Bildungsexperte Jöran Muuß-Merholz erklärt im MARI€-Interview, warum Neugier und "Lernen zu lernen" die Schlüsselkompetenzen für die digitale Zukunft sind und wie Österreichs Bildungssystem darauf reagieren kann.
In einer Zeit, in der sich unsere Welt durch die digitale Transformation rasend schnell verändert, stehen Bildungssysteme vor großen Herausforderungen. Wie bereiten wir Kinder auf eine Zukunft vor, die wir selbst noch nicht genau kennen? Jöran Muuß-Merholz, Experte für digitale Bildung und Gründer der Bildungsagentur J&K, gibt im MARI€-Interview Einblicke, wie Schulen in Österreich die Zukunftskompetenzen fördern können, die heute schon entscheidend sind. Von "Lernen zu lernen" bis hin zu Open Educational Resources – er zeigt auf, was nötig ist, um im digitalen Zeitalter keine Schüler zurückzulassen.
"Herr Muuß-Merholz, welche Kernkompetenzen sollten Kinder heute unbedingt erlernen, um auf die Herausforderungen der Zukunft – insbesondere die digitale Transformation – vorbereitet zu sein?"
Jöran Muuß-Merholz: "Es gibt wenige Kompetenzen, von denen wir sicher sein können, dass sie nicht nur morgen, sondern auch übermorgen noch hilfreich sein werden – selbst wenn wir heute noch keine Ahnung haben, in welche Richtung sich die Zukunft entwickelt. Eine große Ausnahme bilden Kompetenzen, die uns helfen, mit den Veränderungen selbst gut umgehen, sie verstehen und ein Stück weit auch mitgestalten zu können. Das kann man dann 'Zukunftskompetenz' oder 'Transformationskompetenz' oder 'Futures Literacy' oder "Transition Skills" nennen. Oder man nennt es konkreter und einfacher einfach 'Lernen zu lernen' oder 'Neugier' ."
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Jetzt zum Newsletter anmelden!Die Ausstattung mit digitalen Geräten ist wichtig, aber wie können Lehrer:innen in Österreich am besten auf den Umgang mit digitalen Tools und neuen Lehrmethoden vorbereitet werden, um diese Kompetenzen erfolgreich zu vermitteln?
"In diesem Feld kommt es stark darauf an, dass das Lernen kontinuierlich stattfinden kann. Also nicht nur punktuell und getrennt von der normalen Arbeit, sondern immer wieder integriert in den Alltag, laufend aktualisiert und immer wieder neu. Dafür können z.B. Online-Lernangebote oder Peer-to-Peer-Formate helfen, also Treffen zum Lernen miteinander und Lernen voneinander. Entscheidend ist, dass im Rahmen des Arbeitsalltags Zeiten und Räume für das ständige Weiterlernen geschaffen und verankert werden!"
Hinter fast allen 'Zukunftskompetenzen' verbirgt sich eine Kompetenz, die heute schon relevant ist. Die Sache ist dringend!
Neben der digitalen Kompetenz sprechen viele Expert:innen auch von sogenannten "21st Century Skills" wie Kreativität, kritisches Denken und Zusammenarbeit. Wie können Schulen in Österreich diese Kompetenzen stärker in den Unterricht integrieren
"Der Königsweg scheint mir darin zu bestehen, dass so etwas nicht nur losgelöst von anderen Lernerfahrungen passiert, sondern integriert und verwoben mit anderen Lernzielen wie fachlichen Kompetenzen oder Persönlichkeitseigenschaften. Mein Eindruck ist, dass gute Pädagoginnen und Pädagogen das intuitiv so machen: Sie verweben die verschiedenen Lernziele zu einem Zopf, also zum Beispiel Mathematik, Zusammenarbeit, Kreativität, Neugier und Resilienz in einer Lerneinheit konzipieren."
Was sollte Bildungspolitik Ihrer Meinung nach priorisieren, um sicherzustellen, dass kein Kind in puncto Zukunftskompetenzen abgehängt wird?
"Ein entscheidender Punkt ist für mich das Timing: Wir tun manchmal so, als wären Zukunftskompetenzen ein Thema, bei dem wir noch Zeit haben. Als ginge es um Kompetenzen, die erst in ferner Zukunft relevant werden und deswegen auch nicht so dringend seien. Aber das Gegenteil ist der Fall! Hinter fast allen 'Zukunftskompetenzen' verbirgt sich eine Kompetenz, die heute schon relevant ist. Die Sache ist dringend!"
Das Wichtigste in Kürze:
- Neugier und "Lernen zu lernen" sind laut Bildungsexperte Jöran Muuß-Merholz essenzielle Zukunftskompetenzen.
- Open Educational Resources (OER) ermöglichen freien Zugang zu Lernmaterialien und fördern Innovation.
- Lehrkräfte sollten kontinuierlich lernen, um digitale Kompetenzen besser zu vermitteln.
- 21st Century Skills wie Kreativität und Zusammenarbeit müssen stärker mit dem Fachunterricht verknüpft werden.