9 gute Gründe für Freihandels­abkommen

Wie Handelsabkommen für einen alle Seiten zum Gewinn werden - und was sie mit Kohlsprossen zu tun haben.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Wirtschaftseinsteiger:innen

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Florian Streb

Ein LKW fährt in einem Hafen vor Frachtcontainern i
Envato

Handelsabkommen sind ungefähr so beliebt wie Kohlsprossen: Es gibt schon Fans, aber die meisten Leute rümpfen eher die Nase. Dabei gilt für beide: Richtig zubereitet sind sie sehr zu empfehlen!

1. Sie bringen beiden Handelspartnern Vorteile

… und zwar selbst dann, wenn ein Land in keiner Branche effizienter produzieren kann als das andere. Das hat schon vor über 200 Jahren der englische Ökonom David Ricardo nachgewiesen. Wer sich nicht durch dessen Wälzer quälen will, findet zum Beispiel hier eine anschauliche Erklärung seines Modells.

2. Sie verhindern ungeregelten Handel

Wie jetzt? Den sollen sie doch gerade ermöglichen? Nicht ganz – denn dafür bräuchte man ja kein hunderte Seiten dickes Abkommen, sondern nur einen Zweizeiler. Ein Handelsabkommen stellt Spielregeln auf, wann und wie der Handel eingeschränkt werden darf. Einschränkend sind zum Beispiel Vorschriften zum Verbraucherschutz oder geschützte Ursprungsbezeichnungen wie Tiroler Speck, Parmesan oder Champagner.

3. Sie schützen vor willkürlichen Zöllen

Zölle und Einfuhrsteuern werden manchmal als „Revanchefoul“ an anderen Staaten erfunden. Beispiel gefällig? Die "Chicken Tax" der USA. In den 1960ern schufen erst Deutschland und Frankreich Importhürden für Hühner, Amerika revanchierte sich mit einem Strafzoll – der allerdings nicht nur für Federvieh galt und gilt, sondern auch für Pick-ups und Transporter. Deshalb wird für den Import eines VW-Busses in die USA bis heute eine Hendlsteuer fällig.

4. Sie ersparen Sisyphusarbeit

Gerade erst ist die mühsame Zertifizierung Ihres Produkts in Österreich durch, und schon beginnt das ganze Spiel in Deutschland von vorne. Und dann in Kanada. Und dann in Japan. Aber bevor es ein Okay gibt, müssen Sie hier dieses und dort jenes verändern … So wäre es, hätten wir keine Handelsabkommen. Gemeinsame Standards und Normen ersparen viele Mehrfach-Wege.

5. Sie verhindern Dumping

"Liebe Regierung, unser Hauptkonkurrent in Österreich ist gerade schwach bei Kasse – wenn ihr uns jetzt kräftig subventioniert, können wir unser Produkt noch günstiger verkaufen, ihn endgültig erledigen und die Weltherrschaft an uns reißen!" So ungefähr funktioniert Dumping. Das ist natürlich nicht okay. Deshalb wird es auch durch Handelsabkommen verboten.

6. Sie sind ein Hebel für bessere Arbeitsbedingungen

Wenn ein Land auf Arbeitnehmerrechte achtet, ein anderes aber nicht, kann im zweiten günstiger produziert werden. Das ist natürlich nicht im Sinne des Handelspartners und ein unfairer Vorteil. Handelsabkommen können deshalb dazu genutzt werden, bessere Arbeitsbedingungen auch in anderen Ländern zu etablieren – diese Chance sollte man nicht verstreichen lassen.

7. Sie können mehr Umweltschutz einfordern

Punkt 6 in Grün: Kaum ein diplomatisches Werkzeug bietet so einen großen Hebel, andere Länder zu besserem Umweltschutz zu bewegen. Früher war das in Handelsabkommen kein großes Thema – heute ist es eines.

8. Sie steigern die Produktivität

Der internationale Wettbewerbsdruck hat schon so manches Unternehmen gezwungen, ineffiziente Prozesse zu überarbeiten – wovon am Ende auch die Konsumenten profitieren. In einer von Protektionismus abgeriegelten Wirtschaft fehlt dieser Druck oft. Aber Vorsicht! Natürlich darf man den Weltmarkt nicht unvermittelt auf Länder mit wenig entwickelter Wirtschaft loslassen. Diese benötigen einen gewissen Schutz, um aufschließen zu können, und genießen deshalb in internationalen Abkommen auch besondere Rechte.

9. Sie sichern den Frieden

Die Friedenssicherung war das Hauptmotiv für die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in den 1950ern. Die intensive Verflechtung der Wirtschaft macht Konflikte oder gar militärische Auseinandersetzungen unattraktiver, weil man voneinander abhängig ist. Und das ist ein Erfolg, den niemand leugnen kann: Seit wir in Europa einen gemeinsamen Wirtschaftsraum haben, schlagen wir uns – endlich! – nicht mehr gegenseitig die Schädel ein. 

PS: Falls Sie sich noch Tipps für die Zubereitung von Kohlsprossen erhofft haben: Da sind wir leider die Falschen. Aber wir haben Ihnen zumindest einen Link dazu herausgesucht.