Der Startschuss für neue Karrierechancen in Lehrberufen ist gefallen. Seit 1. Mai 2024 ist das Gesetz für die Höhere Berufliche Bildung (HBB) in Kraft. Damit werden berufliche Bildungswege aufgewertet.
Das Dilemma beginnt in Österreich schon im Teenageralter. Nämlich dann, wenn sich Jugendliche für einen zukünftigen beruflichen Weg entscheiden. Der erste Gedanke, der tolle Karrierechancen verspricht, gilt dann oftmals der Matura und einem anschließenden Studium.
Aber gilt das auch heute noch? Was das Einkommen betrifft, definitiv nein – das zeigen die Zahlen von Statistik Austria: Berufsbildung und ein Lehrabschluss ermöglichen demnach nicht nur den raschesten Berufseinstieg, sondern bieten auch frühzeitig bessere Verdienstmöglichkeiten als die AHS-Matura.
Schon einmal etwas von der Höheren Beruflichen Bildung gehört? Falls nicht, dann haben wir jetzt ein paar spannende Facts & Figures für dich.
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Durch den Fachkräftemangel erscheint die Berufsausbildung heutzutage in einem günstigen, weil äußerst zukunftsträchtigen Licht. Und auch die Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten sind mit einer dualen Ausbildung – also einem Lehrabschluss – viel umfassender als oftmals bekannt. Ob Lehre mit Matura, Lehre nach der Matura, Duale Akademie, Meister- oder Befähigungsprüfung oder Ingenieurszertifizierung:
Die Bandbreite an Optionen ist jetzt schon beträchtlich.
Und wird künftig noch bedeutend erweitert. Zwar findet berufsbegleitende Weiterbildung schon jetzt vielfach statt, diese wird aber nicht offiziell anerkannt und damit wenig wertgeschätzt. Genau da setzt das neue Gesetz zur Höheren Beruflichen Bildung (HBB) an, das seit 1. Mai 2024 in Kraft ist. Dadurch wird künftig die Höherqualifizierung durch Berufspraxis wie in der akademischen Welt durch ein klar definiertes Stufensystem formalisiert und sichtbar gemacht.
Höhere Berufliche Bildung: Das sind die neuen Abschlüsse
Das Ziel ist ein ähnlich klarer beruflicher Ausbildungsweg wie in der akademischen Welt. Und damit ein kräftiger Image-Boost für die Lehre. Denn während in der Uni-Sphäre Titel wie Bachelor, Master oder PhD den Ausbildungsgrad anzeigen, sollen zukünftig neue Abschlussbezeichnungen auf die höhere berufspraktische Qualifikation hinweisen:
- Höhere Berufsqualifikation (HBQ, englisch: Extended Professional Qualification)
- Fachdiplom (FD, englisch: Professional Certificate)
- Höheres Fachdiplom (HFD, englisch: Advanced Professional Certificate)
Da es in vielen Lehrberufen Abschlüsse wie Meister:in, Befähigte:r oder Ingenieur:in nicht gibt, wertet das Gesetz zur Höheren Beruflichen Bildung nun endlich auch alle anderen berufsbildenden Ausbildungen auf.
Noch ist freilich Geduld gefragt: Wo Bedarf an Fachkräften am Arbeitsmarkt besteht, können Branchen nun erstmals höhere bildungspraktische Abschlüsse aufsetzen und beim Wirtschaftsministerium einreichen. Einige Berufsgruppen haben schon vorgearbeitet, mit den ersten verfügbaren Qualifikationen wird für Anfang 2025 gerechnet.
Hier setzt die Regierung somit dringend nötige Maßnahmen gegen akute Probleme am Arbeitsmarkt. Denn in Österreich - da sind sich sämtliche Expert:innen einig - herrscht heute schon ein Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren noch deutlich verschärfen könnte, wie auch der Branchenvergleich in der Grafik zeigt.
GRAFIK: Zusätzlicher Arbeitskräftebedarf in Branchen bis 2040
Neue Möglichkeiten für heimische Fachkräfte
Der Lösungsansatz: Lehrberufe sollen auch auf einer persönlichen Ebene aufgewertet und damit die Aufstiegschancen der Fachkräfte verbessert werden. Bisher drohende Karrierenachteile werden so verhindert. Wer sich für eine Karriere in der Warenproduktion, im Handel, am Bau, im Dienstleistungssektor, in der Gastronomie oder in der Verkehrs- und Lagerwirtschaft entscheidet, soll durch Zusatzqualifikationen Möglichkeiten bekommen, eines Tages auch umfassende Verantwortung und Leitungspositionen übernehmen zu können.
Mit anderen Worten: Die Entscheidung für einen Lehrberuf wird künftig ermöglichen, auf der Karriereleiter ganz nach oben zu klettern. Damit bringt das neue HBB-Gesetz für insgesamt 1,6 Millionen Menschen mit Lehrabschluss sowie 870.000 Personen mit mehrjähriger Berufspraxis bzw. BMS- und BHS-Absolvent:innen vollkommen neue berufliche Aufstiegschancen.
So kann HBB-Qualifikation aussehen
Mögliche Beispiele auf Stufe 5 des Nationalen Qualifikations-Rahmens (NQR), also aufbauend auf Lehrabschlüssen, sind:
- HBQ Technische Projektleitung im Bereich Heizungstechnik (Servicetechnik)
- HBQ Filial- oder Regionalleitung, aufbauend auf Einzelhandelskaufmann/frau
- HBQ Energieeffizienztechnik, aufbauend auf unterschiedliche Berufe wie Rauchfangkehrer:in
- HBQ Dachdeckerei/Fassadenbau mit Spezialisierung Photovoltaik/Solarthermie
Besonders im Fokus stehen Berufe, in denen Betriebe mit einem Mangel an Arbeitskräften konfrontiert sind, konkret sind das der Handel, das Gewerbe, Umwelt- und Klimatechnologien sowie Warenproduktionen in der Industrie. Laut einer Umfrage des Market-Instituts wünschen sich 48% aller Lehrlinge mehr Anerkennung und Respekt für Lehre und Ausbildung, 53% wollen nach der Lehre eine weitere Ausbildung machen.
Neue Möglichkeiten für heimische Unternehmen
Für die österreichischen Betriebe ist die Höhere Berufliche Bildung zum einen eine Möglichkeit, Mitarbeitende länger im Unternehmen zu halten. Die Höherqualifikation selbst ist Motivation für Angestellte, die auf der Karriereleiter vorankommen wollen. Zum anderen bringt das neue Gesetz den Betrieben Vorteile bei internationalen Ausschreibungen, bei denen Qualifikationsnachweise der Mitarbeitenden immer stärker nachgefragt werden.
Der im Gesetz enthaltene Nationale Qualifikationsrahmen (NRQ) liefert die entsprechende Transparenz eines siebenstufigen Rasters. Damit schließt Österreich zu Konkurrenzländern wie Deutschland und der Schweiz auf.
GRAFIK: Das österreichische Bildungssystem mit HBB*
Das Wichtigste in Kürze:
- Seit 1. Mai 2024 ist das Bundesgesetz über die Höhere Berufliche Bildung (HBB) in Kraft.
- Eine Höherqualifizierung wird wie in der akademischen Welt durch ein klar definiertes Stufensystem sichtbar gemacht, dazu werden neue Titel eingeführt
- Für heimische Fachkräfte sowie Unternehmen bieten sich dadurch neue Möglichkeiten.
- Das Gesetz zur Höheren Beruflichen Bildung stellt die Weichen zum Vorteil der österreichischen Wirtschaft und macht diese fit für eine erfolgreiche Zukunft.