Anfang Juni hat die EZB die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Wir haben uns umgehört, wie sich das auf die österreichische Wirtschaft auswirkt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt den Leitzins als Instrument ihrer Geldpolitik, um die Inflation zu bekämpfen. Wird er gesenkt, kann das dazu beitragen, die Wirtschaft anzukurbeln und die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zu steigern.
TIPP: Welche Anlegestrategie du in Zeiten einer Leitzinssenkung am besten wählt, erklären wir dir in unserem Beitrag "EZB-Leitzinssenkung: Die beste Anlage-Strategie".
Die jüngste Senkung aller drei Leitzinsen - Hauptrefinanzierungssatz, Spitzenrefinanzierungssatz und Einlagesatz - wird von den österreichischen Unternehmen daher genau analysiert. Die günstigeren Zinsen sind allerdings oft nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.
Spannende Updates für dich
Mit der MARI€ MAIL erhältst du unsere wichtigsten Infos direkt in deine Mailbox.
Jetzt zum Newsletter anmelden!Seit der Senkung des Leitzinses durch die EZB sind ein paar Wochen ins Land gezogen, Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Deshalb haben wir mit Vertreter:innen der Branchen Industrie, Hotellerie & Gastronomie und Immobilienwirtschaft gesprochen, die mit am stärksten von der Leitzinssenkung betroffen sind.
So wirkt sich die Leitzinssenkung auf die Industrie aus
"Der WIFO-Konjunkturtest zeigt, dass der Industriesektor sehr negativ beurteilt wird. Daran hat auch die derzeitige Leitzinssenkung der EZB nur wenig geändert", sagt Andreas Mörk, Geschäftsführer der WKÖ-Bundessparte Industrie. Es ist nicht absehbar, dass sich die Auftragseingangssituation bis Jahresende verbessern wird, die Inflation könnte dann um 0,7% bis 1% höher liegen als im übrigen EU-Raum.
Bis Ende des Jahres erwarten wir aber keine positiven Effekte für die österreichische Industrie. Wir hoffen auf das Jahr 2025.
Auch bei der Lohnentwicklung sei nicht damit zu rechnen, dass sie die österreichische Industrie in ein dynamisches Fahrwasser bringt. Die deutsche Industrie, von der wir besonders abhängig sind, sende derzeit unterschiedliche Signale. "Bis Ende des Jahres erwarten wir aber keine positiven Effekte für die österreichische Industrie. Wir hoffen auf das Jahr 2025."
So wirkt sich die Leitzinssenkung auf Hotellerie & Gastronomie aus
Eine aktuelle Bilanzanalyse der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank von rund 200 repräsentativen Hotelbetrieben zeigt, dass die Branche herausfordernde Zeiten durchlebt. "Aufgrund überproportionaler Kostensteigerungen in vielen Bereichen sinken die Betriebsergebnisse trotz steigender Umsätze und Nächtigungszahlen um 4 bis 7%", sagt Maria Schreiner, Geschäftsführerin des Fachverbandes Hotellerie in der WKÖ.
Die Hotellerie ist zudem eine investitionsintensive Branche, die Betriebe haben eine hohe Fremdkapitalquote und eine entsprechend hohe Zinsbelastung. "Zinssenkungen sind daher aus Sicht der Branche natürlich immer zu begrüßen, die aktuelle Senkung um 0,25 Prozentpunkte ist jedoch zu gering, um einen spürbaren Effekt für die Branche zu erzielen. Die Richtung stimmt, weitere nachhaltige Zinssenkungen müssen jedenfalls folgen, um eine nachhaltige Entlastung für die Betriebe zu schaffen."
Die Richtung stimmt. Die aktuelle Senkung ist aber zu gering, um spürbare Auswirkungen zu haben.
In einer vergleichbaren Situation befindet sich auch die österreichische Gastronomie, hält Daniel Frings, Experte vom Fachverband Gastronomie, fest: "Wir sehen, dass die heimische Gastronomie nicht in der Lage war, die massiven Kostensteigerungen des letzten Jahres im notwendigen Ausmaß an ihre Gäste weiterzugeben. Vor allem in der Spitzengastronomie mit ihrem erhöhten Wareneinsatz sind die Betriebsergebnisse daher unter Druck geraten. Die Zinssenkung ist daher auch aus Sicht der Gastronomie zu begrüßen, wenngleich sie noch nicht im ausreichenden Ausmaß erfolgte."
So wirkt sich die Leitzinssenkung auf die Immobilienwirtschaft aus
Auch aus Sicht der Immobilienwirtschaft ist die Leitzinssenkung der EZB ein erster Schritt in die richtige Richtung, weil damit auch der 3-Monats-Euribor gesunken ist. "Dadurch werden neu vergebene Immobilienkredite mit variablem Zinssatz rentabler", sagt Barbara Josipovic, Expertin des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKÖ. In der Gesamtbetrachtung seien die Effekte der jüngsten Leitzinssenkung marginal, da die restriktiven Kreditvergabebestimmungen der KIM-Verordnung weiterhin bremsend wirkten.
Weitere Leitzinssenkungen könnten den für 2025 prognostizierten Kollaps der Bauwirtschaft sowie die drohende Wohnungknappheit abfedern und die Bautätigkeit wieder ankurbeln.
"Daher sind weitere Schritte in diese Richtung notwendig. Sollte es in naher Zukunft zu weiteren Leitzinssenkungen kommen, könnte dies den für 2025 prognostizierten Kollaps der Bauwirtschaft sowie die drohende Wohnungknappheit abfedern und die Bautätigkeit wieder ankurbeln", sagt Josipovic. "Wer es sich leisten kann, sollte trotzdem nicht warten und jetzt kaufen, wo noch ausreichend Angebot am Immobilienmarkt ist und der ab 2025 zu erwartende Rückgang bei den Fertigstellungen noch nicht eingetreten ist."
Das Wichtigste in Kürze:
- Im Juni hat die EZB die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt.
- Das betrifft den Hauptrefinanzierungssatz, den Spitzenrefinanzierungssatz und Einlagesatz.
- Die österreichischen Unternehmen registrieren das positiv, die Auswirkungen sind aber derzeit noch marginal.