"Der Mensch möchte besser arbeiten, nicht weniger"

Warum gibt Arbeit den Menschen Sinn? Das erklärt uns Arbeits­forscher Sebastian Wörwag.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Entrepreneur:innen
  • Problemlöser:innen

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Eva Baumgardinger

Illustration Kopf mit bunten Flächen i
jannissimo | stock.adobe.com

"Wenn die Frage nach dem Purpose beantwortet ist, kennen die Leute keinen Feierabend mehr", sagt Arbeitsforscher Sebastian Wörwag. Was es braucht, damit Arbeit als sinnvoll empfunden wird, erklärt er hier im Interview.

Herr Prof. Wörwag, Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung unter anderem mit Arbeitskultur und der Flexibilisierung von Arbeitsmodellen. Aus Sicht der Forschung: Warum gibt Arbeit den Menschen Sinn?

Sebastian Wörwag: "Menschen haben den Drang, ihre Lebensumstände zu gestalten, positiv zu entdecken und einen Beitrag zu leisten, der weit über die eigene Existenzsicherung hinausgeht. Allein durch die viele Lebenszeit, die wir mit Arbeit verbringen, aber auch durch die Möglichkeiten, wie wir wirksam werden und einen Beitrag leisten und gestalten können, ist die Arbeit ein ganz wichtiges Instrument, um dem Dasein eine Richtung und einen Sinn zu geben und etwas zu vollbringen. Um es vielleicht mit Hannah Ahrendt zu sagen, wir sind weniger ein Animal Laborans als viel eher ein Homo Faber – wir wollen aktiv gestalten."

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Trifft das auf alle Bereiche zu?

"Das ist in einem ganz allgemeinen Sinn gemeint. In manchen Bereichen, zum Beispiel in sozialen Berufen, ist die Sinnfrage vielleicht schneller beantwortet als in anderen. Es gibt auch Unterschiede, die mit gewissen Branchentraditionen und -kulturen zusammenhängen, etwa bei der Schichtarbeit in der Industrie. Hier gibt es sicher geringere Möglichkeit für Selbstverwirklichung als in wissensorientierten Funktionen." 


Wie können Arbeitsbedingungen beeinflussen, ob Menschen Ihre Arbeit als sinnvoll empfinden? 

"Dazu gibt es drei Ideen: Warum mache ich was? Mit wem mache ich es? Und für wen mache ich es? Beim 'Warum' geht es um die Arbeitsinhalte. Wenn ich in einem engen Korsett nur nach Guidelines arbeite und Arbeitsräume nicht selber gestalten kann, ist es schwerer, Sinn zu empfinden. Das 'Mit wem' betrifft die Arbeitsbeziehungen, sie sind besonders sinnstiftend für Mitarbeiter:innen: Haben wir gleiche Ideen, gleiche Vorstellungen von unserer Arbeit? Und schließlich geht es auch um die Frage, für wen mache ich meine Arbeit. Das können auch interne Kunden sein. Wenn beispielsweise ein Hausmeister von Mitarbeiter:innen die Rückmeldung bekommt, dass sie froh sind, eine gute Infrastruktur zu haben, kann das für ihn viel Sinn stiften."

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Sehen Sie Unterschiede bei den Generationen, was die Sinnfrage betrifft?

"Ja, auf alle Fälle. Man sieht bei älteren Berufspersonen, dass die Sinnfrage immer wichtiger wird. Sie nimmt ab Mitte 40 zu. Die Frage, was habe mit meiner Arbeit bewirkt, ersetzt in gewisser Hinsicht das klassische Karrieredenken. In der späten Karriere sind Führungsfunktionen nicht mehr zwingend, die Leute wollen dann eher Wissen weitergeben und gehen Richtung Mentoring, Beratung, Supervision. Bei der jungen Generation zeigt sich ganz deutlich ein Shift von Commitment zu Involvement. Wir haben weniger typische Arbeitgeberloyalität, die Jungen wechseln schneller die Stelle, als es früher der Fall war. Gleichzeitig nimmt das Bedürfnis nach Involvement zu.  Das ist ein Paradoxon der Gen Z: Sie will mitreden, sich aber nicht binden." 

Sebastian Wörwag i
Berner Fachhochschule

Wenn die Frage nach dem Purpose beantwortet ist, kennen die Leute keinen Feierabend mehr.

Sebastian Wörwag, Arbeitsforscher

Was kann man tun, damit Arbeit nicht nur als Notwendigkeit gesehen wird, sondern als Quelle von Erfüllung und persönlichem Wachstum?

"Da braucht es zuerst mal einen gesellschaftlichen Diskurs. Ich glaube nicht, dass der Mensch weniger arbeiten will, ich glaube, er möchte besser arbeiten. Es braucht eigentlich keine großen Studien, um zu sehen: Wenn die Frage nach dem Purpose beantwortet ist, kennen die Leute keinen Feierabend mehr. Wir sollten zur Werksorientierung kommen, wie wir sie vom Handwerk oder aus dem Kreativbereich kennen: Die Arbeit ist getan, wenn das Werk fertig ist. Egal, ob das acht Stunden dauert oder nicht. Ich glaube, eine solche Werkorientierung brauchen wir auch wieder in den Betrieben."

Das Wichtigste in Kürze:

  • Arbeit gibt den Menschen Sinn und Erfüllung, sagt Arbeitsforscher Sebastian Wörwag, Rektor der Berner Fachhochschule.
  • Er glaubt, dass der Mensch nicht weniger, sondern besser arbeiten möchte.
  • Die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit ist umso höher, je eher die Chance geboten wird, aktiv zu gestalten und einen positiven Beitrag zu leisten, der über die Existenzsicherung hinausgeht.
  • Generationenunterschiede spielen eine Rolle, da ältere Berufstätige die Bedeutung ihrer Arbeit stärker betonen, während jüngere Generationen nach Beteiligung suchen.
  • Um Arbeit als erfüllend zu empfinden, sollte die Gesellschaft eine Diskussion über den Zweck der Arbeit führen und eine Werkorientierung fördern, die auf Ergebnissen basiert, anstatt nur Anwesenheit zu belohnen.