Nachhaltiges Wachstum: Zu diesen Reformen rät der IWF

Trotz Krisen bleibt die Welt­wirtschaft robust, langfristige Wachstumsaussichten jedoch schwach.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Global Player

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Peter Draxler

Darstellung von Aktienkursen in 3D i
Georgii | stock.adobe.com

Die globale Wirtschaft zeigt bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit, analysiert Petya Koeva Brooks vom IWF im MARI€-Interview. Mittelfristig sind die Wachstumsaussichten allerdings die schwächsten seit Jahrzehnten.

Am Exporttag der WKÖ hielt Petya Koeva Brooks, die stellvertretende Direktorin in der Forschungsabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF), eine vielbeachtete Keynote zum "World Economic Outlook". Im Anschluss haben wir die Gelegenheit genutzt und ihr ein paar Fragen gestellt. 

"Die Covid-Krise und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben die europäische und globale Wirtschaft in den letzten Jahren stark beeinträchtigt. Wie beurteilen Sie die derzeitige Erholung der Weltwirtschaft, insbesondere im Vergleich zu den Erholungsphasen nach früheren globalen Krisen?"

Petya Koeva Brooks: Die Weltwirtschaft ist nach wie vor bemerkenswert widerstandsfähig und verzeichnet ein stetiges Wachstum, während die Inflation auf ihr Ziel zurückkehrt. Trotz vieler düsterer Prognosen konnte eine Rezession vermieden werden, das Bankensystem erwies sich als weitgehend robust, und in den großen Schwellenländern gab es keine plötzlichen Einbrüche.

Noch ermutigender ist, dass wir jetzt davon ausgehen, dass die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für die meisten Länder und Regionen geringer ausfallen werden, was zum Teil auf das robuste Beschäftigungswachstum zurückzuführen ist. Das weltweite Produktionsniveau lag Ende 2023 um etwa 10% höher als vor der Pandemie, verglichen mit 13% höher vier Jahre nach Beginn der Weltwirtschaftskrise.

Die Widerstandsfähigkeit ist bemerkenswert, wenn man die ereignisreiche Reise der letzten Jahre bedenkt - angefangen bei den Unterbrechungen der Versorgungskette nach der Pandemie, dem von Russland angezettelten Krieg in der Ukraine, der eine globale Energie- und Nahrungsmittelkrise auslöste, gefolgt von einer weltweit synchronisierten geldpolitischen Straffung inmitten des anhaltenden Konflikts im Nahen Osten. Dennoch bleiben die mittelfristigen Aussichten die schwächsten seit Jahrzehnten.

Teaser für Anmeldung zum MARIE MAIL i
WKÖ/DMC

Spannende Updates für dich!

Mit der MARI€ MAIL erhältst du unsere wichtigsten Infos direkt in deine Mailbox.

Jetzt zum Newsletter anmelden!

Wie lauten die kurz- und mittelfristigen Prognosen des IWF für die weltweite Inflation und das Wirtschaftswachstum? Gibt es Anzeichen dafür, dass die Inflation dauerhaft gesenkt werden kann?

Petya Koeva Brooks: Im April prognostizierten wir ein globales Wachstum von 3,2% in den Jahren 2024 und 2025. Mittelfristig dürfte das Wachstum bei knapp über 3%  bleiben und damit deutlich unter dem historischen Durchschnitt liegen (3,8%  für 2000-2019).

Der Disinflationsprozess schreitet seit dem Inflationshöhepunkt im Jahr 2022 voran und wird sich voraussichtlich bis zur vollständigen Stabilisierung in allen Regionen der Welt bis spätestens 2029 fortsetzen, wobei die Inflationsraten den Durchschnittswerten vor der Pandemie entsprechen werden.

Petya Koeva Brooks, stellvertretende Direktorin in der Forschungsabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF) i
IMF

Produktivitätssteigernde Reformen, die sich auf die Förderung des Marktwettbewerbs, die Öffnung des Handels, den Zugang zu Finanzmitteln und die Flexibilität des Arbeitsmarktes konzentrieren, sollten Vorrang haben

Petya Koeva Brooks, stv. Direktorin in der Forschungsabteilung des Internationalen Währungsfonds (IWF)

Was können die Regierungen jetzt tun, um die wirtschaftliche Erholung zu beschleunigen und gleichzeitig eine nachhaltige Inflationskontrolle zu gewährleisten?

Petya Koeva Brooks: Reformen auf der Angebotsseite können dazu beitragen, die Erholung zu beschleunigen, ohne den Inflationsdruck zu erhöhen. Produktivitätssteigernde Reformen, die sich auf die Förderung des Marktwettbewerbs, die Öffnung des Handels, den Zugang zu Finanzmitteln und die Flexibilität des Arbeitsmarktes konzentrieren, sollten Vorrang haben, um eine bessere Ressourcenallokation zu ermöglichen, bei der Arbeit und Kapital zu Unternehmen mit höherer Produktivität fließen können. Angestachelt durch potenzielle Produktivitätsgewinne würden bessere Wachstumsaussichten die Unternehmen dazu ermutigen, mehr zu investieren, einschließlich Investitionen zur Beschleunigung des Innovationstempos und der Übernahme neuer Technologien.

Gleichzeitig und um sicherzustellen, dass die Arbeitskräfte für neue und expandierende Unternehmen leicht verfügbar sind, könnten Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung - insbesondere älterer Arbeitnehmer, wie z. B. Rentenreformen und Arbeitsmarktprogramme - die Auswirkungen des demografischen Drucks teilweise abschwächen. 

Sie sollten durch Maßnahmen ergänzt werden, die die Integration von Wanderarbeitnehmern in den Arbeitsmarkt erleichtern. Die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und weitere Investitionen in das Humankapital sind unerlässlich, um das ungenutzte Potenzial der jüngeren Bevölkerung zu erschließen. Natürlich sollte eine angemessene Steuer- und Geldpolitik betrieben werden, damit die Nachfrageseite der Wirtschaft im Einklang mit der Angebotsseite bleibt. 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Weltwirtschaft widerstandsfähig: Die Weltwirtschaft zeigt trotz zahlreicher Krisen bemerkenswerte Resilienz.
  • Inflationskontrolle möglich: Der Disinflationsprozess schreitet voran, mit stabilen Inflationsraten bis spätestens 2029.
  • Mittelfristiges Wachstum schwach: Langfristige Wachstumsaussichten bleiben mit knapp über 3% die schwächsten seit Jahrzehnten.
  • Strukturelle Reformen nötig: Angebotsseitige Reformen können die wirtschaftliche Erholung beschleunigen, ohne den Inflationsdruck zu erhöhen.
  • Arbeitsmarktintegration fördern: Maßnahmen zur Steigerung der Erwerbsbeteiligung und Integration von Arbeitskräften sind entscheidend für nachhaltiges Wachstum.