So kommt Österreichs digitale Grundbildung aufs nächste Level

Heimische EdTechs machen Lehrer:innen fit für das neue Pflichtfach Digitale Grundbildung.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Digital Pioneers
  • Ausbildende

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Hermann Sileitsch-Parzer

Kinder lernen Coden i
Gorodenkoff | stock.adobe.com

Seit dem Schuljahr 2022/23 wird an Österreichs Schulen in den 5. bis 8. Schulstufen "Digitale Grundbildung" als Pflichtfach unterrichtet. Eine zukunftsweisende Weichenstellung, um digitale Kompetenzen in Österreich aufs nächste Level zu heben. Doch es gibt noch Nachholbedarf.

Im Juli 2023 sorgte eine Umfrage der Johannes-Kepler-Universität unter fast 700 Lehrkräften für Schlagzeilen: Demnach begrüßten zwar 9 von 10 Pädagog:innen, dass Digitale Grundbildung nun als eigenes Fach vermittelt wird. Zugleich sah sich die Mehrheit aber schlecht vorbereitet, Wissen über Algorithmen und Programmiercodes zu vermitteln. 56 % der Lehrkräfte gaben ihrem eigenen Kenntnisstand nur Noten zwischen "Befriedigend" oder "Nicht genügend".

Bereitschaft zur Weiterbildung "sehr ermutigend"

"Dieses Ergebnis muss man in den richtigen Kontext stellen", sagt dazu Melina Schneider, Leiterin der Abteilung Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ): "Zum einen läuft die fachliche Ausbildung jetzt erst richtig an. Und zum anderen zeigt diese selbstkritische Einschätzung, dass die Bereitschaft des Lehrpersonals, sich weiterzubilden, absolut vorhanden ist. Das ist sehr ermutigend." Die WKÖ fordert seit langer Zeit, dass der Wissenstand der Lehrer:innen fachlich wie didaktisch stets auf der Höhe der Zeit bleiben soll. Laufende Weiterbildung müsse zur Selbstverständlichkeit werden, es müssten genügend Fortbildungsangebote zur Verfügung stehen.



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Wie sieht das in der Praxis aus? Die Lehrkräftefortbildung über den Weiterbildungslehrgang "Digitale Grundbildung" wurde in Österreich bis dato von 888 Absolvent:innen absolviert. Jetzt sind weitere 500 Lehrkräfte inskribiert, die sich so fachlich weiterbilden. Zudem ist an der Uni Wien der Bachelorstudiengang "Digitale Grundbildung und Informatik" mit dem Studienjahr 2023/24 gestartet - Zahlen zu den Inskribierten liegen hier noch nicht vor.

Mehr fachliche Kompetenz in den Unterricht bringen

Schneider sieht indes noch weitere Möglichkeiten, um mehr fachliche Kompetenz in den Unterricht zu bringen. Einerseits durch Quereinsteiger:innen mit IT-Know-how, aber auch über die Einbindung von EdTech-Unternehmen.

Was genau bedeutet EdTech? "EdTech steht kurz für Educational Technology oder Bildungstechnologien und umfasst eine breite Palette von Werkzeugen und Anwendungen. Ganz simpel formuliert geht es um die Frage, wie wir das Lernen und Unterrichten mit digitaler Hilfe besser machen können", erklärt Julia Pichler, seit 2022 Projektleiterin des Hubs EdTech Austria in Salzburg.

EdTech sind ein beträchtlicher Wirtschaftsfaktor

Der Sektor ist in Österreich zum beträchtlichen Wirtschaftsfaktor herangewachsen. "Wir zählen in Österreich 180 EdTech-Unternehmen, die rund 3.300 Personen beschäftigen und 280 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften. Eine blühende Szene, die sich durch innovativen Einsatz von Technologie, Lernmethoden und kollaborative Partnerschaften auszeichnet", so Pichler. Sie sieht im Unterrichtseinsatz digitaler Mittel die große Chance, den Lehrberuf attraktiver zu gestalten und Schüler:innen besser auf die Welt des 21. Jahrhunderts vorzubereiten.

Dass Themen wie Coding oder Robotik keine Hexerei sind und schon die Jüngsten begeistern, beweist seit fünf Jahren der WKÖ CodingDay. EdTech-Unternehmen zeigen hier Schüler:innen im Pflichtschulalter, wie sie von passiven Konsument:innen digitaler Inhalte zu kreativen und selbstbewussten Gestalter:innen werden können.

Heuer erlernten die Schüler:innen im Alter von 9 bis 14 Jahren in sechs Workshops , wie sie Roboter steuern, einfache Computerspiele entwickeln oder eigenständige Smartphone-Inhalte erstellen können. In Summe wurde so seit 2019 bei mehr als 500 Schüler:innen die Lust am Programmieren geweckt. Zusätzlich haben mehr als 1.000 Lehrlinge von 200 Unternehmen am österreichweiten Lehrlingshackathon teilgenommen, den apprentigo im Auftrag der Wirtschaftskammern durchführt.

Steile Lernkurve beim Lehrlingshackathon

Anna Gawin, Gründerin und CEO des EdTech-Unternehmens apprentigo, war beim WKÖ CodingDay vom ersten Tag an mit dabei: "Vor 5 Jahren, als wir das Hackathon-Konzept für alle Lehrberufe entwickelt haben, waren wir noch unsicher, ob es überhaupt funktionieren würde. Die Lehrlinge haben uns aber mit ihren Talenten und der steilen Lernkurve total beeindruckt."


Melina Schneider, Leiterin der Abteilung Bildungspolitik in der WKÖ i
WKÖ/Nadine Studeny

Es geht um ein Aha-Erlebnis für junge Menschen: Ich kann, auch wenn ich davor noch nie programmiert habe, selbst etwas Kreatives und Eigenständiges erschaffen.

Melina Schneider, Leiterin der Abteilung für Bildungspolitik in der WKÖ

Sogar völlige Programmier-Anfänger schaffen es binnen 2 Tagen, pfiffige Handy-Apps zu erstellen. Mit der einfachen Programmiersprache Thunkable und durch Anleitung erfahrener Tutor:innen von apprentigo können die Lehrlinge ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Ungefähr jede 5. beim Lehrlingshackathon entwickelte App-Idee ist so gut, dass sie von den Ausbildungsbetrieben aufgegriffen und weiterverfolgt wird.

Wichtige Botschaften in Richtung Lehrkräfte

"Das sind 2 wichtige Botschaften in Richtung der Lehrkräfte", betont Melina Schneider: "Die eine lautet: Coding kann ganz niederschwellig erlernt und vermittelt werden. Und die zweite ist: Es geht nicht darum, komplexe Programmiercodes auswendig zu kennen. 'Computational thinking' umfasst so viel mehr, es geht um ein Verständnis, wie Algorithmen funktionieren. Um kreative Ideen. Um cleveres Produktdesign. Um effiziente Projektorganisation. Und, das Wichtigste: Es geht um ein Aha-Erlebnis für junge Menschen: Ich kann, auch wenn ich davor noch nie programmiert habe, selbst etwas Kreatives und Eigenständiges erschaffen."

Das Wichtigste in Kürze:

  • Seit dem Schuljahr 2022/23 wird an Österreichs Schulen in den 5. bis 8. Schulstufen "Digitale Grundbildung" als Pflichtfach unterrichtet.
  • Die Mehrheit der heimischen Pädagog:innen sieht sich schlecht vorbereitet, Wissen über Algorithmen und Programmiercodes zu vermitteln.
  • Heimische EdTechs oder die Aus- und Weiterbildungsplattform wîse up können hier wertvolle Unterstützung liefern.
  • Mit dem jährlich stattfindenden Coding Day und dem bundesweiten Lehrlingshackathon begeistert die WKÖ Kinder und Jugendliche für die Themen Coding und Robotik.