Wenn sich Pakete selbst verschicken

Smarte Technologien optimieren die Routen der Logistik


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Digital Pioneers
  • Nerds und Nerdettes

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Florian Streb

Zwei Freunde verschicken ein Paket i
AnnaStills

Das „Physical Internet“ könnte die Logistikwelt revolutionieren – sofern sie sich darauf einlässt. Forscher versprechen geringere Emissionen, niedrigere Transportkosten und bessere Arbeitsbedingungen in der Branche.

Wenn Sie ein E-Mail durch das Internet schicken, bahnt es sich seinen Weg selbst: Es zerlegt sich in kleine Datenpakete, die jeweils über verschiedene Knotenpunkte die schnellste Route an ihr Ziel suchen. Wenn Sie eine Waschmaschine versenden, macht die das nicht. Noch nicht. In Einzelteile zerlegen wird sie sich beim Versand hoffentlich auch künftig nicht, aber ihren Weg könnte sie sich selbst suchen. Zum Beispiel mit dem Zug zum Hafen, mit dem Schiff übers Meer und per Lkw ans Ziel.

Smarte Boxen optimieren die Route

Möglich machen soll das das Physical Internet, kurz PI – ein visionäres Konzept für den Warentransport. „Es geht um eine komplette Neustrukturierung des Güterverkehrs“, erklärt Fraunhofer-Austria-Forscherin Sandra Stein, Projektleiterin des Leitprojekts PhysICAL (Physical Internet through Cooperative Austrian Logistics), an dem sich 17 österreichische Unternehmen und Forschungsinstitute beteiligen. „Die bisherige Denkweise, dass ein Frächter die Ware vom Absender bis zum Empfänger transportiert, wird dabei komplett aufgebrochen“, sagt Stein. „Es wird so sein, dass man die Ware beispielsweise in eine intelligente Box verpackt oder die Ware mit Intelligenz ausstattet, sodass diese sich im Verkehrsnetz den günstigsten, nachhaltigsten oder schnellsten Weg suchen kann.“ Die Güter reden dabei miteinander, mit Transportmitteln, Umschlagpunkten und Lagerhäusern. „Lagerhäuser, die derzeit von einem Unternehmen allein genutzt werden, können dann von jedem Gut angesteuert werden.“

Lkws besser füllen

Österreich ist bei der Entwicklung des Physical Internet vorne dabei, intensiv geforscht wird aber zum Beispiel auch in Frankreich und den Niederlanden. In der Theorie erhofft man sich dabei, unter anderem die Leerkilometer von Lkws drastisch zu senken. Das würde Transporte nicht nur billiger machen, sondern auch Staus, Abgase und den Energieverbrauch reduzieren – und zwar um ein Drittel oder noch mehr. Das österreichische Leitprojekt soll nun beweisen, dass das nicht nur auf dem Papier so ist.

Abschied vom Truckerleben

Dass viele Fernfahrer selten zuhause sind, weil sie bis nach Stockholm oder Bukarest reisen, soll bald ebenfalls passé sein. „Im Physical Internet würde es diese Strecken nicht mehr geben – von Sonder- und Großtransporten abgesehen“, sagt Stein. „Da wohnt der Fahrer in Linz und fährt Strecken, die ihn am Ende der Schicht wieder nach Hause bringen.“ Die Güter werden oft umgeschlagen und so immer wieder an einen anderen Fahrer oder ein anderes Transportmittel übergeben. „Wenn PI-Boxen genutzt werden, können sie sich wie Tetris-Steine zu großen Blocks zusammenfügen, und dann wird nicht eine Einzelbox, sondern eine große, konsolidierte angegriffen und umgeschlagen.“

Kann das funktionieren?

In der Praxis teilen viele Unternehmen den Enthusiasmus der Forscher nicht. Die Skepsis, ob das Konzept so aufgeht, wie die Theorie es beschreibt, ist groß – zumal das auch erfordern würde, Ressourcen wie Transportmittel und Lager gemeinsam zu nutzen. Es wird also mit an den Ergebnissen praktischer Projekte wie PhysICAL liegen, ob das Physical Internet seiner Umsetzung bald näherkommt. Oder wird die Vision vom sich selbst verschickenden Paket ein Traum bleiben? Sandra Stein glaubt das nicht: „Der Druck, etwas zu ändern, ist noch zu gering. Aber falls gesetzliche Maßnahmen kommen, die mehr Nachhaltigkeit verlangen, schaut es anders aus. Und auch wenn ein großer Player wie Amazon oder die Post aufspringt, kann das Physical Internet sehr schnell Realität werden.“