Je niedriger die Zinssätze liegen, umso interessanter sind Investitionen auf dem Aktienmarkt. Ein Gespräch mit dem Finanzexperten Peter Brezinschek.
Immer dann, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) die Leitzinsen verändert, kommt Bewegung in den Geldmarkt. Anfang Juni 2024 hat die EZB alle drei Leitzinssätze – Hauptrefinanzierungssatz, Spitzenrefinanzierungssatz und Einlagesatz – um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Was das für die persönliche Anlagestrategie bedeutet, hat MARI€ mit dem Finanzexperten Peter Brezinschek besprochen.
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Am EZB-Leitzins orientieren sich die Geschäftsbanken in der Eurozone, die das jeweilige Zinsniveau für ihr Land gestalten. Für Sparer:innen ist der Einlagesatz, den die EZB nun von 4% auf 3,75% gesenkt hat, besonders wichtig. Dieser Zinssatz dominiert den Geldmarkt und damit die Zinsen, die man für Geld auf dem Sparbuch bekommt. Mit der Zinssenkung bringt das gesparte Geld weniger Ertrag ein.
Doch eine Zinssenkung alleine löst noch keine große relevante Veränderung aus", sagt Brezinschek, "wenn eine Nationalbank den Zinssatz senkt, kommen meist noch ein paar weitere hinzu. Dann will man den Zinszyklus bei der Veranlagung nutzen."
Das führt zur Gretchenfrage: Wie sehen die Leitzinsentscheidungen der EZB in den nächsten Quartalen aus?
Eine sichere Prognose ist schwierig.
Aktien werden auch die nächsten 10 Jahre das beste Vehikel sein
Was die Zinsentwicklung mit der Inflation zu tun hat
Die Höhe des Leitzinses hat Einfluss auf die Preisentwicklung. Sind die Zinsen niedriger, sind auch Kredite billiger, was sich wiederum positiv auf die Nachfrage auswirkt.
Die Folge: Die Preise steigen, damit auch die Inflation. Umgekehrt führen höhere Zinsen zu einer sinkenden Nachfrage, wodurch auch die Preise sinken. Mit ihrer Zinspolitik verfolgt die EZB das Ziel, die Inflationsrate auf etwa 2% zu stabilisieren.
Dass die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main den Leitzins gesenkt hat, liegt daran, dass die Inflation in den meisten Ländern der Eurozone zurückgegangen ist, auch mittels staatlicher Unterstützung. "In manchen Ländern gibt es aber keine Preisbremsen mehr, daher steigt die Inflation wieder, und es ist nicht sicher, wie viele Zinssenkungen kommen", sagt Brezinschek. "Im dritten Quartal 2024 ist es noch wahrscheinlich, aber im Dezember möglicherweise nicht, vor allem wenn die Inflation im Euroraum wieder eine 3 vor dem Komma hat."
2025 könnten die Zinsen aber weiter absinken, jedoch nicht in raschem Tempo.
"Aktien sind in den nächsten Jahren das beste Vehikel"
Je niedriger die Sparzinsen sind, umso attraktiver werden riskantere Formen der Veranlagung, kurz: Aktien. "Auf den Aktienmärkten ist die Senkung der Zinsen ein angenehmer Faktor, weil die Sparbücher keine attraktive Konkurrenz mehr sind, aber auch Anleihen nicht", sagt Brezinschek.
Damit steigen die Kurse. Wer rechtzeitig investiert, kann längerfristig mit guten Renditen rechnen.
"Aktien werden auch die nächsten 10 Jahre das beste Vehikel sein", so Brezinschek, "wenn auch nicht mit Renditen, die deutlich über der Inflation liegen." Das liege unter anderem an der hohen Lohnquote, am Arbeitskräftemangel, der demografischen Entwicklung und natürlich am geringeren Wirtschaftswachstum.
Schrittweise investieren und gute Gelegenheiten nutzen
Jetzt schon solle man einen Fuß in den Finanzmarkt stellen. "Ich warte nie", sagt Brezinschek. "Es ist ein günstiges Umfeld, das halt schon noch in eine gewisse Korrekturphase laufen kann." Deswegen solle man nicht den gesamten angesparten Betrag investieren, sondern schrittweise Aktien kaufen.
"Wenn ich sehe, dass es bei gewissen Entwicklungen einen Rückschritt gibt, heißt: wenn die Kurse zweistellig sinken, dann investiere ich alles."
Wer ausreichend Budget habe, um die Investitionen auf 8 bis 10 Unternehmen zu streuen, könne einzelne Aktien kaufen. Wobei es natürlich immer drauf ankomme, ob die Unternehmen ein Gewinnwachstum verzeichnen.
"Für die große Masse macht es Sinn, beispielsweise in den DAX oder Nasdaq100 zu investieren und in Fonds, beispielsweise in Rohstoffe, die wegen der Energiewende ein Faktor sind", sagt Brezinschek, "dann habe ich eine recht ausgewogene Palette." Ergänzen könne man den Mix noch um einen MSCI in einem Emerging Market wie China oder Indien.
Dranbleiben, Zinsentwicklung beobachten, Informationen einholen
"Ansparpläne sind sinnvoll", sagt Brezinschek, "da bekommt man einen kumulativen Effekt. Dabei sollte man immer ein thesaurierendes Wertpapier nehmen, weil dann die Dividenden reinvestiert werden." Schon ab 50 Euro im Monat lohnt sich ein Ansparplan. Automatisch wächst dann monatlich das Wertpapiervermögen, wobei man mal zu einem niedrigeren, mal zu einem höheren Kurs kauft.
Sich gar nicht um die eigenen Investments zu kümmern, ist nicht ratsam. "Dazu sind die Zeiten zu kurzlebig, man sollte die Investitionen schon anschauen", rät Brezinschek. Konjunkturberichte, die Inflations- und Zinsentwicklung und die Entwicklung der Unternehmensgewinne, aber auch globale Trends gehören zu den wichtigsten Informationen.
Hilfreich ist auch eine professionelle Beratung, ob in der Bank oder bei einem unabhängigen Profi. "Mindestens jährlich, besser halbjährlich", empfiehlt Brezinschek, "oder sich mit der Materie beschäftigen. Es ist gar nicht so ein Hexeneinmaleins."
Das Wichtigste in Kürze:
- Sinkt der Einlagesatz, sinken auch die Zinsen für Sparguthaben, Kredite werden billiger. Im Juni 2024 hat die EZB erstmals seit März 2016 die Leitzinsen gesenkt.
- Investitionen in Aktien und Fonds sind bei niedrigen Zinsen das attraktivere Anlageinstrument, da sie längerfristig mehr Rendite bringen als magere Sparbuchzinsen.
- Mit einem ausgewogenen Mix aus ETF und Fonds streut man das Risiko.
Thesaurierende Finanzprodukte unterstützen im Gegensatz zu ausschüttenden den Vermögensaufbau, weil Gewinne dann automatisch reinvestiert werden. - Wer in Finanzmärkte investiert, sollte am Ball bleiben, um auf Entwicklungen rechtzeitig reagieren zu können. Auch regelmäßige professionelle Finanzberatung trägt zum Anlageerfolg bei.
- Mit Zinsentscheidungen versucht die EZB, die Inflationsrate zu steuern: Hohe Zinsen bremsen tendenziell die Inflation, niedrige Zinsen befeuern sie.