Warum Vermögens­steuern kleine Unternehmen besonders belasten

Ökonom Matthias Petutschnig erklärt, wie Eigenkapital und Liquidität leiden.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Zahlenjongleur:innen
  • Kleinunternehmer:innen

Lesedauer:

5 Minuten

AutorIn: David Sievers

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Eine aktuelle Studie der WU Wien beleuchtet, wie sich eine Vermögens- oder Erbschaftsteuer in Österreich auf Unternehmen auswirkt. Studienleiter Matthias Petutschnig erklärt, warum eine solche Steuer kontraproduktiv ist.

Im Rahmen einer aktuellen Studie hat Matthias Petutschnig, Associate Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre am Institut für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen der WU Wien, die Auswirkungen unterschiedlicher Modelle einer Vermögens- und Erbschaftssteuer berechnet. Dabei wurden auf Basis historischer Jahresabschlussdaten österreichischer Unternehmen mehrere Modelle durchgerechnet. Bei der Erbschaftssteuer wurden

  • das 2008 abgeschaffte österreichische System
  • die aktuelle deutsche Erbschaftssteuer sowie
  • die Erbschaftsteuern, die in zwei Schweizer Kantonen angewendet werden,

simuliert.

Die Auswirkungen einer Vermögenssteuer wurden außerdem anhand aktueller Vermögenssteuerkonzepte in Luxemburg, Norwegen und Spanien berechnet. Nicht berücksichtigt in der Studie wurde das unlängst von der SPÖ vorgestellte Modell. Wir haben mit Matthias Petutschnig über die wichtigsten Erkenntnisse aus seiner Studie und die Auswirkungen von Vermögens- und Erbschaftssteuern auf die heimischen Unternehmen gesprochen.

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Herr Petutschnig, Sie haben in Ihrer Studie die potenziellen Auswirkungen einer Vermögens- und Erbschaftssteuer auf Unternehmen in Österreich simuliert. Was bedeutet etwa eine Erbschaftssteuer für die heimischen Betriebe?

Matthias Petutschnig: Bei unserer Studie wird davon ausgegangen, dass im Falle von Erbschaften und Schenkungen die Steuerbelastung des Erben bzw. Geschenknehmers durch zusätzliche Gewinnausschüttungen oder Entnahmen letztlich durch das Unternehmen finanziert wird. Dadurch werden Eigenkapital und Liquidität entzogen, auch bei einer Vermögenssteuer auf Ebene des Gesellschafters. Wir sprechen dabei von einem sogenannten "Eigenkapitalverzehr". 

Bei der Wiedereinführung der historischen österreichischen Variante würde das Eigenkapital durchschnittlicher Unternehmen der Stichprobe zur Gänze aufgebraucht werden. Die durchschnittliche Erbschaftssteuerbelastung würde bei Einführung des aktuellen deutschen Systems sogar dem 1,4- bis 2-fachen des vorhandenen durchschnittlichen Eigenkapitals entsprechen – je nach Anwendbarkeit des Verschonungsabschlages.

Wie lange würden die Unternehmen brauchen, um die nötigen Mittel zu erwirtschaften?

Unsere Studie zeigt, dass die durchschnittliche Erbschaftsteuer in allen Varianten den durchschnittlichen Jahresüberschuss um zumindest das Doppelte übersteigt. Bereits die mit einem sehr niedrigen nominellen Steuersatz von 3 bis 3,5 % ausgestatteten Erbschaftsteuersysteme der Kantone Neuenburg und Waadt in der Schweiz führen zu einer Steuerbelastung im Ausmaß von rund 201 bis 207 % des durchschnittlichen Jahresüberschusses.

Für die Varianten "Österreich", "Deutschland mit Verschonungsabschlag" und "Deutschland ohne Verschonungsabschlag" werden Werte zwischen dem 6- und 8,5-fachen Jahresüberschuss ausgewiesen. Das bedeutet, dass die Erbschaftssteuer durch das Unternehmen finanziert werden muss, und zwar je nach Modell über einen Zeitraum von 2 bis 8,5 Jahren.

Matthias Petutschnig, WU Wien i
WU Wien

Es darf nicht vergessen werden, dass die österreichischen Unternehmen die wesentlichen Träger der österreichischen Volkswirtschaft sind.

Matthias Petutschnig, Associate Professor an der WU Wien

Stichwort Vermögenssteuern: Sie haben auch die Auswirkungen internationaler Modelle  berechnet. Zu welchen Ergebnissen sind Sie hier gekommen?

Die luxemburgische Vermögenssteuer ist die einzige europäische Vermögenssteuer, die Unternehmen bzw. Kapitalgesellschaften direkt besteuert und das unternehmerische Eigenkapital unmittelbar beeinflusst. Der simulierte durchschnittliche Vermögenssteuerbetrag beträgt rund 162.000 Euro pro Unternehmen, was einer durchschnittlichen Belastung von rund 52 % des Jahresüberschusses entspricht. Die Ergebnisse für das norwegische Modell sind sehr ähnlich.

Im Vergleich zu den anderen beiden Modellen führt das spanische Modell trotz des relativ hohen Freibetrages von 700.000 EUR zu den größten Belastungen über sämtliche Werte und Relationen hinweg. Der durchschnittliche Vermögenssteuerbetrag beträgt hier 1,37 Millionen Euro, was eine durchschnittliche Eigenkapitalbelastung von rund 23 % und eine durchschnittliche Belastung des Jahresüberschusses von 60 % bedeutet.

Corona, Energiepreise, Inflation – die heimischen Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren so mancher Herausforderung stellen müssen. Kommt die Forderung nach Vermögens- oder Erbschaftssteuer in Österreich aus Ihrer Sicht zum richtigen Zeitpunkt?

Das ist keine triviale Frage. Einerseits gibt es in großen Teilen der Bevölkerung das Gefühl, dass das Steuerrecht und die Verteilung der Finanzierungskosten des Staates ungerecht sind, sprich: Dass die weniger Vermögenden einen größeren Anteil leisten als die "Superreichen". Andererseits sind viele Unternehmen durch die wirtschaftlichen Herausforderungen, aber auch durch die Steuerrechtsänderungen der jüngsten Vergangenheit belastet.

Die Frage der Einführung einer Vermögens- oder Erbschaftssteuer sollte daher in einen umfassenden Diskurs über das gesamte Steuersystem und der Finanzierungsstruktur des Staates eingebettet werden. Insbesondere sollte öffentlich und auf Basis von empirischen, wissenschaftlichen Erkenntnissen diskutiert werden, welche Steuern im Gegenzug zur Einführung neuer Steuern reduziert und welche Steuerzahler entlastet werden können. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die österreichischen Unternehmen die wesentlichen Träger der österreichischen Volkswirtschaft sind.

So ist Österreichs Wirtschaft strukturiert

93,6 % der Betriebe haben 0 bis 9 unselbständig Beschäftigten
40,4 % der Angestellten arbeiten in Betrieben mit mehr als 250 Personen


Welche Erkenntnisse haben Sie über die Belastungen für kleinere Unternehmen durch eine Vermögens- und Erbschaftssteuer in Ihrer Studie gewonnen?

Der simulierte Erbschafts- oder Vermögenssteuerbetrag nimmt grundsätzlich in allen analysierten Modellen mit der Größe des Unternehmens zu. Dies ist im Wesentlichen durch die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer begründet. Hier verwendet die Studie das sogenannte "Wiener Verfahren", das von der österreichischen Finanzverwaltung entwickelt wurde und eine schnelle Bewertung mit nur wenigen unternehmensspezifischen Informationen ermöglicht.

Das kann dazu führen, dass Unternehmen mit wenig Eigenkapital oder einer geringen Bilanzsumme bei hohen Gewinnen höheren Belastungen unterliegen, und zwar relativ zu ihrem Eigenkapital. Gleichzeitig führt das Wiener Verfahren aber auch bei Unternehmen ohne Gewinne zu einem positiven Unternehmenswert, weshalb kleine und eigenkapitalschwache Unternehmen wiederum höhere Belastungen aufweisen.

Vonseiten der Befürworter:innen einer Vermögens- und Erbschaftssteuer heißt es, dass diese zu mehr Gerechtigkeit im Steuersystem führen könnten. Wie würden Sie diese Ansicht im Kontext Ihrer Studienergebnisse bewerten? 

Ich glaube nicht, dass die Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer alleine zu mehr Gerechtigkeit im Steuersystem führt, da man das Steuersystem zur Gänze betrachten sollte. Eine Reihe von empirischen Untersuchungen beschäftigt sich mit der durch das Steuer- und Abgabensystem bewirkten Umverteilung.

Hier zeigt sich einerseits, dass bereits viel Umverteilung erfolgt, andererseits aber auch, dass die Umverteilung in bestimmten Bereichen noch verbessert werden könnte. In diesem Zusammenhang kann man aus den Ergebnissen der Studie schließen, dass eine neue Vermögens- und Erbschaftssteuer, die eigentlich für mehr Gerechtigkeit sorgen soll, möglicherweise Unternehmen finanziell belastet. Und das könnte letztendlich auch jene Personen treffen, für die die Steuer fairer sein sollte.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Eine aktuelle Studie simuliert die Auswirkungen einer Vermögens- und Erbschaftssteuer auf österreichische Unternehmen.
  • Unternehmen müssten im Falle von Erbschaften oder Schenkungen die Steuerbelastung letztlich selbst finanzieren müssen.
  • Studienautor Matthias Petutschnig warnt davor, dass dies den Betrieben Eigenkapital und Liquidität entziehen würde.
  • Petutschnig betont die Notwendigkeit einer breiteren Diskussion über das gesamte Steuersystem, bevor neue Steuern eingeführt werden.