Wir brauchen mehr erneuerbaren Strom als geplant

Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, ist ein gewaltiges Vorhaben.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wirtschaftsexpert:innen
  • Game Changer:innen

Lesedauer:

2 Minuten

KolumnistIn: Jürgen Streitner

Jürgen Streitner, Umwelt- und Energiepolitik in der WKÖ i
WKÖ

Jürgen Streitner

Wollen wir Klimaneutralität erreichen, braucht es zielgerichtete politische Weichenstellungen und keine politischen Kampfansagen oder Wunschdenken.

In Europa haben wir uns das Ziel gesetzt, die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Für dieses gewaltige Vorhaben, der sich die Wirtschaft unumstritten stellt, braucht es zielgerichtete politische Weichenstellungen. Was wir nicht brauchen, sind politische Kampfansagen oder Wunschdenken.

100 % erneuerbarer Strom bis 2030

So auch beim Thema erneuerbarer Strom: Dass rund 80 % unseres Stroms aus Erneuerbaren stammt, hat Österreich jahrelang zum Vorzeigeland gemacht. Bis 2030 werden 100 % angestrebt. Ziel der österreichischen Bundesregierung ist, dafür 27 TWh zusätzlichen Strom aus Wasser, Wind oder Sonne zu produzieren. Wie schwierig der Lückenschluss ist, zeigt der seit Jahren fast stagnierende prozentuelle Anteil an regenerativer Elektrizität. Grund dafür ist, dass unser Stromverbrauch steigt.

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Strombedarf verdreifacht sich

Und auch weiter steigen wird: Schätzungen der Wissenschaft gehen davon aus, dass der Strombedarf in Österreich von bisher 71 TWh, auf das Zwei- oder Dreifache anwachsen wird, wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen. Wie hoch die zusätzlichen Mengen tatsächlich sind, hängt vom Grad der Elektrifizierung, aber auch von den Möglichkeiten von Energieimporten ab, z. B. Stromimport in Form vom Wasserstoff. Der Strombedarf könnte jedenfalls schon rasch steigen: Das Klimaschutzministerium strebt offenbar an, ab 2027 nur mehr Elektrofahrzeuge zuzulassen.

Die Digitalisierung lässt den Strombedarf massiv steigen.

Jürgen Streitner, Leiter der Abteilung Umweltpolitik in der WKÖ

Grüner Wasserstoff für Gaskraftwerke nötig 

Der Entwurf des erneuerbaren Wärmegesetzes enthält Verbote für Heizungen im Bestand, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, vor. Wenn nur ein Anlagenteil kaputt ist, muss diese Heizung entfernt werden. Ein Wechsel zu strombetriebenen Wärmepumpen wird empfohlen. Die Digitalisierung lässt den Strombedarf massiv steigen. Die voestalpine wird ab 2027 strombetriebene Lichtbogenöfen installieren. Bisher gar nicht mitbedacht wurde, dass die aus systemischen Gründen weiterhin notwendigen Gaskraftwerke bei 100 % Erneuerbaren-Ziel bis 2030 mit grünem Wasserstoff betrieben werden müssten. Dadurch würde der Strombedarf zusätzlich massiv in die Höhe getrieben.

Höchste Zeit, reinen Tisch zu machen

Eine Gegenüberstellung von Angebot und Verbrauch zeigt auf: Das kann sich nicht ausgehen. Nehmen wir die Dekarbonisierung ernst, wird der zusätzliche Elektrizitätsbedarf über der Planungsannahme vom Klimaschutzministerium von 27 TWh liegen. Es ist höchste Zeit, reinen Tisch zu machen und die Bevölkerung mit diesen Tatsachen zu konfrontieren. Das Ziel muss angepasst werden und es sind rasch die notwendigen Maßnahmen zu setzen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Österreich produziert 80 % seines Stroms aus erneuerbaren Quellen, bis 2030 sollen es 100 % sein.
  • Bis dahin verdreifacht sich der Strombedarf in Österreich.
  • Deswegen ist es für WKÖ-Energie-Experten Jürgen Streitner höchste Zeit, reinen Tisch zu machen und die Bevölkerung mit diesen Tatsachen zu konfrontieren.