Hochwertige Annotation, neurodivergente Talente und DSGVO-konforme Prozesse entscheiden über den Erfolg moderner KI.
KI ist und bleibt eines der Themen der Stunde, daran wird sich auch 2026 nichts ändern. Eine Frage, die vermehrt ins Zentrum rückt: Wie gelingt es eigentlich, dass Modelle mit qualitativ hochwertigen Daten gefüttert werden?
Die Antwort: Datenannotation, also das gezielte Markieren und Strukturieren von Rohdaten, damit KI-Modelle daraus verlässlich lernen können. Genau hier entsteht in Österreich gerade ein neuer Standortvorteil: regionale, hochwertige und inklusive Datenarbeit, bei der neurodivergente Talente eine Schlüsselrolle spielen.
Warum das wirtschaftlich relevant ist und wie Unternehmen davon profitieren, erklären Martin Hartl vom Verein Responsible Annotation sowie Andreas Schachl und Hans-Peter Kranewitter von Responsible Annotation Services im Interview.
Warum Datenannotation jetzt wirtschaftlich relevant wird
Warum reden wir überhaupt über Datenannotation und was macht sie für Österreich wirtschaftlich spannend?
Andreas Schachl: KI erreicht die nächste Reifestufe: Unternehmen wollen produktive Modelle, keine Prototypen mehr. Dafür braucht es hochwertig annotierte Daten, denn ohne diese kann kein Modell stabil funktionieren. Regionale Annotation kombiniert gleich mehrere Standortvorteile: DSGVO-Konformität, kurze Abstimmungswege, gemeinsames kulturelles Verständnis und die Möglichkeit, Arbeitsplätze im Inland aufzubauen. Die KI-Branche wächst massiv – der globale Annotation-Markt steigt von USD 15,2 Mrd. (2023) auf über USD 300 Mrd. bis 2030 – und Österreich kann hier eine Nische besetzen: hochwertige, spezialisierte Annotation statt anonymer Massenannotation.
i
80 % der Modellgüte hängen direkt an der Qualität der Trainingsdaten.
Warum entscheidet gerade die Annotation darüber, ob KI gut oder schlecht funktioniert?
Hans-Peter Kranewitter: Weil schlechter Input zu schlechten Modellen führt, egal wie gut der Algorithmus ist ("garbage in - garbage out"). 80 % der Modellgüte hängen direkt an der Qualität der Trainingsdaten. Annotation bestimmt, wie präzise ein Modell Objekte erkennt, wie konsistent es reagiert, wie Bias-frei es entscheidet und wie sicher es im industriellen Einsatz läuft. Die ISO-Standards verlangen deshalb klare Spezifikationen, Rollenmodelle, Qualitätskontrolle und nachvollziehbare Prozesse. Genau hier setzen unsere Datenteams mit strukturierter, normorientierter Annotation an.
Spannende Updates für dich
Mit der MARI€ MAIL erhältst du unsere wichtigsten Infos direkt in deine Mailbox.
Jetzt zum Newsletter anmelden!Was Annotation "Made in Austria" besonders macht
Was unterscheidet Annotation "Made in Austria" von der alternativen Auslagerung ins Ausland?
Martin Hartl: Der Unterschied ist Qualität, Prozess und Verantwortung. Die Auslagerung landet oft in Click-Fabriken, viele internationale Anbieter arbeiten mit massiver Fluktuation, kulturellen Missverständnissen und kaum Qualitätskontrolle. Zudem haben wir hier ein gleiches Sprach- und Fachverständnis, eine gleiche Zeitzone und direkten Austausch. Das erhöht die Modellqualität deutlich. Auch bleiben die Daten in der EU. DSGVO-Risiken, Übermittlungsprobleme und Schrems-II-Hürden entfallen. Zudem gibt es faire Löhne, reguläre österreichische Arbeitsverträge, ein förderndes Arbeitsumfeld und kein Ausbeutungssystem.
i
Die Auslagerung landet oft in Click-Fabriken, viele internationale Anbieter arbeiten mit massiver Fluktuation, kulturellen Missverständnissen und kaum Qualitätskontrolle.
Ihr verbindet Datenarbeit mit Inklusion – wie funktioniert dieses Modell konkret?
Martin Hartl: Der Verein Responsible Annotation schafft den sozialen Rahmen, indem er neurodivergente Talente rekrutiert, Onboarding & Training begleitet, die Arbeitsumgebung gestaltet und Förderstellen koordiniert. Die Partnerunternehmen wie Kapsch TrafficCom oder Responsible Annotation Services (RAS) wiederum stellen den professionellen Arbeitsplatz bereit. Wie? Indem sie klare Prozesse, strukturierte Annotation, ISO-geleitete Qualität, fixe Arbeitsverträge und Karriereperspektiven in Österreich bieten. Unternehmen profitieren doppelt davon, indem sie hochwertige, präzise Datenannotation erhalten und echten Social Impact ohne "Social Washing" generieren.
Stärken neurodivergenter Talente im KI-Training
Welche Fähigkeiten bringen Menschen im Autismus-Spektrum mit, die für das Training von KI besonders wertvoll sind?
Martin Hartl: Autistische Menschen verfügen oft über Stärken, die in der Datenannotation Gold wert sind: eine außergewöhnlich hohe Detailgenauigkeit, starke Mustererkennung, Ausdauer und Fokus in repetitiven Tätigkeiten, hohe Konsistenz – die essenziell ist für stabile KI-Modelle – und Bias-freie Entscheidungslogik, weil der Fokus stärker auf Regeln und weniger auf Interpretationen liegt. Diese Kompetenzen zeigen sich in allen Datenteams und sind ein zentraler Grund, warum die Datenqualität so hoch ist.
i
Besonders profitieren jene Sektoren, in denen Sicherheit, Präzision und regulatorische Anforderungen entscheidend sind.
Welche Branchen in Österreich profitieren besonders von hochwertiger, regionaler Annotation?
Andreas Schachl: Besonders profitieren jene Sektoren, in denen Sicherheit, Präzision und regulatorische Anforderungen entscheidend sind, wie Industrie & Robotik (z. B. Objekterkennung, Qualitätskontrolle), MedTech & Healthcare (Bilddiagnostik, Risikoanalyse), FinTech (Dokumentenverarbeitung, Fraud Detection), Agrartechnologie (Pflanzen- und Bodenerkennung), Logistik & Verkehr (Straßenszenen, Fahrzeugerkennung) und die öffentliche Hand (Smart City, Infrastrukturmonitoring). Diese Segmente bilden auch laut Business Plan den Kernmarkt von RAS.
Welche Rolle spielt Datenschutz und warum wird das 2026 zum echten Standortvorteil?
Hans-Peter Kranewitter: Daten sind ein strategisches Asset. Primärdatenhaltung wird durch strengere Regulatorik (DSGVO, AI Act, Data Act) noch wichtiger. RAS arbeitet selten mit eigener Datenhaltung, sondern in den allermeisten Fällen im gesicherten Umfeld des Kunden – ein Vorteil, den internationale Anbieter nicht bieten können. Was der Standortvorteil von Österreich ist? Es gibt EU-Rechtssicherheit, keine Datenübertragung in Drittstaaten, ein Höchstmaß an Auditierbarkeit und Vertrauen gegenüber kritischen Unternehmensdaten. Je sensibler die Daten, desto mehr zählt der regionale Partner. Und so entstehen auch qualitative Jobs, die inklusiv sind und für neurodivergente Menschen reale, langfristige Karrierechancen bieten. Damit entsteht in Österreich ein völlig neues Arbeitsmarktsegment, das bislang zu 100 % ins Ausland ausgelagert wurde.
Was Unternehmen für echte Inklusion brauchen
Was brauchen Unternehmen, die inklusiver werden wollen – und wo scheitert es oft?
Martin Hartl: Erfolgreiche Inklusion für neurodiverse Datenteams braucht drei Dinge. Erstens braucht es Struktur, also klare Prozesse, ruhige Umgebungen und vorhersehbare Abläufe. Zweitens werden geschulte Führungskräfte und Top-Management-Commitment benötigt. Teamleitungen müssen klare Kommunikation, stabile Rahmen und wertschätzende, neurodiversitätssensible Führung beherrschen. Der Verein unterstützt dabei. Und drittens braucht es ein koordiniertes Unterstützungssystem. Bestehende Beratungs-, Begleitungs- und Förderangebote müssen gut abgestimmt werden. Auch hier kann der Verein helfen und für Transparenz, Vermittlung und Abstimmung sorgen.
Inklusion von neurodivergenten Mitarbeiter:innen kann schnell scheitern, wenn Unternehmen Bewerbungs- und Onboardingprozesse mit zu hohen sozialen Ansprüchen gestalten, sie neurodivergente Einzelpersonen zu schnell isoliert in bestehende Teams "werfen", die erforderliche Klarheit und Struktur nicht bieten können, die hohen Perfektionsansprüche Neurodivergenter als lästig oder zeitverschwenderisch bewerten, Inklusion als "HR-Projekt" behandeln statt als Teil der Wertschöpfung, oder wenn Führungskräfte Angst haben, "nicht alles richtig zu machen".
Wenn ihr Unternehmer:innen in Österreich für das neue Jahr eine Empfehlung zum Thema KI-Daten geben könntet – welche wäre das?
Andreas Schachl & Hans-Peter Kranewitter: Behandelt Datenqualität nicht als Kostenfaktor, sondern als strategisches Asset. 90 % aller KI-Fehler kommen nicht vom Modell, sondern von falscher, ungenauer oder inkonsistenter Annotation. Wer seine Datenqualität im Griff hat, hat sein KI-Modell im Griff. Und wer regional, normorientiert und inklusiv arbeitet, schafft zusätzlich Wertschöpfung im eigenen Land. Unsere Empfehlung: Holt euch früh einen professionellen Annotation-Partner ins Boot – bevor das Modell live geht.