In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wird stets die alte Idee Arbeitszeitverkürzung hervorgeholt. Doch retro bleibt retro, findet Rolf Gleißner. Denn: Die Arbeitszeit geht ohnehin zurück, und selbst in der Krise fehlen Fachkräfte.
Die tatsächliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten sank laut Eurostat 2020 im Schnitt von 39,6 auf 37,5 Stunden. Im EU-Vergleich arbeiteten nur die Franzosen mit ihrer 35 Stunden-Woche, Schweden und Dänen kürzer als die Österreicher. Der kräftige Rückgang ist vor allem auf die Kurzarbeit zurückzuführen, in der sich zur Spitze im April 2020 über eine Million Arbeitnehmer befanden.
Doch schon vor der Krise war die durchschnittliche Arbeitszeit im Sinkflug, weil wir mehr Teilzeit arbeiten und immer weniger Überstunden leisten. 2007 kamen Herr und Frau Österreicher im Schnitt auf zwei Überstunden pro Woche, 2020 nur mehr auf eine.
Viele Jahre ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigten gestiegen. Seit zwei Jahren ist der Anteil unverändert bei 28,5 Prozent. Unverändert ist auch die Zufriedenheit mit Teilzeit: Nach Eurostat arbeiten in Österreich nur 9,3 Prozent der Teilzeitbeschäftigten unfreiwillig in Teilzeit, im EU-Schnitt sind es 24,4 Prozent. Besonders hoch ist der Anteil in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit – in Italien 66 Prozent, in Spanien 52 Prozent.
Kein Eingriff in Arbeitszeiten!
Daher besteht kein Grund für die Politik, in Arbeitszeiten einzugreifen, etwa sie zu verkürzen oder umzuverteilen. Die Menschen sind verschieden und sollen selbst bestimmen, wie lange sie arbeiten. Kurzarbeit ist hingegen sinnvoll: Auch sie reduziert die Arbeitszeit, aber zielgerichtet zur Überbrückung der Krise und nur befristet.
Und was den Arbeitsmarkt betrifft: Ja, die Arbeitslosigkeit muss runter. Doch selbst jetzt melden Branchen wie Handwerk, Gewerbe, Bau, Industrie, IT einen Fachkräftemangel. Nach der Krise werden Arbeitskräfte erst recht wieder gebraucht.