Am zweiten EuroSkills-Wettbewerbstag blickten wir Floristin Verena Kleibner, den Netzwerktechnikern Nikolaus Walther und Klarissa Wimmer, Restaurant-Fachmann Johannes Aistleithner und den Einzelhandels-Verkäufern Florian Hiebl und Julia Grabner über die Schultern. Und bei einigen „Try a skill“-Stationen legten wir sogar selbst Hand an.
Den Strauß einfach nur als „schön“ zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung. Das, was Floristin Verena Kleibner von Blumen Moser in Villach hier bei der Professionisten-Europameisterschaft EuroSkills im Schwarzl Freizeitzentrum im Süden von Graz mit unterschiedlichen Schnittblumen und allerhand Dekoelementen gestaltet, ist vielmehr sensationell. Blume für Blume steckt sie in ein zuvor gebautes Gerüst. Ihre Trainerin, „Blumenfee“ Karin Hofer aus Innsbruck, lächelt: „Als wir zu trainieren begonnen haben, hat sie diese Technik noch nicht sehr gut beherrscht – heute ist das eine ihrer größten Stärken.“ Auch die meisten von Verenas KonkurrentInnen bauen ihre Sträuße auf Gerüsten auf. Die Herangehensweisen ähneln sich, das hat auch schon der gestrige erste Wettbewerbstag gezeigt. „Unterschiede gibt es in Technik, Gestaltung und Farbkomposition“, sagt Karin Hofer. „Und diese Punkte werden dann auch bewertet.“
Verena Kleiber
Die Expertin unterbricht unser Gespräch, gemeinsam mit den anderen Juroren informiert sie die Nachwuchstalente über die verbleibende Zeit für die aktuelle Aufgabestellung. Noch zehn Minuten. Verena Kleibner wischt sich mit der Hand über die Stirn. Sie kontrolliert die Formgebung ihres Straußes. Ist auch wirklich alles gleichmäßig? Gibt es irgendwo Verbesserungspotenzial? Vielleicht sogar Lücken? Sie zupft da und dort einzelne Stängel zurecht, steckt an der Seite eine Blume nach. Sieht gut aus.
Gut sieht es auch bei den beiden Netzwerktechnikern Nikolaus Walther und Klarissa Wimmer aus, die in Zelt 2 mit Teams aus Deutschland, Frankreich, Ungarn, Liechtenstein, Lettland, Portugal, Russland und der Schweiz konkurrieren. Ihre Aufgabe: Klassische Netzwerke aufbauen. An den drei Wettbewerbstagen bekommen sie es dabei mit drei unterschiedlichen Systemen zu tun – Microsoft, Linux und Cisco. „Die Logik ist aber immer die gleiche“, sagt Trainer Christian Schöndorfer von der HTL Wien 3 Rennweg. „Es geht darum Server, Büros, Geschäfte und andere Komponenten in ein Netz zu integrieren, zum Laufen zu bringen und für die notwendige Absicherung zu sorgen – Stichwort Cyberangriffe.“ Dafür seien systemisches Denken, eine analytische Herangehensweise und ein gutes Zeitmanagement Grundvoraussetzungen. „Die Teilnehmer dürfen sich dabei aber auch von möglichen Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen lassen. In der IT kann es passieren, dass ein Computer nicht hochfährt oder dass Systeme plötzlich nicht mehr zusammenspielen, obwohl sie das bis dahin reibungslos getan haben.“
Klarissa Wimmer
Nikolaus Walther
Um auf derartige Situationen bestmöglich vorbereitet zu sein und nichts dem Zufall zu überlassen, haben die beiden österreichischen Kandidaten knapp 2.000 Stunden in ihr Training investiert. „Anders geht es nicht“, sagt Trainer Schöndorfer. „Nur wer viel übt, kann sich die notwendige Routine für so einen Bewerb aneignen und um den Sieg mitkämpfen.“ Ob sich der Aufwand bisher gelohnt hat und die Österreicher gut im Rennen liegen? Christian Schöndorfer will sich zur Halbzeit des Wettbewerbs zu keiner Einschätzung hinreißen lassen. Nur soviel: „Es geht haarscharf her. Alle Teams arbeiten auf einem sehr hohen Niveau, letztlich werden Kleinigkeiten entscheiden.“
Wer bei EuroSkills neben dem Mitfiebern mit den rot-weiß-roten KandidatInnen auch die eigenen Fähigkeiten auf die Probe stellen möchte, ist bei den vielen „Try A Skill“-Stationen richtig. Interessierte können dort Reifen wechseln, den eigenen Körper in die Höhe stemmen, ein Foto von sich zur einzigartigen Karten-Spielfigur machen oder den richtigen Umgang mit einem Glätteisen lernen. Bei der „Steinmetz-Station“ darf man sogar selbst Hand an Hammer, Meißel und Klüpfel legen und bei den Installateuren können mit wenigen Handgriffen aus Kupferrohrstücken Figuren geformt werden – Herze oder Kreise beispielsweise. Am Stand der Maler- und Beschichtungstechniker dreht sich hingegen alles um das Motto „Paint your future“ – jede Menge Farbe inklusive.
Fotos von den "Try a Skill"-Stationen findest du hier
Besonders großer Andrang herrscht bei „Job mit Aussicht – Lehre im Tourismus“ in Zelt 6. Um den Stand drängen sich gerade die lautstarken SchülerInnen zweier Klassen einer Grazer Mittelschule. Die Kinder und Jugendlichen wählen aus rund 20 Zutaten – darunter Äpfel, Honig und Butternuss-Kürbis, Pfirsichnektar, Karotten und Apfelsaft – und mixen sie zu einem Smoothie. Dem dürfen sie dann auch einen Namen geben. Die 14-jährige Julia nennt ihre Gurken-Birnen-Heidelbeeren-Eiswürfel-Kreation „Turbo-Mike“. „Ich habe auch Currypulver reingegeben“, sagt sie. Ihre Klassenkolleginnen Marie, Ina und Babsi halten nebenan ihre tiefvioletten Smoothies in eine Smartphone-Kamera und ein Stück weiter versuchen sich Moritz und Paul mit Bratpfannen im Palatschinken-Präzisionswurf. Ziel ist es, die Kids mit Spiel und Spaß für touristische Berufe zu begeistern, wie einer der Standbetreuer verrät – und das scheint gut zu gelingen.
Red Bulletin Skills Special
Was haben Spitzensport und berufliche Höchstleistungen gemeinsam? Für beides sind Disziplin und Leidenschaft unerlässlich. Um das zu zeigen, hat die Wirtschaftskammer Österreich speziell zum Event ein 100 Seiten starkes «Red Bulletin Skills Special»Magazin produziert. Es ist am 14. September erschienen und wird österreichweit mit der Post vertrieben, bei EuroSkills und am Red Bull Flugtag Wien verteilt sowie über Gastronomie, Friseur-Betriebe und Schulen verbreitet.
Ortswechsel zur „Erlebnis Baustelle“ von Sponsor Doka in Zelt 8. Während nebenan gerade die Betonbauer ihre am Tag zuvor errichteten Schalwände (unsere Zusammenfassung des ersten Tages findest du hier). mit Beton füllen, bauen Jana und Sabrina aus kinetischem Sand kleine Mauern und Türme. Juri besichtigt währenddessen eine Baustelle im Zentrum Prags. Dazu hat der 16-jährige HTL-Schüler eine VR-Brille aufgesetzt, auf einem Bildschirm können alle anderen seinem Rundgang folgen. Über eine Leiter klettert er hoch in den nächsten Stock. Vorne sind Absperrgitter zu sehen, links von ihm eine Wand mit Schaltafeln und rechts die Skyline der tschechischen Hauptstadt. Spektakulär – „und ein Tool, das in Zukunft noch viel wichtiger werden wird“, sagt Stephan Niterl, der für Doka hier den Stand betreut. „Der Andrang ist riesig“, sagt er, „viel größer als erwartet. Schön, dass wir hier so viele Jugendliche für unsere Produkte und den Beruf des Betonbauers begeistern können.“
Mehr Begeisterung für ihren Beruf erhofft sich auch Expertin Kathrin Nussbaumer von der Fachberufsschule für Tourismus Warmbad Villach. „Wir suchen händeringend junge Leute, die sich für die Ausbildung zur Restaurant-Fachkraft entscheiden“, sagt sie. Dafür brauche es aber auch ein moderneres Berufsverständnis in der Bevölkerung. „Viele Menschen wissen immer noch nicht, dass der Job viel mehr ist, als Essen zu servieren und leere Teller abzuservieren“, sagt sie. „Das ist schade.“ EuroSkills sei eine gute Gelegenheit, um zu zeigen, worauf es in dem Beruf wirklich ankommt: Ein souveränes Auftreten, Nervenstärke, Freundlichkeit und solide handwerkliche Qualitäten. Restaurant-Fachkräfte müssen auch Fisch filetieren und Fleisch tranchieren können, sie sollten gute Weinkenntnisse mitbringen und den Gästen gegenüber stets höflich sein – auch wenn es einmal Probleme geben sollte.
Augenscheinlich wird all das am Nachmittag, wenn die TeilnehmerInnen jeweils sechs Gästen ein mehrgängiges Hochzeitsmenü servieren. Dabei müssen sie die Gäste begrüßen und zum Tisch führen, Vor- und Hauptspeisen servieren, Wasser und Wein einschenken, Torten aufschneiden. Für den Österreichischer Johannes Aistleithner läuft es dabei richtig gut. Die Aufgaben meistert er souverän, besonders umsorgt er das gespielte Brautpaar. „Ich darf Ihnen zum fünften Hochzeitstag gratulieren“, sagt er in perfektem Englisch. „Es ist mir eine Freude, diesen besonderen Tag mit Ihnen verbringen zu dürfen.“ Am Vormittag hat er schon seine Weinkenntnisse unter Beweis gestellt. Je fünf Rot- und Weißweine musste er an Farbe und Geschmack erkennen und zuordnen.
Erstmals am EuroSkills-Programm steht der Einzelhandel-Verkaufsbewerb. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Demonstrationsbewerb, der – wenn alles glatt läuft und sich die Durchführung bewährt – in Zukunft fix in das Skills-Programm aufgenommen werden könnte. Um die Werbetrommel möglichst kräftig zu rühren, stehen mit Florian Hiebl von Skiworld Holzner in Obertauern und Julia Grabner (außer Konkurrenz) vom Hochzeits- und Modehaus Steinecker gleich zwei rot-weiß-rote Nachwuchstalente in den Startlöchern. „Ich möchte das zeigen, was ich auch jeden Tag im Geschäft mache: gut verkaufen“, sagte Florian schon im Vorfeld. Bekommt er es normalerweise aber mit Urlaubsgästen und Sportlern zu tun, die sich für neue Ski, Snowboards, Bindungen oder Skischuhe interessieren, muss der 24-Jährige bei EuroSkills mehr Flexibilität beweisen. Es gilt auch andere Produkte an den Mann und die Frau zu bringen und sich außerdem in Preisverhandlungen mit potenziellen Lieferanten zu beweisen. Testkunden wollen im Verkaufsgespräch überzeugt und Reklamationen behandelt werden – und das alles auf Englisch. Bislang gab es dabei für die beiden rot-weiß-roten Vertreter keine großen Probleme, wie Experte Raimund Lainer bestätigt. „Der Bewerb läuft generell sehr gut“, sagt er, „und wir alle hoffen, dass er in Zukunft auch wieder Teil von EuroSkills sein wird.“
Florian Hiebl
Daniel Edlinger
Zum Abschluss statten wir noch den Kfz-Technikern einen Besuch ab. Die haben nur zwei Wettbewerbstage, um 17.30 Uhr ist für sie schon Schluss. Wenige Minuten davor ist für den rot-weiß-roten Kandidaten Daniel Edlinger von der Josef Harb GmbH aus Weiz aber noch einiges zu tun. Mit einem Schraubenzieher fixiert er den Unterbodenschutz seines Übungsfahrzeugs. Das Werkzeug muss noch weggeräumt, das Auto von der Hebebühne zu Boden gelassen werden. Noch zwei Minuten. Daniel blickt sich um. Im Fahrzeug liegen auch noch ein paar Werkzeuge, er schaltet die Frontscheinwerfer aus. Geschafft – und Aus. Das Publikum applaudiert. Darunter Freunde und Familienmitglieder und auch einige andere österreichische Kandidaten, die schon zuvor für heute Feierabend gemacht haben. Mitten in den Applaus hinein beginnt eine der Zuschauerinnen zu singen. „Immer wieder, immer wieder …“ Es dauert nicht lange, dann fallen auch die restlichen Zuschauer ein. „… immer wieder Österreich!“
Das gilt hoffentlich auch für heute, wenn auch die anderen Bewerbe zu Ende gehen und am Ende möglichst viele heimische Talente mit Medaillen und Spitzenrängen für ihre Mühen belohnt werden.