Freier Waren­verkehr: EuGH stärkt EU-Binnenmarkt

EuGH kippt Ungarns Exportkontrollen – ein wichtiges Signal für den EU-Binnenmarkt.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Wirtschaftseinsteiger:innen

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Peter Draxler

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Der EuGH erklärt Ungarns Baustoff-Exportregeln für rechtswidrig. Ein großer Erfolg für die WKÖ, die die Beschwerde eingebracht hat – und ein starkes Signal für den freien EU-Binnenmarkt.

Stell dir vor, du planst ein Bauprojekt: Angebot kalkuliert, Liefertermine vereinbart, Finanzierung steht. Und dann heißt es plötzlich: Baustoffe aus einem EU-Nachbarland kommen nur mehr mit Sondergenehmigung raus – wenn überhaupt.

Genau das ist passiert, als Ungarn im Jahr 2021 die Ausfuhr bestimmter Baustoffe erschwert und sich ein staatliches Vorkaufsrecht gesichert hat. Das traf nicht nur ungarische Betriebe, sondern alle, die auf Lieferungen von dort angewiesen sind – und damit auch österreichische Unternehmen.

Warum Ungarns Exportkontrollen problematisch waren

Angesichts der Corona-Pandemie und des weltweiten Mangels an Rohstoffen führte Ungarn ein Verfahren ein, das eine Notifizierungspflicht für Ausfuhren von Baumaterialien vorsah und dem ungarischen Staat ein Vorkaufs- und Ankaufsrecht ermöglichte. Konkret bedeutete das:

  • Ausfuhren mussten vorab gemeldet und genehmigt werden.
  • Der Staat konnte die Ware selbst ankaufen.
  • Bei Verstößen drohten empfindliche Strafen.
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"Ungarn begründete die Exportkontrollen damit, dass es die nationale Versorgung sichern und kritische Infrastruktur schützen wolle", erklärt Tamara Achleitner, EU-Expertin in der WKÖ.

Ziel der ungarischen Regierung war es, die inländische Versorgung sicherzustellen und Preissteigerungen einzudämmen. In der Praxis führte das aber zu Unsicherheit, bürokratischen Hürden und teils massiven Lieferverzögerungen – spürbar auch in Österreich. "Jeder Mitgliedstaat hat das Recht, in Krisensituationen zu handeln – aber nicht um jeden Preis", sagt EU-Expertin Achleitner. Beschränkungen des freien Warenverkehrs seien nur in Ausnahmefällen zulässig und müssten strikt verhältnismäßig sein.

Was der EuGH konkret entschieden hat

Und genau das bezweifelten heimische Expert:innen wie Tamara Achleitner. Als Vertretung der österreichischen Betriebe brachte die Wirtschaftskammer in Brüssel eine Binnenmarktbeschwerde ein und brachte damit den politischen Stein ins Rollen. "Solche Beschwerden liefern der Kommission konkrete Hinweise aus der Praxis und können Prüfungen sowie Vertragsverletzungsverfahren auslösen", sagt Achleitner. Nach Ansicht der EuGH-Richter in Luxemburg überschritt Ungarn mit seinem Vorgehen die Grenze zur unzulässigen Marktabschottung.

INFOBOX: Enterprise Europe Network

Das Enterprise Europe Network Austria bietet österreichischen KMU konkrete Unterstützung, in Europa und international zu wachsen. Die Wirtschaftskammer Österreich ist seit 2008 Teil des Enterprise Europe Network, das von der EU-Kommission kofinanziert wird und Unternehmen bei Hindernissen im Europäischen Binnenmarkt aktiv unterstützt.

Alle Infos findest du hier!

"Das Urteil zeigt, dass die EU-Kommission bereit ist, Vertragsverletzungen konsequent zu verfolgen, und dass der EuGH klare Grenzen setzt", analysiert Tamara Achleitner. "Der Binnenmarkt bleibt das Herzstück der EU – niemand darf ihn im Alleingang aushöhlen. Für Unternehmen bedeutet das mehr Rechtssicherheit und Verlässlichkeit."

Warum Krisenzeiten zu Marktabschottung führen

Ob Energie, Lebensmittel oder kritische Rohstoffe: In Zeiten von Unsicherheit neigen Staaten dazu, den Markt stärker zu kontrollieren, warnt Achleitner: "Der Fall Ungarn ist kein Ausreißer – sondern ein Beispiel für ein Muster, das in Krisenzeiten häufiger vorkommt."  Für alle Betroffenen hat WKÖ-Expertin Tamara Achleitner noch einen wichtigen Tipp: "Betriebe sind solchen Maßnahmen nicht hilflos ausgeliefert. Wichtig ist: dokumentieren, die Außenwirtschaftscenter der WKÖ einbinden, EU-Expert:innen der WKÖ kontaktieren, den europäischen Problemlösungsmechanismus SOLVIT nutzen, gegebenenfalls Beschwerden an die Kommission einreichen oder nationale Rechtsmittel nutzen. Wir unterstützen gern."

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der EuGH erklärt Ungarns Exportbeschränkung für Baustoffe als Verstoß gegen den freien Warenverkehr.
  • Die WKÖ hatte 2021 eine Binnenmarktbeschwerde eingebracht und das Verfahren maßgeblich angestoßen.
  • Ungarns Maßnahmen führten zu Lieferverzögerungen, Preissteigerungen und Wettbewerbsnachteilen für österreichische Betriebe.
  • Der EuGH bemängelt auch die fehlende EU-Notifizierung und die Verletzung der Stillhaltefrist.
  • Ungarn muss die Regelung nun aufheben, sonst drohen finanzielle Sanktionen durch die EU-Kommission.