Das brauchen die Betriebe für mehr Klimaschutz

Welche Voraussetzungen die Politik für Klima- und Umweltschutz schaffen muss.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Umweltbewusste

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Peter Draxler

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Österreichs Unternehmen nehmen Klimaschutz seit jeher ernst. Sie brauchen aber die richtigen Rahmenbedingungen, erklärt Umweltexperte Stephan Schwarzer im MARI€-Interview.

„Heute ist Weltklimastreiktag. Dieser soll darauf aufmerksam machen, dass es höchste Zeit für wirksame Klimaschutzmaßnahmen ist. Nehmen Österreichs Unternehmen den Klimaschutz ernst genug?“

Stephan Schwarzer:
Die österreichische Wirtschaft nahm Umweltschutz immer ernst, deshalb wurden auch alle bisherigen Herausforderungen gemeistert. Für den Klimaschutz  gilt das Gleiche, da fehlen für die Investitionen aber noch die Rahmenbedingungen, die die Politik liefern muss. Viele Investoren warten darauf, dass sie loslegen können. 

 

„Gibt es auch jetzt schon nachhaltige Technologien oder Produkte aus Österreich, die international gefragt sind? Können Sie Erfolgsbeispiele nennen?“

Am Erzberg bringen Elektro-LKW mit Strom-Oberleitungen das Material von A nach B. E-Fuels sollen den Automobilcluster in Graz ergänzen. Betriebe aus der Lebensmittelbranche gewinnen aus Produktionsabfällen Biogas, dieses ersetzt konventionelle Treibstoffe der Liefer-LKW. Sehr viele KMU, da ist etwas die Schokoladenmanufaktur Zotter ein gutes Beispiel, haben alle Produkte und Prozesse auf 100 % Nachhaltigkeit ausgerichtet. In Friesach wurde gerade der größte Solarwärmepark Österreichs eröffnet, der Wiener Flughafen errichte die größte Photovoltaik-Freiflächenanlage Österreichs, und und und…


„Was sind die wesentlichen politischen Rahmenbedingungen, die wir brauchen, damit Unternehmen noch mehr in Klimaschutz investieren?“

Eine Studie des BMK, die Mitte September vorgestellt wurde, belegt, dass die besonders energieintensive Industrie 11 Milliarden Euro investieren muss, damit die Prozesse mit Wasserstoff anstelle fossiler Energieträger betrieben werden, damit CO2 nicht mehr in die Atmosphäre geleitet wird, damit Schrotte noch mehr Primärrohstoffe ersetzen als bisher. Derzeit verbietet ein Gesetz die CO2-Speicherung, die Wasserstoffpläne des BMK sind völlig ambitionslos und die Industrie wird nicht vor der Abwanderungsgefahr in Länder, die keine CO2-Vorgaben kennen, geschützt.

Hier werden Klimaschutz und Nachhaltigkeit groß geschrieben

Zwei von zahllosen Beispielen aus der heimischen Wirtschaft.

„Ein Bereich, der sich wandeln muss, ist der Verkehrsbereich. Welche Weichenstellungen braucht es dafür?“

Viele, zum Beispiel in der Digitalisierung, damit Züge in kürzeren Abständen als bisher fahren können. Das reicht aber nicht. Wir brauchen Bahn-Anschlussgleise für die Industrie, Terminals für Industrieviertel und eine Modernisierung des Umladens von LKW auf den Güterwagon. In den letzten zehn Jahren ging der Trend bei Bahnanschlüssen und Terminals in die falsche Richtung, sie würden ausgedünnt. Dazu kommt aber noch der Ausbau der Bahn – vierspurig, damit zwei Spuren für den Gütertransport zur Verfügung stehen. Der Ausbau steckt in UVP-Verfahren fest, immer wieder schaffen es Projektgegner, ein Projekt zu vereiteln. Das UVP-Gesetz macht das Verhindern und Verzögern leicht, der Projektwerber hat oft keine Chance auf Genehmigung noch so guter Projekte. Wenn das nicht korrigiert wird, können wir die Energiewende abschreiben, denn bei der Energieinfrastruktur passiert das Gleiche, endlose Verfahren, hohe Kosten, die Ablehnung kann noch ganz am Schluss kommen.

 

„Viele verbinden mit Klimaschutz auch die Hoffnung auf sogenannte ‚Green Jobs‘. Aus Ihrer Sicht zu Recht?“

Green Jobs gibt es nur, wenn die Investitionen auch wirklich kommen, allein der Bahnausbau – Trassenerweiterung, Elektrifizierung von Nebenbahnen, Terminals - brächte bis zu 50.000 Arbeitsplätze. In Summe sind wir über alle Segmente hinweg bei unseren Berechnungen auf 200.000 Arbeitsplätze gekommen. Diese Zahlen sind insofern theoretisch, als dafür die Rahmenbedingungen fehlen, insbesondere müssten ja auch die Fachkräfte zur Verfügung stehen. Im schlimmsten Fall verlieren wir Jobs in der energieintensiven Industrie, wenn den Betrieben nichts anderes übrigbleibt als die Verlegung ihrer Investitionen in andere Länder. 

 

„Haben wir in Österreich überhaupt die für einen allfälligen Boom bei den Green Jobs nötigen Fachkräfte?“

Nein, die haben wir nicht,  hier bedarf es struktureller Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt, zum Beispiel Angebote für junge Menschen, eine Lehre zu machen und Umschulungen von Menschen, die auf Beschäftigung warten. Das ist fast wichtiger, als das derzeit boomende Investitionsklima durch Incentives weiter anzuheizen. Die Lieferfristen sind enorm, viele Unternehmen können Aufträge wegen Personalmangel und Lieferengpässen nicht annehmen. 

Mann vor Solarzellen mit Wirtschaft für Morgen Schriftzug i
WKO


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Das Klima schützen und erfolgreich wirtschaften? Viele österreichische Unternehmen zeigen schon heute, dass beides möglich ist. Und leisten dadurch einen wirksamen Beitrag zum Klimaschutz.

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„Der Klimawandel macht nicht an den Grenzen halt, wie auch der weltweite Klimastreik zeigt. Was muss hier auf internationaler Ebene geschehen?“

Ich plädiere für eine CO2-Bepreisung in den wichtigsten Sektoren, wie etwa Stahl, Aluminium, Dünger, Zement und Strom, die über die EU hinausgeht. Erster Schritt: transatlantischer CO2-Preis für Nordamerika und die EU. Zweiter Schritt: G7 analog zur Konzernmindestbesteuerung. Am Ende muss es einen global gültigen CO2-Preis im Pariser Klimaabkommen in Verzahnung mit der WTO geben. Länder, die nicht mitmachen, müssten dann einen Klimazoll zahlen.


„Wieweit kann oder soll die EU hier aktiv werden?“

Die EU glaubt, einen Klimazoll im Alleingang durchsetzen zu können. Viel gescheiter wäre es, mit Partnern ein WTO-taugliches Modell zu entwickeln, das hätte viel mehr Wirkung für den Klimaschutz und viel geringere böse Nebenwirkungen – die deutsche Bundesregierung hat hier mit der Idee des Klimaklubs – viele Länder einschließlich China verbünden sich – ins Schwarze getroffen. Leider ist die EU insgesamt zu sehr auf sich selbst bezogen – gut und schön die eigenen Emissionen zu senken (nur mehr 8 Prozent der Weltemissionen), aber damit ist der Kampf gegen den anthropogenen Klimawandel nicht zu gewinnen. Investieren wir doch in Afrika, Lateinamerika und Asien, der Nutzen ist ein dreifacher, für den Schutz des Weltklimas, für unsere Partner in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die schneller zu einer Energieversorgung kommen, die auf eigenen Beinen steht, und für uns als Techniklieferanten.

 

„Abschließende Frage: Wie gut sehen Sie Österreich alles in allem in Sachen Klimaschutz aufgestellt?“

Ich bin ungeduldig und unzufrieden, weil das Verdrängen unbequemer Fragen scheinbar bis zur Perfektion getrieben wird, verlorene Zeit ist nicht aufzuholen. Der Debatte um die notwendige Verfahrensbeschleunigung versucht das  BMK auszuweichen, weil es sich nicht mit NGOs anlegen möchte, von der Wirtschaft erwartet man den Umstieg zur Wasserstoffökonomie, dieser wird aber so schwer gemacht, dass viele Möglichkeiten von Haus aus ausscheiden. Einsprüche gibt es nicht nur bei Hochwasserschutzprojekten, sondern bei fast allen Energieprojekten. Ohne Verfahrensbeschleunigung greift das vielgepriesene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz daher nicht. Dafür braucht es riesige Investitionen, die erst einmal behördlich genehmigt werden müssen. Beim Wasserstoff setzt man jetzt schon auf Importe – aber, bitte, was unternimmt Österreich dafür? Andere Länder schließen ein Kooperationsabkommen nach dem anderen ab. Von der EU müsste der gesamteuropäische Ansatz kommen, die Energieunion wird auch eine Wasserstoffunion sein müssen.