Das Lieferkettengesetz legt Sorgfaltspflichten hinsichtlich Nachhaltigkeit in Unternehmen fest. Ziel: Die Vereinheitlichung nationaler Regelungen auf EU-Ebene. Während der Fokus auf großen Unternehmen liegt, können KMU aber indirekt betroffen sein.
CSDDD: Hinter dieser etwas sperrigen Abkürzung verbirgt sich die sogenannte "Corporate Sustainability Due Diligence Directive" - auf Deutsch nicht weniger sperrig die "Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit". Dabei handelt es sich um eine Richtlinie, die in der Öffentlichkeit deshalb besser als EU-Lieferkettengesetz bekannt ist und die Absicht hat, Unternehmens-Nachhaltigkeit auf EU-Ebene zu vereinheitlichen.
Konkret macht sie das, indem sie die Pflichten der Unternehmen in den Bereichen Menschenrechte und Umwelt regelt. Das hat große Auswirkungen auf die Wirtschaft. Vorangegangen sind dem EU-Lieferkettengesetz jahrelange, mitunter auch kontrovers geführte Diskussionen auf EU-Ebene.
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Jetzt zum Newsletter anmeldenWir nehmen diese Diskussionen zum Anlass, eine Reihe von Fragen genauer zu beleuchten: Was bedeutet das Lieferkettengesetz konkret für Unternehmen? Welche Unternehmen sind betroffen? Hat es auch Auswirkungen auf Unternehmen, die eigentlich nicht betroffen sein sollten? Und wie kann ein potenzieller Zusatzaufwand abgefedert werden?
#1 Was bedeutet das Lieferkettengesetz konkret für Unternehmen?
Das EU-Gesetz über Lieferketten legt im Detail fest, welche Sorgfaltspflichten in Bezug auf tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte (zum Beispiel beim Thema Arbeitsbedingungen, Schutz vor Kinder-Arbeit und Menschenrechtsverletzungen) und Umwelt (etwa Verschmutzung oder den Verlust von Biodiversität) seitens der betroffenen Unternehmen bestehen. Aber nicht nur das: Auch Tochtergesellschaften eben jener Unternehmen sind betroffen und die gesamte Wertschöpfungskette muss dabei mitgedacht werden - ansonsten drohen Sanktionen!
Welche Bedenken es hinsichtlich EU-Lieferkettengesetz gibt, haben wir auch schon an anderer Stelle einmal genauer erläutert ("EU-Lieferkettengesetz: Gut gemeint, aber unzureichend durchdacht").
Was dabei auf die Betriebe zukommt? Ein ganzer Maßnahmenkatalog: Die angesprochenen Sorgfaltspflichten müssen nämlich in die eigenen Managementpraktiken mit einbezogen werden, um die oben angesprochenen Auswirkungen und negativen Effekte identifizieren, vermeiden oder abmildern zu können. Zudem sieht die Richtlinie vor, dass Beschwerdeverfahren eingerichtet werden und eine öffentliche Berichterstattung stattfindet. Weiters muss die Geschäfts-Strategie der Unternehmen im Einklang mit dem Ziel des Pariser Abkommens stehen, die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Ist dies nicht der Fall, muss die Strategie entsprechend angepasst werden.
#2 Welche Unternehmen sind vom EU-Lieferkettengesetz betroffen?
Zunächst: Mit Blick auf den Richtlinientext sind Klein- und Mittelunternehmen (KMU) zwar vom EU-Lieferkettengesetz ausgenommen und "nur" Unternehmen, die folgende Kriterien erfüllen, wären betroffen:
- Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro.
- Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro, sofern davon mindestens 20 Millionen Euro aus bestimmten Branchen kommen (zum Beispiel Herstellung von Textilien bzw. Nahrungsmittel und Getränke).
- Unternehmen aus Drittländern mit einem Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro in der EU.
- Unternehmen aus Drittländern mit einem Nettoumsatz zwischen 40 und 150 Millionen Euro, sofern davon mindestens 20 Millionen Euro aus bestimmten Branchen - siehe Punkt 2 - kommen.
In der Realität gestaltet sich eine Differenzierung aber schwieriger, da, wie eingangs erwähnt, die gesamten Wertschöpfungsketten mitgedacht werden müssen. Und daher KMU sehr wohl betroffen sein können.
#3 Welche Auswirkungen würden sich für Unternehmen in Österreich ergeben?
Kurz zusammengefasst: In der vorliegenden Form würde die Richtlinie die Wettbewerbsfähigkeit der EU in hohem Maße negativ beeinflussen, da die Bürokratie, die damit einherginge, in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen stünde. Durch das EU-Lieferkettengesetz könnte entlang der "Aktivitätenkette" Verantwortung übertragen werden. Demnach könnten Unternehmen jeder Größe in Österreich von den Regelungen indirekt betroffen sein. Der Kreis der betroffenen Unternehmen - so wie in Punkt 2 weiter oben dargestellt - wäre in der Praxis somit wesentlich weiter.
Ein Beispiel
Ein kleines österreichisches Familienunternehmen, das handgemachte Textilprodukte herstellt und an einen Großkonzern vertreibt, bezieht seine Rohstoffe, wie etwa Baumwolle, von internationalen Lieferant:innen aus Asien und Afrika. Das österreichische Familienunternehmen muss nicht nur verantworten, dass soziale und ökologische Standards im eigenen Betrieb eingehalten werden, sondern auch bei seinen internationalen Lieferant:innen in Asien und Afrika. Verstößt das Familienunternehmen etwa gegen die Verpflichtung, seine internationalen Lieferant:innen laufend zu überprüfen, drohen zivilrechtliche Haftungsansprüche.
Das Resultat? Betriebe jeder Größe in Österreich könnten indirekt von den Regelungen betroffen sein und müssten sich demzufolge mit Risikoanalysen und potenziellen Haftungsfragen beschäftigen. Das wäre gleichbedeutend mit einem höheren administrativen Aufwand.
Fakt ist aber auch: Bereits jetzt bescheinigt die OECD der Eurozone ein deutlich geringeres Wachstum als den USA und China.
Was also tun?
Fazit: Nachschärfungen sind nötig
Niemand wird die Wichtigkeit von Umweltschutz, Menschenrechten und Nachhaltigkeit in Abrede stellen. Ganz im Gegenteil: Die heimischen Betriebe sind schon jetzt für ihre hohen ethischen und sozialen Standards auf der internationalen Bühne bekannt - inklusive Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten. Im Hinblick auf die Richtlinie bleiben deshalb noch offene Punkte, um letztlich nicht genau das Gegenteil zu bewirken: Einen Abbruch der Lieferbeziehungen oder die Abwanderung der Industrie in Drittstaaten.