"KI ist ein Werkzeug, aber kein Ersatz für Wissen"

Digitalisierungs-Experte Franz Zeller im Interview.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Weiterdenker:innen

Lesedauer:

4

Minuten
Stilisierte Darstellung der Fusion von analogem und digitalem Wissen i
mizan | stock.adobe.com

Franz Zeller, ORF-Redakteur für Wissenschaft und Innovation mit Fokus auf Digitalisierung, über Chancen und Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz in der Erwachsenenbildung.

Autorin: Mag. Manuela Ottawa, MA

Herr Zeller, Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde – oft aber auch mit Ängsten behaftet. Viele fragen sich: Werde ich als Lehrende:r überflüssig? Wie kann ich in dieser schnellen Entwicklung überhaupt noch mithalten?

Franz Zeller: Diese Sorge ist verständlich, aber unbegründet – zumindest wenn wir KI als das sehen, was sie ist: ein Werkzeug. Ja, KI kann Informationen extrem effizient vermitteln, schneller als jeder Mensch. Aber genau da beginnt die eigentliche Aufgabe der Lehrenden. Denn Wissen ist nie losgelöst von Emotionen, Erfahrungen und Kontext. Menschen sind nicht nur Wissensspeicher, sondern sie verarbeiten Informationen individuell – geprägt von ihrer Biografie, ihren Erwartungen und Gefühlen. Lehrende sind also wichtiger denn je. Sie helfen beim Einordnen von Wissen, stellen Zusammenhänge her und geben Orientierung. Gerade weil KI einen Teil der "Faktenvermittlung" übernimmt, können sich Trainer:innen auf das Wesentliche konzentrieren:  auf die Begleitung und Stärkung der Lernenden. Und das eröffnet sogar neue Möglichkeiten – etwa Zeit für Austausch, Kreativität oder individuelles Coaching. Die Rolle verändert sich, aber sie wird nicht kleiner, sondern zentraler.

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KI als Informationsquelle

Gleichzeitig übernehmen KI-Modelle zunehmend auch die Rolle als Informationsquelle. Welche Verantwortung habe ich als Lernende:r oder Lehrende:r im Umgang damit?

Franz Zeller: Die Verantwortung bleibt ganz klar bei uns. KI kann fehlerhaft sein – wir kennen das von halluzinierten Fakten oder falschen Zusammenfassungen. Das bedeutet: Ich brauche ein solides Grundwissen, um Informationen einordnen zu können. Wer nichts weiß, kann nicht prüfen, was stimmt. Lernen ist also wichtiger denn je. Wer Wissen hat, gewinnt Sicherheit – und damit Selbstvertrauen im Umgang mit der KI.

Franz Zeller, ORF-Redakteur für Wissenschaft und Innovation i
Hans Leitner | orf

Lernen ist wichtiger denn je. Wer Wissen hat, gewinnt Sicherheit – und damit Selbstvertrauen im Umgang mit der Künstlichen Intelligenz.

Franz Zeller, ORF-Redakteur für Wissenschaft und Innovation mit Fokus auf Digitalisierung


Kann KI also nicht nur Vertrauen voraussetzen – sondern sogar selbst dazu beitragen?

Franz Zeller: Durchaus, wenn sie klug eingesetzt wird. In der Bildung können bestimmte Tools helfen, Lernprozesse zu individualisieren. Sie erkennen, wo jemand steht, und geben gezieltes Feedback. Das motiviert – und stärkt das Vertrauen der Lernenden in sich selbst und in die Lehrperson. Wenn Lernende spüren: "Hier versteht jemand, wo ich gerade stehe, und hilft mir weiter" – dann entsteht ein echtes Unterstützungsverhältnis. Und das schafft Vertrauen.

WIFI Lena Magazin Nr. 12 Cover i
WIFI Österreich

LENA Magazin | WIFI Österreich

Dieses Interview stammt aus dem LENA Magazin des WIFI Österreich. In Ausgabe Nummer 12 steht das Thema Vertrauen im Mittelpunkt: sowohl in Lerninhalte, in Trainer:innen als auch in sich selbst.

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Die Macht des Verstehens

Manche sagen: "Warum soll ich noch lernen – ich kann ja eh alles nachschauen." Was entgegnen Sie?

Franz Zeller: Ganz einfach: Wer nichts weiß, kann nichts einordnen. Wer sich in der Welt sicher bewegen will, muss sie auch verstehen – ob beim Reisen, im Alltag oder im Beruf. KI kann helfen, aber sie ersetzt nicht das eigene Wissen. Lernen heißt, sich auf die Welt vorzubereiten – und das bleibt unverzichtbar. Es geht um Selbstständigkeit, um Orientierung – und auch um das gute Gefühl, etwas zu können, ohne ständig nachzufragen. Dieses Selbstvertrauen gibt einem keine Maschine.

Und zum Schluss: Können wir darauf vertrauen, dass KI sich in eine positive Richtung entwickelt?

Franz Zeller: Vertrauen ja – aber nicht blind vertrauen. Es liegt an uns, wie wir diese Technologie gestalten. In Europa haben wir die Chance, Rahmenbedingungen zu setzen, die demokratisch und verantwortungsbewusst sind. Die Richtung, in die sich KI entwickelt, hängt davon ab, welche Werte wir als Gesellschaft vertreten. Es geht darum, wie viel Entscheidungsmacht wir Maschinen überlassen wollen und wo wir ganz bewusst sagen: Hier braucht es den Menschen, hier braucht es ethisches Urteilsvermögen, Einfühlungsvermögen, Verantwortung. Wenn wir das beherzigen, wird KI nicht zum Risiko, sondern zur Chance – auch in der Erwachsenenbildung.

Das Wichtigste in Kürze

  • KI ist ein Werkzeug, die Verantwortung bleibt aber bei uns.
  • Die Rolle der Lehrenden wird zentraler.
  • Lernen wird noch wichtiger, denn:
  • Wer nichts weiß, kann KI-Fakten nicht einordnen.