Wer das Rennen um die Lehrlinge macht

Wie starke Arbeitgebermarken junge Talente anziehen – und halten.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Game Changer:innen

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Connie Wagenhofer

Illustration, auf der eine Hand mit einem Magneten einen jungen Menschen auswählt i
ink drop | stock.adobe.com

Gute Lehrlinge zu finden, ist das eine. Mit gutem Employer Branding bleiben die Fachkräfte von morgen auch im Unternehmen. 

7.000 Lehrstellen konnten rein im Vorjahr nicht besetzt werden. Um Lehrlinge zu gewinnen, müssen Unternehmen attraktiv für junge Leute werden. Wie sie das am besten machen und welche Unternehmen in diesem Rennen die Nase vorn haben, haben wir mit den beiden Expertinnen für Employer Branding & Experiences Sonja Zant und der Soziologin Finja Pfundner in einem großen Interview besprochen. Wesentlicher Punkt: Die Arbeitgebermarke muss erlebbar sein und sich gegenüber dem Mitbewerb unterscheiden.

Vor allem große Unternehmen sind teils sehr innovativ, wenn’s um Employer Branding geht, das sich spezifisch an Lehrlinge richtet. Gibt es Konzepte, die Sie besonders beeindruckend fanden?

Sonja Zant: Beeindruckend sind grundsätzlich Konzepte, die sich im starken Wettbewerb am Arbeitsmarkt differenzieren können als auch eine Beziehung zu ihren (zukünftigen) Mitarbeiter:innen herstellen können, indem sie ihre Arbeitgebermarke in der Innen- und Außenwahrnehmung konsequent erlebbar machen. Das ist die Super-Power einer identitätsstiftenden Arbeitgebermarke. Diese muss partizipativ erarbeitet werden, um die gesamte Wirkung für alle Generationen zu entfalten. In Unternehmen, wo Identifikation hoch ist, sind die Herausforderungen bei Recruiting, Fluktuation und Weiterempfehlung kleiner.

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Sichtbarkeit und Wertschätzung für Lehrlinge wichtig

Finja Pfundner: In Bezug auf die aktuell jüngste Generation am Arbeitsmarkt, die Gen Z, sind das Besetzen von Lehrstellen und das Senken der Drop-Out-Quote zentrale Themen. Damit sind wir auch bei einer veränderten Werthaltung in den Unternehmen, die die Begleitung vom Lehrling zur Fachkraft von morgen glaubhaft erlebbar machen muss. Beispiele für aktuelle Lehrlingskampagnen liefern die ÖBB, die Wiener Stadtwerke und natürlich auch die Erfolgsgeschichten auf #schaffenwir.

Was bewirken solche Kampagnen?

Finja Pfundner: Wenn Unternehmen auf zielgruppen-relevanten Kanälen zeigen, dass Lehrlinge im Unternehmen sichtbar sind, Wertschätzung erfahren, mitgestalten dürfen und natürlich eine wesentliche Leistung für den Erfolg des Unternehmens und für uns als Gesellschaft erbringen, vermittelt das der Zielgruppe Zugehörigkeit und Unterscheidbarkeit.

Das empfinde ich als Expertin als zielgruppengerecht. Aber die Reise geht noch weiter, denn diese Art der Kampagne hat auch eine interne Wirkung. Die Mitarbeiter:innen bringen sich hier mit ihren eigenen Ideen ein und bekommen Sichtbarkeit. Das wird neuen Talenten über die Art der Kampagne dann auch versprochen, wenn sie in das Unternehmen kommen und ist für die Bindung der jungen Generation besonders wichtig.

Soziologin Finja Pfunder i
Brainds

Die Lehrlinge von heute sind schließlich die Fach- und Führungskräfte von morgen und sollten sich entwickeln können.

Soziologin Finja Pfundner

Das bringen Recruiting-Kampagnen auf TikTok

Was halten Sie von der Initiative vieler Betriebe, Kampagnen auf TikTok zu fahren, teils auch in Kooperation mit jugendlichen Influencern. Ist diese Strategie mittel- und längerfristig erfolgsversprechend?

Finja Pfundner: Um neue junge Talente zu finden, scheint TikTok erstmal ein geeigneter Kanal zu sein, weil sich die Zielgruppe auf dieser Plattform bewegt. Das ist aber aus meiner Sicht nicht ganz zu Ende gedacht, weil es nicht damit getan ist, neue Talente zu finden. Es kommt danach eine langfristige, größere Aufgabe auf die Unternehmen zu: die Mitarbeiter:innenbindung.

Die Lehrlinge von heute sind schließlich die Fach- und Führungskräfte von morgen und sollten sich entwickeln können. Das verstehen wir als generationenübergreifende Reise, an der alle Mitarbeiter:innen und Führungskräfte gemeinsam beteiligt sein müssen. Dann kann die Zugehörigkeit zur Arbeitgebermarke im Innen und Außen erlebt werden. Diese Strategie wird mittel- und langfristig zum Erfolg führen.

Was muss man dabei besonders beachten?

Finja Pfundner: Aus Studien wissen wir, dass die Fluktuationsrate gerade in der jüngeren Zielgruppe sehr hoch ist. Das bedeutet auch, dass eine Kampagne auf TikTok nicht darüber entscheidet, ob die neuen Lehrlinge in einem Unternehmen mittelfristig bleiben und langfristig die Fachkräfte werden.

Unternehmensidentität muss sich konsistent widerspiegeln

Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Kampagne die Unternehmensidentität konsistent widerspiegelt. Wichtig ist nämlich, dass die Unternehmen im Innen auch halten können, was sie im Außen versprechen. Arbeitgebermarken dienen dabei als Inszenierungs-Rahmen, zu dem TikTok als Kanal auch passen muss – nicht nur für die Zielgruppe, sondern auch für das Unternehmen selbst. Sonst wird etwas versprochen, dass nicht gehalten wird und die neu gefunden Talente verlassen das Unternehmen schnell wieder. 

Employer Branding-Spezialistin Sonja Zant i
Brainds

Kleine Unternehmen haben unabhängig vom Budget dafür wesentlich mehr Freiheiten und können oftmals schneller agieren und einfach mal ausprobieren.

Sonja Zant, Partnerin bei Brainds Marken und Design

Ist eine erfolgreiche Kampagne auf TikTok und anderen Sozialen Medien eine Frage des Budgets oder kann man hier auch mit einfachen Mitteln zu einem Erfolg kommen?

Sonja Zant: Es ist primär eine Frage der Kreativität, wie einzigartig das Unternehmen seine Unterscheidbarkeit zu anderen Arbeitgeber:innen darstellen und den Lehrlingen das Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln kann. Das ist der Schlüssel zum Erfolg, egal wie groß das Budget ist.

Kleine Unternehmen haben größere Freiheiten

Große Unternehmen haben meist auch ein großes Budget für HR. Was können kleinere Unternehmen tun, um sich für künftige Lehrlinge attraktiver zu positionieren?

Finja Pfundner: Ein großes Budget kann ein großer Hebel für ein Unternehmen sein, dafür müssen die Ressourcen aber auch strategisch eingesetzt werden. Kleine Unternehmen haben unabhängig vom Budget dafür wesentlich mehr Freiheiten und können oftmals schneller agieren und einfach mal ausprobieren.

Gibt es No-Gos?

Finja Pfundner: Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Es geht nicht nur darum, neue Lehrlinge zu finden, sondern auch darum, sie anschließend zu binden. Partizipation entlang des gesamten Lebenszyklus von (zukünftigen) Mitarbeiter:innen ist, wie das Beispiel TikTok zeigt, nicht nur "best practice", es ist "only practice". Es geht um Teilhabe. Und auch die nächste Generation alpha wartet schon mit den nächsten Kanälen, die mit Sicherheit gemeinsam mit ihnen entwickelt und bespielt werden müssen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Um Lehrlinge anzusprechen, muss die Arbeitgebermarke erlebbar sein und sich gegenüber dem Mitbewerb unterscheiden.
  • Dazu müssen Unternehmen auf zielgruppen-relevanten Kanälen zeigen, dass Lehrlinge im Unternehmen sichtbar sind, Wertschätzung erfahren und mitgestalten dürfen.
  • Recruiting-Kampagnen auf TikTok können Interessent:innen ansprechen, es ist aber wichtig, diese auch langfristig ans Unternehmen binden zu können.
  • Hier ist wichtig, dass die Unternehmen im Alltag auch halten können, was sie beim Recruiting versprechen
  • Während große Unternehmen mehr Recruiting-Budget haben, haben kleinere Unternehmen mehr Freiheiten und können schneller agieren und einfach unterschiedliche Ansätze ausprobieren.