Sinkende Produktivität in Österreich wird zum Problem

Die durchschnittliche Arbeitszeit ist rückläufig, die Produktivität je Stunde zuletzt ebenso. 


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Zahlenjongleur:innen

Lesedauer:

2 Minuten

KolumnistIn: Rolf Gleißner

Person steht vor einem Sonnenuntergang - links von ihr abfallende Graphen i
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Forderungen nach Lohnsteigerung und Arbeitszeitverkürzung werden meist mit höherer Produktivität begründet. Tatsächlich zeigen die Zahlen: Die Produktivität ist kaum gestiegen, zuletzt sogar gesunken. 

Die Statistik Austria erhebt quartalsweise Wirtschaftleistung, Zahl der Beschäftigten und geleistete Arbeitsstunden. Die Wirtschaftsleistung je Erwerbstätigen gibt die Produktivität pro Kopf wieder, die Wirtschaftsleistung je Arbeitsstunde die Stundenproduktivität. 

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Die Entwicklung von 2010 bis zum 2. Quartal 2023 zeigt, dass die Produktivität je Beschäftigtem in dem Zeitraum nicht gestiegen ist (gelbe Linie). Zwar wurde der Rückschlag durch die Pandemie im Jahr 2020 danach rasch aufgeholt. Seit dem 2. Quartal 2022 sinkt aber die Produktivität wieder und liegt 2023 nur 0,6 % über dem Niveau von 2010.

Die Produktivität pro Kopf hängt davon ab, wie produktiv ein Beschäftigter je Stunde ist und wie viele Stunden er leistet. Dabei zeigen sich gegenläufige Entwicklungen: Die Produktivität je Stunde ist von 2010 bis 2022 um 10 % gestiegen (blaue Linie), zuletzt aber wieder gesunken (auf +8 % im Vergleich zu 2010). Auch das WIFO sieht 2023 einen Rückgang um 1,3%. Das liegt daran, dass die Unternehmen in der aktuellen Rezession Mitarbeiter trotz geringerer Auslastung halten.

Mehrbeschäftigung trotz Rezession

Der langfristige Zuwachs in der Stundenproduktivität wurde vollständig zunichtegemacht durch den Rückgang der Arbeitsstunden (rote Linie): Denn 2023 leistete ein durchschnittlicher Beschäftigter um 7 % weniger Arbeitsstunden als 2010, das sind 2½ Stunden pro Woche. Die Grafik zeigt, dass die geleistete Arbeitszeit sich nach dem massiven Einbruch 2020 auf einem deutlich niedrigeren Niveau eingependelt hat. Mit anderen Worten: Wir leisten im Schnitt in etwa gleich viel wie 2010 bei etwas geringerer Arbeitszeit.

Letztlich hängen Standort und Wohlstand von drei Faktoren ab: Von der Zahl der Erwerbstätigen, der Zahl der Arbeitsstunden und der Produktivität. In keinem Bereich schaut es gut aus: Die durchschnittliche Arbeitszeit ist rückläufig, die Produktivität je Stunde zuletzt ebenso. Und was die Zahl der Beschäftigten betrifft: Diese ist zwar gestiegen – die Unternehmen beschäftigen trotz eines BIP-Rückgangs heute um 40.000 Personen mehr als vor einem Jahr. Aber demografiebedingt wird die Zahl der Erwerbspersonen ab jetzt stagnieren.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Wirtschaftsstandort Österreich hat ein Problem.
  • Die Entwicklung der Produktivität spricht nicht für große Lohnerhöhungen, im Gegenteil.
  • Das "Horten" unausgelasteter Arbeitskräfte könnte sich ändern, wenn die Rezession anhält und die Arbeitskosten infolge von Lohnabschlüssen abrupt steigen.
  • Und längerfristig gilt:  Wenn Österreich die Wachstumsfaktoren Produktivität, Arbeitszeit und Beschäftigung nicht verbessert, fallen wir bei Standort und Wohlstand zurück.