Teilzeit ist in Österreich meist freiwillig – doch langfristig gefährdet sie Beschäftigung und Wohlstand. OECD und WIFO zeigen: Politik muss gegensteuern. Ein Kommentar von Rolf Gleißner.
Die aktuelle Diskussion geht vielfach an den Menschen und der Realität vorbei. Teilzeit boomt in ganz Europa und ist meist gewollt. Das ist niemandem vorzuwerfen, aber insgesamt ein Problem.
Im aktuellen Beschäftigungsausblick 2025 nahm die OECD die Teilzeitbeschäftigung genau unter die Lupe und kam zu einem klaren Ergebnis: Teilzeit ist in den meisten Staaten überwiegend freiwillig. So auch in Österreich, wo nur 2% der Erwerbstätigen unfreiwillig in Teilzeit arbeiten. Betrachtet man nur Teilzeitbeschäftigte, sind nur 6,7%, also jede/r Fünfzehnte unfreiwillig in Teilzeit. Tendenz fallend, vor 10 Jahren war der Anteil fast doppelt so hoch.
In Südeuropa ist Teilzeit versteckte Arbeitslosigkeit
Ein Blick auf Europa zeigt: Mitentscheidend ist das Angebot am Arbeitsmarkt. Der Anteil der unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten ist niedrig bzw. die Zufriedenheit ist hoch in Ländern mit niedriger Arbeitslosigkeit und großem Teilzeitanteil: Spitzenreiter sind die Niederlande, wo jede/r Zweite Teilzeit arbeitet, gut liegen auch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Dänemark mit einem Anteil von einem Drittel.
Individuell ist der Teilzeitboom in einer wohlhabenden Gesellschaft verständlich, volkswirtschaftlich ist er ein Problem.
Im EU-Schnitt ist der Anteil der Unfreiwilligen 18,2%. Hingegen arbeitet in Italien, Spanien und Griechenland jede/r zweite Teilzeitbeschäftigte unfreiwillig in Teilzeit. Das liegt daran, dass die Menschen dort Vollzeitstellen suchen, aber der Arbeitsmarkt oft nur Teilzeit bietet – Teilzeit ist hier häufig versteckte Arbeitslosigkeit.
Anders in Österreich: Hier ist der Andrang in die Teilzeit weit größer als in die Vollzeit. So kamen im Juli 2025 auf jede beim AMS gemeldete Teilzeitstelle 5,7 Arbeitslose mit Teilzeitwunsch, bei Vollzeit war das Verhältnis nur 1 : 2,4. Dazu kommt, dass Unternehmen immer mehr Stellen in Voll- oder Teilzeit ausschreiben, um mehr Bewerber zu erreichen.
Teilzeit ist ein internationaler Trend, vor allem unter Frauen, aber immer stärker auch unter Männern. Vor dem Hintergrund der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung sieht die OECD diese Entwicklung mit Besorgnis, die Diskussion ist also nicht auf Österreich beschränkt.
Realitätsferne Diskussion
Dabei geht die Diskussion über Motive und Folgen des Teilzeitbooms an der Realität vorbei und vermischt die individuelle und die volkswirtschaftliche Ebene. "Jeder soll nach seiner Facon selig werden", sagte schon Friedrich der Große. Demnach soll jeder frei entscheiden, wie lange er arbeitet – solange er nicht auf Kosten der Allgemeinheit lebt: Dass Eltern Zeit mit ihren Kindern verbringen, ist niemals vorwerfbar. Problematischer ist da schon die Altersteilzeit. Warum soll der Beitragszahler in Zeiten des Arbeitskräftemangels eine Arbeitszeitreduktion finanzieren? Und vom Arbeitslosen erwartet der Beitragszahler natürlich, dass der, dem er das Arbeitslosengeld finanziert, zumutbare Arbeit annimmt.
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Individuell ist der Teilzeitboom in einer wohlhabenden Gesellschaft verständlich, volkswirtschaftlich ist er ein Problem: Kurzfristig entlastet er den Arbeitsmarkt in der Wirtschaftsflaute, langfristig erodiert das Fundament für unseren Wohlstand, nämlich hohe Beschäftigung, gleich dreifach: Durch die schrumpfende Zahl der Erwerbsfähigen, die rückläufige Arbeitszeit und die stagnierende Produktivität. Zugespitzt: Würden heute alle ihre Arbeitszeit halbieren, müssten sich auch die Pensionen halbieren, die im Umlagesystem ja aus den Aktiveinkommen finanziert werden.
VIDEO: Österreichs Teilzeit-Debatte: Krise oder Freiheit?
Daraus folgt, dass die Politik mit Arbeitsanreizen gegensteuern muss: Wer heute von Teilzeit auf Vollzeit aufstockt, zahlt mehr Steuern, zahlt mehr für Kinderbetreuung und verliert oft Sozialtransfers. Denn viele Vorteile wie etwa die Befreiung vom Arbeitslosenversicherungsbeitrag, stärkere Lohn- und Pensionserhöhungen, Negativsteuer etc. gelten nur für Geringverdiener, um Armut zu vermeiden. Tatsächlich kommen sie, wie auch das WIFO in einer Studie feststellte, vor allem (freiwillig) Teilzeitbeschäftigten und nicht Armutsgefährdeten zugute.
Die Antwort auf die Frage "Teilzeit oder nicht" ist daher: Jede/r soll so lange arbeiten, wie er will. Wollen wir unseren Wohlstand behalten, muss die Politik aber mehr Vollzeit fördern.
Das Wichtigste in Kürze:
- In Österreich arbeiten nur 6,7% der Erwerbstätigen unfreiwillig in Teilzeit.
- In Südeuropa ist Teilzeit häufig unfreiwillig und gilt dort oft als versteckte Arbeitslosigkeit.
- In Österreich sind Teilzeitstellen stark nachgefragt, während Vollzeitstellen für viele weniger attraktiv wirken.
- Auch wenn Teilzeitarbeit individuell verständlich ist, stellt sie langfristig ein volkswirtschaftliches Problem dar.
- Um den Wohlstand zu sichern, sollte die Politik Vollzeitbeschäftigung gezielt attraktiver machen.