopf von der ALPE Zimmerei und Tischlerei GmbH in Fohnsdorf: „Während der Vorbereitung haben wir die Aufgabenstellung natürlich durchgespielt und uns dabei ein sehr, sehr ähnliches Fenster zur Vorlage genommen“, sagt Fank, der 2013 bei WorldSkills in Leipzig als Teilnehmer den Vizeweltmeistertitel mit heim nach Österreich nehmen konnte. Die Chancen für seinen Schützling, der mit einer prall gefüllten und 600 Kilogramm schweren Werkzeugkiste nach Graz gereist ist, sieht er positiv: „Alexander hat sich top vorbereitet und auch durch die coronabedingten Verschiebungen nicht aus dem Konzept bringen lassen. Er hat sich in der Zeit zuhause sogar eine eigene Werkstätte eingerichtet, um noch besser trainieren zu können.“ Über Sieg und Niederlage werden trotz allem Können und Know-how schlussendlich aber Kleinigkeiten entscheiden, wie Fank weiß: „Man kann noch so gut sein, wenn man dann aber nervös ist und seine Nerven nicht im Griff hat, wird es am Ende des Tages trotzdem nicht für ganz vorne reichen.“ Momentan sehe es aber sehr gut aus. „Alexander ist voll fokussiert und konzentriert, er wirkt sehr cool.“ Wer sein Hauptkonkurrent wird? „Der Teilnehmer aus Frankreich“, sagt Fank, ohne lange zu überlegen. „Ich kenne seinen Trainer, der sehr gut ist und der für mich damals in Leipzig ein harter Konkurrent war.“ Lächelnder Nachsatz: „Schlussendlich ist er aber knapp hinter mir auf Platz drei gelandet.“ 

Auf einem guten Weg ist wenige Meter weiter auch Lkw-Techniker Ronald Brunäcker. Der Burgenländer, der bei MLM Matthias Limp Mobilservice in Fohnsdorf arbeitet, durchsucht mithilfe eines Computers gerade die Schaltkreise eines Volvo-Lastwagens nach potenziellen Fehlerquellen. „Am Beginn jedes Moduls bekommen die TeilnehmerInnen Arbeitsaufträge zugeteilt, wie sie auch im Arbeitsalltag üblich sind“, sagt Experte Jürgen Kraft von der Landesberufsschule Mistelbach. In insgesamt vier Modulen – Motormanagement, Bremsen, Luftfederung und Lenkung sowie Elektrik – müssen die Professionisten jeweils bis zu zehn Fehler finden. „Das ist nur mit systematischem und vernetztem Denken möglich – und auch nur dann, wenn man in allen Bereichen viel Wissen mitbringt“, sagt Kraft. „Ein Lkw-Techniker ist ja heute nicht mehr nur Mechaniker, sondern auch Elektriker und Systemelektroniker.“ 

Als „Mega-Vorteil“ der österreichischen TeilnehmerInnen sieht Kraft die duale Ausbildung, weil österreichische Kandidaten dadurch „praktische Intelligenz“ mitbringen. Bei Robert Brunäcker komme hinzu, dass er „extrem an Technik interessiert“ ist, wie sein Trainer verrät. „Robert will Dinge nicht nur wissen, er will sie auch verstehen.“ Und wer sind die stärksten Rivalen des Burgenländers? Den deutschen Kandidaten Clemens Boehm werde man im Auge haben müssen, sagen die Österreicher – man kenne und schätze sich: „Ronald und Clemens haben sogar gemeinsam in Dresden trainiert.“ 

Teamwork ist angesagt

Teamwork ist bei der Mode Technologie angesagt: Hier arbeiten Laura Anna Tschiltsch und Christina Strauss gerade konzentriert an zwei Projekten. Die sind zwar getrennt zu bewältigen, die beiden sprechen sich aber intensiv miteinander ab. Der dreitägige Wettbewerb besteht aus mehreren, voneinander unabhängigen Modulen, eines davon ist das Nachschneidern eines selbstentworfenen Kleidungsstücks. Die beiden Teilnehmerinnen haben dafür ein Inspirationsplakat gestaltet und sich dabei an der Film-Schurkin „Cruella DeVil“ orientiert. Der Mantel, den Christina Strauss nachschneidert, ist aufwändig und wandelbar, er trägt einen spektakulären Kragen und Smock.  

Laura Tschiltsch widmet sich inzwischen einem „Mystery-Modul“: Sie hat den Bildausschnitt einer Jackentasche erhalten und muss auf dieser Basis einen industriegerechten Schnitt sowie aus Molino-Stoff einen Prototeil fertigen. Laura ist wettkampferprobt, sie war schon 2019 bei WordSkills in Kazan (Russland) dabei, wo sie ein „Medallion for Excellence“ erreichte, und wurde auch schon zu den chinesischen Staatsmeisterschaften geladen – wo sie prompt Zweite wurde. „Sie hat große Erfahrung“, sagt Expertin und Trainerin Isabella Lindenbauer, die weiß, wovon sie spricht. Sie war selbst zwei Mal als Kandidatin bei WorldSkills und 2016 hat sie bei EuroSkills in Göteborg Bronze geholt.  

Trainiert haben die steirischen Lokalmatadorinnen bei der Schneider-Innung in Graz. Am Ende wird es eine finale Präsentation aller Werkstücke geben – hier ist es von Vorteil, wenn sich ein stimmiger roter Faden durch die gesamten Wettbewerbsaufträge zieht. Technische Probleme zu Beginn des ersten Wettkampftages konnten die Kandidatinnen jedenfalls nicht stoppen. „Die beiden haben das bisher gut gemeistert und sind sehr fokussiert“, sagt Lindenbauer. Sie rechnet sich gute Chancen für Österreich aus. 

EuroSkills - Die Europameisterschaft der Berufe

Das Mega-Event "EuroSkills" findet seit 2008 alle zwei Jahre in einem der Mitgliedsländer statt, zuletzt 2018 in Budapest. Die für 2020 geplante Veranstaltung in Graz musste Corona-bedingt auf heuer verschoben werden. Von 22. bis 26. September werden im Schwarzl Freizeitzentrum in Graz rund 400 junge und fertig ausgebildete Fachkräfte aus den Berufsgruppen Industrie, Handwerk und Dienstleistung aufeinandertreffen und um Edelmetall kämpfen, die Bewerbe selbst finden von 23. bis 25. September statt.

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Sechs Mal angetreten, sechs Mal Gold geholt. Die österreichische Bilanz der Sanitär- und Heizungstechniker bei EuroSkills-Bewerben ist makellos, fast furchteinflößend. Wie geht der Vorarlberger Vivian Krientschnig, der sich in Graz in Halle 9 dem Bewerb stellt, mit diesem Druck um? Relativ entspannt, das vermittelt zumindest Trainer Thomas Hofer: „Ja, das war schon ein Thema. Wir haben das in der Vorbereitung angesprochen. Aber das war’s auch schon.“ Denn Vivian weiß, was zu tun ist. Er arbeitet gerade am Aufbau einer Heizungsinstallation, dem ersten von drei Modulen. An den Folgetagen werden eine Gas- und Wasser- und eine Vorwandinstallation auf dem Programm stehen. Es wird mit traditionellen handwerklichen Verfahren gearbeitet: Rohre müssen gebogen und mit Hanf isoliert werden. Wichtigstes Kriterium ist die Genauigkeit – Abweichungen über zwei Millimeter werden nicht toleriert. Und auch das Material ist exakt berechnet. Wer sich beim Messen oder Schneiden vertut, muss nachfassen. Und das wird mit Punkteabzug bestraft: „Das tut richtig weh.“  

Zurück zu den Landschaftsgärtnern in Halle 8: Mittlerweile stehen bei allen Teams die Bäume. Bei den Ungarn sieht es aber auch Drumherum schon sehr gut aus: Sie haben die Randsteine für das kurze Wegstück gesetzt, die Begrenzungsmauer steht und weist eine gleichmäßige Rundung auf, für den Teich haben sie bereits eine Plane ausgelegt, ein sogenannter Dreibock stabilisiert den Baum. Wie es wohl den Österreichern geht? Auf dem Weg dorthin kommen uns die rot-weiß-roten Lkw-Techniker mit einem Lächeln im Gesicht entgegen. Für sie ist der heutige Wettbewerbstag schon vorbei. Für Kandidat Ronald Brunäcker ist es gut gelaufen. „Er hat alle Fehler gefunden“, sagt sein Trainer Jürgen Kraft. Ein Sieg der dualen Ausbildung? Möglicherweise. „In jedem Fall hat Ronald gute Chancen auf einen Podestplatz – vorausgesetzt, er kann an seine schon gezeigten Leistungen anknüpfen und er behält seine Nerven im Griff.“