In welchen Bereichen wir aufholen müssen, um den heimischen Wirtschaftsstandort an die europäische Spitze zu führen, erfährst du hier.
Der Wirtschaftsstandort Österreich hat sich gegenüber dem Vorjahr nicht verbessert. So lautet das Fazit des Standort-Check 2024 der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), der die Performance Österreichs anhand von 18 volkswirtschaftlichen Schlüsselindikatoren im EU-Vergleich unter die Lupe nimmt.
Die positiven Aspekte, die der Standort-Check zeigt: Österreich belegt 2024 im direkten Vergleich mit den 26 anderen EU-Staaten drei Plätze in den Top 10, nämlich beim BIP-Pro-Kopf, der F&E-Quote und bei der Arbeitslosenrate.
Allerdings gibt es eine Kehrseite: Während im Standort-Check 2023 bei der Hälfte der 18 Indikatoren über dem EU-Durchschnitt lag, trifft dies heuer nur noch auf etwa ein Drittel zu. "Unsere Analyse zeigt Handlungsbedarf, denn gerade bei den für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidenden Indikatoren verschlechtert sich Österreich im EU-Standortwettbewerb", erklärt Claudia Huber, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik in der WKÖ.
Die größten Verschlechterungen gibt es bei der Lohnstückkostenentwicklung (minus 9 Ränge), den Investitionen (minus 8 Ränge) und dem Inflationsdifferenzial (minus7 Ränge).
Um aufzuholen, braucht es Maßnahmen in diesen Bereichen:
Bereich #1: Wirtschaftsleistung und Wohlstand
Was den Wohlstand betrifft, gehört Österreich zwar weiterhin zu den Top 5 in Europa. Das schwache Wirtschaftswachstum stellt jedoch eine ernsthafte Bedrohung dar.
Die Europäische Kommission erwartet für 2024 ein BIP-Wachstum von 1% für die EU-27 und von 0,8% für die Eurozone. In Österreich hingegen wird das BIP-Wachstum heuer voraussichtlich stagnieren, was uns auf den undankbaren 23. Platz verweist.
"Neben dem langsamen Sinken der Inflation haben wir das Problem einer geringen Inlandsnachfrage, die wichtige Wachstumsimpulse vermissen lässt. Aufgrund der Rezession in der Industrie und auch in der Bauwirtschaft gehen die Anlageinvestitionen zurück", schildert Huber.
Bereich #2: Wettbewerbsfähigkeit
Die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs wird durch schwache Investitionen und Exporte auf der einen und explodierende Lohnstückkosten auf der anderen Seite bedroht. Während die Bruttoinvestitionen im EU-Schnitt leicht zulegen, zeichnet sich hierzulande bereits zum dritten Mal in Folge ein Rückgang ab.
"Österreich wird dieses Jahr zum EU-Schlusslicht bei der Investitionsentwicklung werden. Laut Prognose der Europäischen Kommission verschlechtert sich in keinem anderen EU-Mitgliedstaat die Investitionstätigkeit 2024 derart wie hierzulande", erklärt Huber. Im laufenden Jahr werden die Bruttoanlageinvestitionen bei uns um 2,2 % sinken, während sie im EU-Durchschnitt um 0,3 % steigen. Damit wiederholt sich eine Entwicklung aus dem Vorjahr: Auch 2023 kam es in Österreich zu einem Rückgang der Bruttoanlageinvestitionen (-1,3 %), während sie im EU-Durchschnitt zulegten (+1,6 %).
Hohe Lohnstückkosten setzen Unternehmen unter Druck
Überdurchschnittlich, nämlich mit 7,2%, steigen bei uns hingegen die und liegen damit an fünfhöchster Stelle in der EU. "Die Lohnstückkosten sind ein wichtiger Indikator für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Die dramatische Entwicklung hierzulande drückt auf die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs und der exportierenden Unternehmen. Deshalb müssen wir diese standortpolitische Belastung eindämmen", fordert Huber.
Fest steht: Investitionen, die heute nicht getätigt werden, sind die Wettbewerbsnachteile von morgen.
Bereich #3: Arbeitsmarkt
Auch auf dem Arbeitsmarkt sind wir gutes Mittelmaß, haben aber an Vorsprung eingebüßt. Die Arbeitslosenquote Österreichs ist zwar weiterhin niedriger als der europäische Durchschnitt, der Abstand zu anderen Mitgliedsländern schmilzt jedoch: Zwischen 2013 und 2017 lagen wir noch an 4. Stelle, laut Prognose der Europäischen Kommission für 2024 landen wir mit einer Arbeitslosenrate von 5,3% nun auf dem 10. Platz.
Auch bei der Arbeitsproduktivität, bei der wir im EU-Vergleich am drittschlechtesten abschneiden, besteht Aufholbedarf. "Die Realität ist, dass andere Mitgliedsländer die Arbeitsproduktivität effektiver steigern können als Österreich. Angesichts des Arbeitskräftemangels und des demographischen Wandels müssen wir gegensteuern", unterstreicht Huber.
Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei der Beschäftigungsquote, die ein Indikator dafür ist, wie effektiv eine Volkswirtschaft ihr Arbeitskräftepotenzial nutzt. Während es der Mehrheit der Mitgliedstaaten seit 2013 gelingt, ihr Arbeitskräftepotenzial immer besser auszuschöpfen, macht Österreich in dieser Hinsicht keine Fortschritte, was unter anderem auf die hohe heimische Teilzeitquote zurückzuführen ist.
Auch bei der Arbeitsproduktivität, bei der wir im EU-Vergleich am drittschlechtesten abschneiden, besteht Aufholbedarf. "Die Realität ist, dass andere Mitgliedsländer ihr Arbeitskräftepotenzial viel besser ausschöpfen und die Arbeitsproduktivität mehr steigern können als Österreich. Angesichts des omnipräsenten Arbeitskräftemangels und des demografischen Wandels müssen wir gegensteuern", unterstreicht Huber.
Auch bei der Arbeitsproduktivität, bei der wir im EU-Vergleich am drittschlechtesten abschneiden, besteht Aufholbedarf. "Die Realität ist, dass andere Mitgliedsländer ihr Arbeitskräftepotenzial viel besser ausschöpfen und die Arbeitsproduktivität mehr steigern können als Österreich. Angesichts des omnipräsenten Arbeitskräftemangels und des demografischen Wandels müssen wir gegensteuern", unterstreicht Huber.
Bereich #4: Öffentliche Finanzen
Im Jahr 2024 hat Österreich mit 77,7% des BIP die achthöchste Staatsverschuldung unter den Mitgliedstaaten. Obwohl die Staatsverschuldung niedriger als der Durchschnitt in der Eurozone und der EU-27 ist, verfehlen wir damit deutlich die Maastricht-Kriterien, die eine maximale Verschuldung von 60% des BIP erlauben.
"Unsere Staatsschuldenquote und das strukturelle Defizit stagnieren auf hohem Niveau. Mit dem Ende der Niedrigzinspolitik und den erforderlichen Investitionen in die ökologische und digitale Transformation werden Strukturreformen unumgänglich, um einen nachhaltigen öffentlichen Finanzhaushalt sicherzustellen", sagt Huber.
Keine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr
Im Vergleich zum Vorjahr konnte sich der heimische Wirtschaftsstandort nicht verbessern.
Geprägt ist die österreichische Wirtschaft weiterhin durch
- rückläufige Investitionen,
- steigende Lohnstückkosten,
- eine sinkende Arbeitsproduktivität und
- die überdurchschnittlich hohe Inflationsrate.
"Eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik – und hier insbesondere auch Industriepolitik – muss strukturelle Reformen auf den Weg bringen, um den Standort langfristig abzusichern. Ziel muss es sein, die Herausforderungen des ökologischen und digitalen Wandels zu nutzen, um den heimischen Wirtschaftsstandort im Zuge der Transformationsphase an die europäische Spitze heranzuführen", sagt WKÖ-Expertin Huber.
Das Wichtigste in Kürze:
- Eine Analyse von 18 Schlüsselindikatoren für die Wirtschaft zeigt, dass der Standort Österreich im EU-Vergleich zurückfällt.
- Vor allem rückläufige Investitionen, steigende Lohnstückkosten, sinkende Arbeitsproduktivität und eine Inflationsrate über dem EU-Schnitt wirken sich negativ auf die heimische Gesamtwirtschaft aus.
- Um aufzuholen, braucht es einen rascheren Rückgang der Inflation, ein stärkeres Wirtschaftswachstum, eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt und Strukturreformen im Bereich des öffentlichen Haushalts.
- Alle Daten und Informationen findest du im Standort-Check 2024.