Um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, sollten wir uns auf die guten Ideen alter Philosophen rückbesinnen, sagt Wirtschaftsphilosoph Anders Indset.
Früher war er „Hardcore-Kapitalist“ und Unternehmer, heute ist er Wirtschaftsphilosoph. Die Medien wiederum nennen ihn "Rock'n'Roll-Plato". Grund dafür ist sein Aussehen: Lange Haare, Man Bun, die Finger voller Ringe. „Ich mache mir eher wenig Gedanken über mein Outfit“, sagt Anders Indset zu MARI€. „Ich habe zehn Jahre lang Anzug und Krawatte getragen. Aber so habe ich mich nie wohlgefühlt. Man sollte etwas nicht nur deshalb tun, weil die anderen es erwarten.“ Im Interview erklärt er, wie die Geschäftsmodelle der Zukunft aussehen könnten.
"Was ärgert dich in der heutigen Welt am meisten?"
Anders Indset:
Reaktionswesen. Sie haben aufgehört, nachzudenken, den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir leben mit vielen Annahmen, die wir für selbstverständlich halten. Wir folgen blind den Empfehlungen der Algorithmen von Google, Facebook und Co. Die gesamte Gesellschaft befindet sich seit 50 Jahren – seit der Friedens-, Liebes- und Poprevolution der 1960er-Jahre – in einem großen Nickerchen. Wir müssen von einer Wissensgesellschaft zu einer Gesellschaft des Verstandes werden.
"Philosophie ist das Streben nach Weisheit. Warum sollte sich die Wirtschaft darum kümmern?"
Wir kommen irgendwann an den Punkt, wo wir uns die Sinnfrage stellen: Was soll das alles eigentlich? Ich erlebe das fast täglich mit den Vorständen, mit denen ich zu tun habe. Manche erreichen diesen Punkt in einer Krise oder einfach nur, weil sie überfordert sind. Stichwort „digitale Transformation“, da ist doch die entscheidende Frage: Wohin wollen wir uns transformieren? Welche Zukunft ist für uns erstrebenswert?
"Wie können wir der Weisheit ganz praktisch näherkommen?"
Um der Weisheit näherzukommen, müssen wir unsere Ängste überwinden. Wir werden von der Außenwelt instrumentalisiert und orientieren uns daran, was andere von uns halten. Daher fürchten wir uns, Gefühle zu zeigen – oder zuzulassen. Wir haben Angst davor, einfach mal „Ich weiß es nicht“ zu sagen. Dabei ist die eigene Verletzlichkeit die Quelle für Beziehungen, Vertrauen, Kreativität und Innovation. Gespräche über künstliche Intelligenz bleiben zum Beispiel oft an der Oberfläche, weil niemand zugibt, dass er nicht versteht, worum es geht. Und: Wir brauchen eine Plattform für Rebellen und intellektuelle Freaks.
"Wie können alte Philosophen wie Kant und Hegel uns dabei helfen, die heutige Welt besser zu verstehen?"
Es geht nicht darum, Hegel analytisch im Kern zu verstehen. Sondern um die Art, wie er denkt. Vermutlich würde er heute ganz andere Dinge schreiben als vor 200 Jahren. Und wahrscheinlich wäre er auf Social Media aktiv. Ich frage mich: Was würde Hegel twittern?
"Was sind die Geschäftsmodelle der Zukunft?"
Ich glaube, dass wir in Zukunft immaterielle Güter kapitalisieren müssen: Wohlbefinden, Verstand, Liebe, all die Dinge rund um die Vitalenergie des Menschen.
Moderne Denker, die Anders Indset inspirieren:
- David Deutsch, Physiker an der Universität Oxford und Vordenker der Quantencomputer
- Roger Penrose, Philosoph und ehemaliger Mathematikprofessor an der Universität Cambridge
- David Chalmers, Philosoph und Bewusstseinsforscher (und Sänger der "Zombie Blues Band")
- Eric Weinstein, Mathematiker und Geschäftspartner des Investors Peter Thiel
- Stephen Wolfram, Mathematiker und Unternehmer
"Brauchen wir also mehr Yogastudios?"
Das ist jetzt ein sehr simples Beispiel. Wir sind ja noch in einer Transitphase. Spannend finde ich zum Beispiel die Meditations-App Headspace. Die macht im Kern das Gleiche wie ein Esoterikladen. Aber durch die Art, wie sie das Thema präsentiert, wird es cool – und die Leute zahlen Geld dafür, dass sie 20 Minuten still sitzen dürfen.
"Welche Bereiche der Wirtschaft haben dagegen keine Zukunft?"
Die Rolle des Managers ist tot. Also diejenigen, die momentan nur noch Menschen über KPIs (Key Performance Indicators, also Kennzahlen, die den Erfolg messen, Anm.) steuern und kontrollieren, werden verschwinden. Management – bewahren und verwalten – macht in Zukunft die Technologie, heute brauchen wir Gestaltung und Leadership. Im Unternehmen der Zukunft gibt es kein Oben und Unten mehr. Das Projekt ist der neue Chef. Dadurch gibt es auch keine klassische hierarchische Rollenverteilung mehr.
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