Instagram & Co. sind Alltag. Die Frage: Nur nutzen – oder Wertschöpfung im Land schaffen? Darum braucht es jetzt Taten von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Michael bestellt über Uber ein Taxi, um nach einem langen Arbeitstag bequem in die Stadt zu seiner Frau Astrid zu fahren. Astrid checkt über Google Maps, wie man am besten zur netten Bar kommt, die sie zuvor auf Instagram entdeckt hat. Die Großeltern schicken Michael und Astrid über WhatsApp ein Foto vom Abendessen mit Tochter Nina. Nach einem aufregenden Abend checken Michael und Astrid in einem über Booking.com gebuchten Hotel ein.
Digitale Anwendungen längst Teil des Alltags
Was diese Szenen zeigen? Digitale Anwendungen sind längst Teil unseres Alltags. Sie verbinden uns, erleichtern unser Leben und eröffnen Chancen für mehr Gestaltungsspielraum.
Auch österreichische Unternehmen profitieren direkt davon: Die Bar gewinnt dank ihrer Werbung via Instagram neue Kund:innen, die über Google Maps einfach hinfinden. Das Hotel steigert seine Auslastung durch Online-Buchungen. Echtzeitkommunikation via Instagram oder WhatsApp erleichtert den Kontakt mit Familie, Freund:innen und Kund:innen.
Aber was wäre, wenn Österreichs Betriebe und Bürger:innen nicht nur Nutzer digitaler Technologien wären, sondern ihre Zukunft darüber hinaus aktiv mitgestalten? Mit Mut, Unternehmergeist und Innovationskraft.
Spannende Updates für dich
Mit der MARI€ MAIL erhältst du unsere wichtigsten Infos direkt in deine Mailbox.
Vom Anwenden zum Gestalten: Daten schaffen Wert
Denn Digitalisierung kann noch mehr: Durch die Nutzung digitaler Anwendungen wie Instagram, Google Maps oder Booking.com entstehen wertvolle Daten. Plattformen wie diese ermöglichen es Unternehmen, etwa einer Bar oder einem Hotel, durch die Analyse von Nutzerdaten personalisiert und zielgerichtet zu werben, was die Werbewirksamkeit deutlich erhöht. Gleichzeitig bilden aggregierte und anonymisierte Daten die Grundlage für Marktforschung, Standortanalysen sowie die Entwicklung von Produkt- und Geschäftsmodellinnovationen. Schätzungen zufolge entsteht bis zu 70 % der in den kommenden 10 Jahren generierten Wertschöpfung auf digitalen Plattformen. Datenbasierte Wertschöpfung ist somit ein entscheidender Hebel für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand.
Produktivität aufholen: EU vs. USA im Blick
Dass die genannten Anwendungen, von Uber und Instagram über Google Maps bis Booking.com, allesamt US-Unternehmen gehören, liegt auch daran, dass die EU-Mitgliedsstaaten die erste digitale Revolution, ausgelöst durch das Internet und im Gegensatz zu den USA, nicht voll nutzen konnten. So fließt ein beträchtlicher Anteil der durch die Nutzung von Daten entstehenden zusätzlichen Wertschöpfung ins Ausland.
Das Resultat: Wie der Draghi-Bericht 2024 zeigt, ist die Produktivität der EU seit 1995 von 95 % auf 80 % des US-Niveaus gesunken und seit 2000 das real verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in den USA fast doppelt so stark gestiegen wie in der EU.
Cloud, KI & Big Data: Aus der Nutzung in den Nutzen
Doch es gibt bereits zahlreiche österreichische Beispiele, etwa der Jö Bonus Club oder der Einsatz von Smart Metern, die zeigen, wie Digitalisierung nicht nur die bestehende Geschäftsbeziehung zwischen Kund:innen und Unternehmen verbessert, sondern darüber hinaus durch die aktive Nutzung der dabei generierten Daten zusätzliche Wertschöpfung, Produktivität und Innovation im eigenen Land ermöglicht.
Mit der Digitalen Dekade 2030, einem Policy-Programm für Digitalisierung, haben sich die EU-Mitgliedstaaten klare Ziele gegeben, um ihre digitale Wettbewerbsfähigkeit bis 2030 zu steigern und bei Produktivität sowie Wirtschaftswachstum zu den USA aufzuschließen.
Bis 2030 sollen zum Beispiel:
- 90 % der KMU in Österreich über eine digitale Basisintensität verfügen (aktuell: 65 %)
- 75 % der Unternehmen Cloud, KI oder Big Data nutzen (aktuell: 35 % bei Cloud-, 24 % bei Data-Analytics- und 20 % bei KI-Nutzung)
Was die Politik jetzt liefern muss
Um diese Zielwerte zu erreichen, braucht es unter anderem:
- Diffusion von Digitalisierung im KMU-Bereich: Eine ausreichende Dotierung von KMU.DIGITAL (auch über 2026 hinaus) sowie zusätzliche, zielgerichtete Unterstützungsmaßnahmen.
- Wertschöpfende Nutzung von Daten, Cloud und KI in Europa: Das in den nationalen Fahrplänen zur Digitalen Dekade (2023 und Aktualisierung 2024) angekündigte Förderprogramm für Daten & KI sollte wie geplant 2025 umgesetzt werden. Die 2024 übermittelte Aktualisierung spricht jedoch nur noch von einer Prüfung einer Schwerpunktsetzung bei bestehenden Programmen.
- Priorisierung und Budgetierung von Digitalisierung und KI: Themen rund um KI und Digitalisierung in der Wirtschaft sollten auf Regierungsebene klarer strukturiert und finanziell besser ausgestattet werden, damit mehr datengetriebene Geschäftsmodelle bzw. Unternehmen in Österreich entstehen.
Weitere Empfehlungen, wie Österreich künftig die Chancen der Digitalisierung besser nutzen kann, hat die WKÖ im Rahmen der Studie "Die Roadmaps der Digital Decade:
Was Österreich von internationalen Best Practices lernen" kann entwickelt.
Eine vollständige Realisierung des Aufholpotenzials in der digitalen Wettbewerbsfähigkeit kann einer EcoAustria-Studie zufolge bis zu 17,4 Mrd. EUR zusätzliches BIP pro Jahr bringen. Das entspricht rund 1.860 EUR zusätzlich pro Einwohner:in. Die Digitale Dekade zeigt den Weg vor. Jetzt müssen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam handeln, die Diffusion von Digitalisierung vorantreiben, Daten und KI konsequent in Österreich und der EU nutzen und so Wertschöpfung im Land sichern.
Was Betriebe und Gesellschaft tun können
Damit Österreich und die EU die Chancen der Digitalisierung nutzen und Wertschöpfung im eigenen Land sichern, sollten heimische Betriebe aktiv ihre Daten (z. B. aus CRM, Website, Social Media) nutzen und Datenökosysteme (vgl. GAIA-X) schaffen.
Als Unternehmen und Bürger:in bewusst digitale Plattformen und Anwendungen aus der EU wie z.B. OVHcloud oder IONOS (statt Google, Azure oder aws), Signal (statt WhatsApp) oder Mistral (statt ChatGPT, Gemini oder Claude) nutzen.
Nutzen Sie Datenschutz- und Einwilligungseinstellungen (z. B. bei Cookies) bewusst, um Daten gezielt für Services freizugeben, die Mehrwert in Österreich oder der EU schaffen, wie etwa bei Smart Meters.
Das Wichtigste in Kürze:
- Digitalisierung soll Wertschöpfung im Land schaffen – nicht nur Nutzung.
- EU-Ziel 2030: 90 % KMU digital, 75 % nutzen Cloud/KI/Big Data.
- Förderbedarf: KMU.DIGITAL absichern, Daten-&-KI-Programm 2025 starten.
- Priorisierung: klare Zuständigkeiten & Budget für KI/Digitalisierung.
- Aufholpotenzial: bis zu 17,4 Mrd. € BIP jährlich laut Studie.