Chinas Wirtschaft im Stresstest

Deflation, Jobs und Zölle setzen China unter Druck.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Exporteur:innen

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Peter Draxler

Skyline einer chinesischen Megacity, ki-generiert i
Aliaksandr Kisel | stock.adobe.com

Chinas Wirtschaft steht 2025 unter Druck: Deflation, Jugendarbeitslosigkeit, Zollkonflikt mit den USA und eine Immobilienkrise belasten Wachstum und Unternehmen. WKÖ-Delegierter Franz Rößler über die aktuellen Herausforderungen Chinas.

China gilt als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt – doch aktuell steht das Land vor massiven Herausforderungen: sinkende Preise, steigende Jugendarbeitslosigkeit, ein Handelskonflikt mit den USA und eine angeschlagene Immobilienbranche. Im Interview erklärt Franz Rößler, WKÖ-Wirtschaftsdelegierter in Peking, wie sich diese Entwicklungen auf den Alltag der Menschen und die Geschäftschancen für österreichische Unternehmen auswirken.

Deflation in China: Sinkende Preise und Überkapazitäten

Herr Rößler, in Österreich reden wir viel über Inflation – in China ist es genau umgekehrt, da geht es um Deflation. Was bedeutet das eigentlich für den Alltag der Menschen und für die Unternehmen dort?

Franz Rößler: Die Inflationsrate Chinas könnte 2025 knapp im negativen Bereich liegen. Schon in den vergangenen beiden Jahren war die Teuerung fast bei null. Nach der Pandemie haben viele Menschen und Firmen das Vertrauen in die Zukunft verloren und sind bei Ausgaben zurückhaltend.

Gleichzeitig investiert der Staat massiv in Technologie. In Bereichen wie erneuerbare Energie oder E-Mobilität gibt es dadurch Überkapazitäten – allein über 100 Anbieter von Elektroautos. Viele Tech-Firmen überleben nur dank lokaler Subventionen. Der harte Preiskampf setzt die Unternehmen unter Druck und drückt die Preise weiter. Die Erzeugerpreise sinken nun schon das dritte Jahr in Folge – der Preisdruck wird in der gesamten Lieferkette weitergegeben.

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WKÖ/DMC


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Jugendarbeitslosigkeit: Fast jede:r Fünfte ohne Job

Gerade junge Leute haben es schwer, einen Job zu finden. Wo liegen die Ursachen – und was versucht die Regierung dagegen zu tun?

Rößler: Nach offiziellen Statistiken sind fast 20% der 16- bis 24-Jährigen arbeitslos. Studierende werden in dieser Statistik gar nicht mitgezählt. Jedes Jahr drängen zudem über 10 Millionen Uni-Absolvent:innen auf den Arbeitsmarkt – und das bei einer schwachen Wirtschaftslage. Vor allem private Arbeitgeber sind bei Neuanstellungen zurückhaltend.

Die Regierung reagiert mit Förderungen für Firmen, die junge Leute anstellen. Außerdem werden Lehrpläne an Schulen und Unis überarbeitet, damit sie praxisnäher werden. Österreich wird hier übrigens als Vorbild genannt.

Zollstreit mit den USA: Zölle und Technologie-Konflikt belasten Exporte

Auch mit den USA gibt es ordentlich Spannung – Stichwort Zölle. Wie laufen die Gespräche aktuell und welche wirtschaftlichen Spuren hat der Konflikt hinterlassen?

Rößler: Momentan sind die gegenseitigen Zusatzzölle zwar ausgesetzt. Hinter den Kulissen wird über die Höhe der US-Zusatzzölle für chinesische Waren verhandelt. Mit den derzeit geltenden 30 % verlieren chinesische Produkte in den USA massiv an Wettbewerbsfähigkeit. Auch wenn chinesische Produktionen nach Südostasien verlagert werden, sind diese von Zusatzzöllen betroffen.

Parallel dazu gibt es einen Technologie-Konflikt zwischen den USA und China. Beide Seiten haben Lieferungen von kritischer Vormaterialien wie Chips oder seltenen Erden eingeschränkt. Das Vertrauen in die USA als Partner hat in China stark gelitten. Peking will unabhängiger von ausländischer Technologie werden und setzt verstärkt auf eigene Entwicklungen. Außerdem richtet sich der Blick auf neue Märkte – etwa in Asien, Afrika oder Südamerika. Auch die Beziehungen zur EU, dem wichtigsten Handelspartner Chinas, sollen verbessert werden. Dafür wären aber viel mehr konkrete Handlungen erforderlich.

China hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt und zählt heute zu den sogenannten Mittleren-Einkommensländern. Der Boom war vor allem durch Infrastruktur und Exporte getrieben.

Franz Rößler, WKÖ-Wirtschaftsdelegierter in Peking

Immobilienkrise in China: Evergrande und der Druck auf den Bausektor

Ein großes Thema ist auch die Immobilienkrise – zuletzt wurde Evergrande sogar von der Börse genommen. Wie geht es mit dem Konzern weiter und welche Rolle spielt die Branche insgesamt für Chinas Wirtschaft?

Rößler: In den vergangenen zwei Jahrzehnten waren der massive Ausbau der Infrastruktur und der Wohnbau für Baufirmen sowie für Wohnungskäufer, die auf steigende Immobilienpreise zählen konnten, ein florierendes Einkommensmodell.  Dieses Modell funktioniert aber nicht mehr.

Im Infrastrukturbereich drängen chinesische Bauunternehmen zunehmend auf Auslandsmärkte, unterstützt durch die Neue-Seidenstraße-Initiative. Im privaten Wohnungsbau greift der Staat vorsichtig ein, um Immobilienentwickler aufzufangen und angefangene Projekte fertigzustellen. Weniger neue Baugenehmigungen sollen außerdem den Preisverfall bremsen.

GRAFIK: Chinas Wirtschaft im Überblick

Perspektiven: Wie entwickelt sich Chinas Wirtschaft langfristig?

Wenn wir nach vorne blicken: Wie schätzen Sie die Perspektiven der chinesischen Wirtschaft ein – kurzfristig und langfristig?

Rößler: China hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt und zählt heute zu den sogenannten Mittleren-Einkommensländern. Der Aufschwung war vor allem vom massiven Ausbau der Infrastruktur und Exporten getragen.  Nun gilt es für das Land, sich wirtschaftlich neu aufzustellen: durch eine Förderung des Binnenkonsums und dem weiteren Aufstieg in der Wertschöpfungskette, also mehr hochwertige und technologisch innovative Produktionen

Damit tritt China in direkten Wettbewerb mit den USA und Europa. Die staatliche Steuerung schafft zwar für einen guten Rahmen, führt aber auch zu Überkapazitäten und Ineffizienz. Trotzdem hat die Volkswirtschaft gute Chancen auf weiteres – wenn auch moderates – Wachstum. Pluspunkte sind der riesige Binnenmarkt mit 1,4 Milliarden Menschen, die wachsende Mittelschicht, die starke Technik-Affinität und die gute Infrastruktur.

WEB-TIPP:  Die wichtigsten Informationen zur chinesischen Wirtschaft

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Österreich und China: Chancen und Risiken für heimische Unternehmen

Und zum Abschluss noch der Blick aus Österreich: Ist China für heimische Unternehmen überhaupt noch attraktiv? Wie viele Firmen sind dort aktiv – und was sagen die Handelszahlen?

Rößler: Viele österreichische Firmen haben lange Zeit gut im China-Geschäft verdient. Inzwischen machen die schwächelnde Wirtschaft und die starke lokale Konkurrenz den Markt schwieriger. Trotzdem bleibt China mit seiner Größe und Rolle in den globalen Lieferketten viel zu wichtig, um hier nicht präsent zu sein.

Rund 650 heimische Firmen betreiben in China über 900 Standorte und haben dort mehr als 6,3 Milliarden Euro investiert. Vor allem Industrieunternehmen und spezialisierte Nischenanbieter sind stark vertreten.

Im Handel war China 2024 Österreichs viertwichtigster Partner weltweit. Bei den Importen lag es sogar auf Platz zwei mit 15,5 Milliarden Euro. Bei den Exporten auf Platz neun mit 5,3 Milliarden Euro. Das Ungleichgewicht nimmt zu: Von Jänner bis Mai 2025 sind unsere Importe um 14% gestiegen, die Exporte hingegen um 12% gefallen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Deflation statt Inflation: Preise sinken, Unternehmen kämpfen mit Überkapazitäten – besonders im Tech- und E-Mobilitätssektor.
  • Jugendarbeitslosigkeit: Fast 20 % der 16- bis 24-Jährigen sind ohne Job; die Regierung setzt auf Förderungen und praxisnähere Ausbildung.
  • Zollkonflikt mit den USA: 30 % Zusatzzölle belasten chinesische Exporte; gleichzeitig eskaliert ein Technologie-Streit.
  • Immobilienkrise: Der Kollaps von Evergrande zeigt die Probleme des Bausektors; der Staat versucht, Projekte abzusichern.
  • Österreichische Perspektive: Rund 650 heimische Firmen sind in China aktiv – trotz wachsender Risiken bleibt der Markt zentral.