EU-Lieferkettengesetz: Gut gemeint, aber unzureichend durchdacht

Warum das geplante EU-Liefer­ketten­gesetz zwar löblich klingt, rechtspolitisch aber bedenklich ist.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Wirtschaftsexpert:innen

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2 Minuten

KolumnistIn: Rosemarie Schön

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Das auf EU-Ebene geplante Lieferkettengesetz soll Unternehmen verpflichten, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten zu ermitteln und zu verhindern. Das klingt löblich, doch bei genauer Betrachtung ergeben sich erhebliche rechtspolitische Bedenken, warnt WKÖ-Rechtsexpertin Rosemarie Schön.

Das EU-Lieferkettengesetz schreibt Sorgfaltspflichten für Unternehmen, ihre Tochtergesellschaften und Wertschöpfungsketten vor, die tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf Menschenrechte (wie Kinderarbeit und Ausbeutung) oder die Umwelt (Verschmutzung oder Verlust an biologischer Vielfalt) haben. Unternehmen müssen diese Sorgfaltspflichten in Managementsysteme integrieren, negative Folgen ermitteln, diese verhindern oder mindern, Beschwerdeverfahren einrichten und öffentlich berichten. Zudem müssen große Unternehmen sicherstellen, dass ihre Geschäftsstrategie das Pariser Übereinkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C berücksichtigt. 

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Welche Bedenken gibt es seitens der Wirtschaft?

Die Durchsetzung von Umwelt-, sozialen Standards und Menschenrechten ist eine staatliche Aufgabe. Die Übertragung auf Unternehmen ist problematisch und widerspricht dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Zudem soll das Pariser Klimaabkommen Unternehmen binden, obwohl Expert:innen dessen Ziele für praktisch nicht mehr erreichbar halten.

Mangelnde Rechtssicherheit

Dem Vorschlag mangelt es an Rechtssicherheit. Wichtige Punkte bleiben offen, wo die Unternehmen klare Vorgaben benötigen. Eine Umsetzung der Pflichten entlang der gesamten globalen Wertschöpfungskette ist zudem realistisch nicht möglich. Die Verantwortung sollte sinnvoll auf den Einflussbereich der Unternehmen begrenzt werden.

KMU indirekt massiv betroffen

Es stimmt, dass die Richtlinie an sich nur größere Unternehmen verpflichtet. KMU wären allerdings indirekt massiv betroffen, denn die erfassten Unternehmen müssen ihre Verpflichtungen entlang der Wertschöpfungskette weitergeben ("Trickle-down-Effekt"). Das birgt die Gefahr, dass die Verantwortung zivilrechtlich auf ihre Vertragspartner (oft KMU) übertragen wird. Die kleineren Unternehmer müssten Vertragsklauseln akzeptieren, da sie sonst ausgelistet würden. Der administrative Aufwand und die Kosten für Verwaltungsvorschriften belasten kleine Unternehmen unverhältnismäßig stärker.

Hintergrund: Corporate Sustainability Due Diligence

Die Europäische Kommission hat Anfang 2022 ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Due Diligence-Richtlinie veröffentlicht, um nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. Nach Einigungen im Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament beginnt nun mit dem Trilog die letzte Verhandlungsrunde zu diesem Rechtsakt.

TIPP: Alles über die Auswirkungen der EU-Lieferketten-Richtlinie erfährst du beim WKÖ Webinar am 17. Oktober 2023 um 15 Uhr. Hier kannst du dich schon jetzt anmelden!

Für Europas Wirtschaft würde das im Vergleich zu konkurrierenden Märkten Wettbewerbs­nachteile bedeuten. Umso wichtiger wäre eine einheitliche Anwendbarkeit. Unterdessen arbeitet die EU an mehreren Rechtsakten zur nachhaltigen Unternehmens­führung parallel - diese müssen koordiniert werden, um Überschneidungen zu vermeiden.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Ziele des EU-Lieferkettengesetzes sind unterstützenswert, doch die aktuelle Ausgestaltung lässt zu viele Fragen offen.
  • Es bedarf sorgfältiger Abwägungen, um die Ziele des nachhaltigen Wirtschaftens mit Europas Wettbewerbsfähigkeit in Einklang zu bringen.
  • Ein überstürzter und unzureichend durchdachter Ansatz wird dem Vorhaben nicht gerecht.