Trotz Konjunkturschwäche bremst der Arbeits- und Fachkräftemangel den Aufschwung – Branchen wie Tourismus und Industrie sind besonders betroffen. Das zeigt eine aktuelle Befragung unter heimischen Unternehmen.
Österreich steckt im dritten Rezessionsjahr, die Auftragsbücher vieler Unternehmen sind dünner geworden. Doch wer glaubt, damit sei der Arbeits- und Fachkräftemangel passé, irrt gewaltig: 78 % der Betriebe berichten, dass ihnen nach wie vor das passende Personal fehlt – 53,5 % davon spüren den Engpass stark bis sehr stark. Gleichzeitig sind über 375.000 Menschen arbeitslos. Wie passt das zusammen?
Arbeitskräftemangel trotz hoher Arbeitslosigkeit – wie passt das zusammen?
"Aktuell überlagert die schlechte Konjunktur den Arbeitskräftemangel. Aber die Konjunktur wirkt kurzfristig, die Demografie langfristig und vorsehbar – wie Wetter und Klima", analysiert Rolf Gleissner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der WKÖ. "Nur weil es einige Wochen regnet, ist der Klimawandel nicht abgesagt. Und die Demografie ist düster: Die OECD sagt voraus, dass die Zahl der Erwerbsfähigen bis 2060 um 23,7 % zurückgeht – einer der höchsten Werte in der OECD."
Branchenvergleich: Wo Personalengpässe besonders stark spürbar sind
Im Tourismus melden 88,8% der Betriebe Personalengpässe – ein Plus von 1,6% gegenüber 2024. Doch auch die Industrie ächzt: Bei knapp jeder zweiten Firma fehlt es an Fachkräften (3,8% sehr stark, 48,1% eher stark). Selbst im vermeintlich digitalen Sektor Information & Consulting spürt mehr als ein Drittel den Druck, während 40% noch entspannt bleiben können – ein Hinweis auf sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle innerhalb der Sparte.
Diese Berufe fehlen am häufigsten – quer durch alle Qualifikationen
Eine Auswertung der meistgenannten Berufe im Rahmen des jüngst erschienenen Arbeitskräfteradars 2025, der größten jährlichen Unternehmensumfrage zum österreichischen Arbeitsmarkt, zeigt, dass der Mangel quer durch alle Qualifikationsniveaus geht:
- Köch:innen – 133 Nennungen
- Verkäufer:innen – 107
- Kraftfahrer:innen – 78
- Elektro-/Energietechnik – 77
- Restaurantfachkräfte – 66
- IT-Fachkräfte – 65
Daneben fehlen Metalltechniker:innen, Installateur:innen, Kfz-Techniker:innen und Tischler:innen – der Personalnotstand trifft sowohl Lehr- als auch Meister- und Hochschulberufe.
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Folgen für Betriebe: Auftragsverluste, Innovationsstau, Existenzangst
- 57% der Unternehmen müssen Aufträge ablehnen oder verkleinern – Umsatz, der schlicht liegen bleibt.
- 47,5% bremsen Innovationen, weil keine Zeit für Entwicklung bleibt.
- 84% der Firmenchef:innen und 81,2% der Mitarbeiter:innen haben eine spürbare Zusatzbelastung.
- Für 27,2% wird der Engpass existenzbedrohend.
Kurz: Der Fachkräftemangel kostet Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und am Ende Wohlstand.
Warum viele Unternehmen Personalreserven halten
Aus Angst, im Aufschwung nicht liefern zu können, hält knapp die Hälfte (46,7%) der Betriebe derzeit unausgelastete Mitarbeiter:innen bewusst weiter in Anstellung. Doch steigende Lohnkosten und schwache Umsätze machen diese Strategie immer schwerer finanzierbar.
WEB-TIPP: Arbeitskräfteradar 2025
Der WKÖ‑Arbeitskräfteradar ist die größte jährliche Unternehmensumfrage zum österreichischen Arbeitsmarkt. Seit 2018 erhebt das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft (ibw) im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich, wie stark Betriebe in allen Branchen vom Arbeits- und Fachkräftemangel betroffen sind. 2025 haben knapp 2.500 Unternehmen teilgenommen – ein verlässliches Stimmungsbild quer durch die Republik.
Das fordern die Betriebe

Passend zur aktuellen Teilzeit-Debatte fordern die Unternehmen zur Fachkräftesicherung vor allem mehr Beschäftigungsanreize für Arbeitslose und Anreize für Vollzeitbeschäftigung.
Laut dem Arbeitskräfteradar 2025 wünschen sich die Unternehmen vor allem:
- Mehr Beschäftigungsanreize für Arbeitslose (82,5%)
- Attraktivere Vollzeit- und Mehrarbeit (82,3%)
- Stärkere Aufwertung der Lehre (77,1%)
Dazu passt auch, dass 80,5 % der Betriebe Personen mit Lehrabschluss suchen; jede zweite Lehrfirma würde sofort mehr Lehrlinge aufnehmen, wenn sich genügend Kandidat:innen fänden.
Ohne Fachkräfte kein Aufschwung – was jetzt zu tun ist
Der Arbeits- und Fachkräftemangel ist kein Konjunkturproblem, sondern ein strukturelles. Wenn die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt, entscheidet die Verfügbarkeit von gut ausgebildetem Personal darüber, ob Österreich den Turbo zündet – oder ob wertvolle Chancen verpuffen. Jetzt braucht es greifbare Anreize für Beschäftigung, weniger Bürokratie und eine Lehrlingsförderung, die ihrem Namen gerecht wird. Sonst bleibt die geplante wirtschaftliche Aufholjagd ein Luftschloss.
Das Wichtigste in Kürze:
- 78% der Unternehmen spüren trotz Rezession weiterhin Arbeits- und Fachkräftemangel.
- 88,8% der Tourismusbetriebe und rund 52% der Industrie sind besonders stark betroffen.
- Engpässe bestehen quer durch alle Qualifikationsstufen – von Köch:innen (133 Nennungen) bis IT-Fachkräften (65 Nennungen).
- 57% der Betriebe müssen Aufträge ablehnen, 47,5% bremsen Innovationen, 27,2% sehen Existenzgefahr.
- 82,5% fordern Beschäftigungsanreize für Arbeitslose, 82,3% Mehrarbeit & 77,1% eine stärkere Aufwertung der Lehre.