EU-Plan für leistbare Energie: Gute Absichten reichen nicht

Affordable Energy Action Plan: Chance für Betriebe – oder zu wenig Tempo?


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  • Wissenshungrige
  • Game Changer:innen

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Peter Draxler

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Die EU will mit einem neuen Aktionsplan Energie leistbarer machen. Warum das wichtig ist – und was jetzt rasch passieren muss, erklärt WKÖ-Expertin Renate Kepplinger.

Mit dem neuen Affordable Energy Action Plan 2025 will die EU-Kommission die Energiepreise in Europa senken. Doch reichen die geplanten Maßnahmen aus? Renate Kepplinger, Referentin in der Abteilung für Umweltpolitik in der WKÖ, erklärt im MARI€-Interview, wo der Plan überzeugt und wo Nachschärfungen nötig sind, damit heimische Betriebe auch wirklich entlastet werden.

Das steckt hinter dem Affordable Energy Action Plan

Frau Kepplinger, die EU-Kommission hat mit dem Affordable Energy Action Plan einen umfassenden Plan zur Senkung der Energiepreise vorgelegt. Was ist das zentrale Ziel dieses Plans?

Renate Kepplinger: Das zentrale Ziel ist klar: Energie soll wieder leistbar werden – für Unternehmen wie für Konsument:innen. Auch der Europäischen Kommission ist bewusst, dass europäische Unternehmen und Konsumenten immer noch höhere Energiekosten spüren als vor der Energiekrise 22/23. Um damit umzugehen, bündelt der Plan 8 Maßnahmenpakete, die sich 4 großen Zielen widmen: Von der Senkung der Energiepreise über bessere Investitionsbedingungen bis hin zur Stärkung der Krisenresilienz und der Vollendung der Energieunion.

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So wirkt sich der Plan auf Betriebe in Österreich aus

Die EU-Kommission rechnet mit Einsparungen von bis zu 260 Milliarden Euro pro Jahr bis 2040. Wie realistisch sind solche Prognosen?

Kepplinger: Die Zahlen klingen natürlich beeindruckend, basieren aber zum aktuellen Zeitpunkt nur auf Annahmen zu Energieeffizienz, digitaler Infrastruktur und einer tiefer integrierten Energieunion. Grundsätzlich muss man hier mehrere Aspekte beachten. Zum einen liegt das Jahr 2040 fünfzehn Jahre in der Zukunft. Wir müssen sicherstellen, dass Österreich bis dahin ein guter Wirtschaftsstandort bleibt. Dafür ist es wichtig, dass wir Möglichkeiten finden, Unternehmen auch kurzfristig zu entlasten.

Zweitens heißt eine gesamteuropäische Einsparung von 260 Milliarden Euro pro Jahr nicht, das davon alle Mitgliedstaaten völlig gleichmäßig profitieren werden. Wer am meisten profitiert, wird stark davon abhängen, wie Mitgliedstaaten die Möglichkeiten, welche die EU ihnen bietet, national auch wirklich umsetzen werden.

Nicht zuletzt ist ein Aktionsplan der Kommission kein verbindliches legislatives Dokument. Der Aktionsplan kann mehr als eine Absichtserklärung verstanden werden, in welchem die Kommission Maßnahmen ankündigt, welche sie in den nächsten Jahren und Monaten vorlegen möchte. Wie diese sich konkret auswirken, hängt natürlich von der inhaltlichen Ausgestaltung der Maßnahmen ab. Handelt es sich um Vorschläge für Verordnungen oder Richtlinien, müssen diese auch mit Rat und Parlament noch verhandelt werden. Auch hierbei sind die einzelnen Entwicklungen noch nicht absehbar.

Ob diese angekündigten Einsparungen wirklich eintreten, hängt also stark von der Ausgestaltung und Umsetzung ab, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene. Hier fehlen einfach noch viele wesentliche Informationen.

Stärken und Schwächen des Affordable Energy Action Plans

Aus Sicht der österreichischen Wirtschaft betrachtet: Wo liegen die Stärken des Affordable Energy Action Plans, wo die Schwächen?

Kepplinger: Zu begrüßen ist sicherlich die systematische Herangehensweise der EU-Kommission – das Thema Energiepreise wird endlich umfassend adressiert. Es ist absolut wichtig, dass man sich auf europäischer Ebene bewusst ist, mit welchen Herausforderungen Unternehmen in der Realität wirklich konfrontiert sind.

Zum Teil liegt der Fokus zu stark auf dem Bereich Strom. Hier muss bedacht werden, dass es sich dabei nur um einen, wenn auch sehr wichtigen Teil, der europäischen Energieversorgung handelt. Außerdem ist es fraglich, ob mit den Vorschlägen kurzfristige Entlastungen bei den Unternehmen erreicht werden können. Denn bis 2027 sollen viele Entwürfe erst vorliegen. Bis diese dann umgesetzt sind, wird noch weitere Zeit vergehen. Diese Zeit haben mache Unternehmen nicht. Sie würden im internationalen Wettbewerb stark verlieren.



Renate Kepplinger i
WKÖ

Ich würde mir von allen Verantwortlichen wünschen, so schnell wie möglich aktiv zu werden und Maßnahmen umzusetzen, nicht nur vorzuschlagen. Unser Wirtschaftsstandort kann sich keine Verzögerungen leisten.

Renate Kepplinger, Referentin in der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik der WKÖ

Zudem sind viele der Maßnahmen lediglich geplante Leitlinien und Pläne. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, wie Elektrifizierung, Schaffung eines Unterstützungsrahmens für Power-Purchase-Agreements, Einführung dynamischer Stromtarife oder effizientere Genehmigungsverfahren. Mitgliedstaaten hätten jetzt schon die Möglichkeit hierbei aktiv zu werden und müssen nicht auf zusätzliche europäische Vorgaben warten. Jetzt wäre der Moment, rasch und konsequent zu handeln.

Chancen durch Investitionen & Infrastruktur

Welche Rolle spielen Investitionen und notwendige Anreize?

Kepplinger: Investitionen spielen auf jeden Fall eine große Rolle. Wir brauchen sie, um das Angebot zu erhöhen, aber auch, um den Ausbau der notwendigen Infrastruktur voranzutreiben, welchen wir u.a. auch zur Vollendung der gemeinsamen Energieunion brauchen. Es geht darum, die richtigen Rahmenbedingungen hierfür zu schaffen. Dass das ein eigener Punkt im Plan ist, ist vielversprechend – aber solche Instrumente müssen mit Leben gefüllt werden, sonst bleiben sie schöne Theorie. Ein Beispiel: tripartite Verträge zwischen Staat, Produzenten und Großverbrauchern klingen wie ein guter Ansatz. Aber aktuell ist der Plan zu unkonkret, wie diese praktisch ausgestaltet werden sollen.  

Schwächen bei Tempo und Umsetzung

Abschließend: Was würden Sie sich noch ergänzend zum vorliegenden Plan wünschen?

Kepplinger: Zwei wesentliche Aspekte sollten unbedingt noch angegangen werden. Es fehlt eine klare Strategie zur Stärkung des gesamten Primärenergieangebots. Die hohen Preise sind zu einem großen Teil das Ergebnis eines zu geringen Angebots. Ohne eine Erhöhung wird sich wenig an der Preisfront ändern.

Nicht zuletzt brauchen wir die Möglichkeit in Krisenzeiten, das Durchschlagen der hohen Preise eines Energieträgers auf den anderen zu verhindern. Als WKO fordern wir schon lange die Implementierung einer automatischen temporären Entkoppelung von Strom- und Gaspreis in Krisenzeiten zum Beispiel nach dem Vorbild der iberischen HalbinselWesentlich ist hierbei, dass alle Maßnahmen zur Entkoppelung der Strommärkte oder sonstige Eingriffe in die Strompreisbildung auf europäischer Ebene erfolgen. Der Aktionsplan würde diese Möglichkeit auf nationaler Ebene ermöglichen. Das würde für Österreich als kleines, stark mit seinen Nachbarländern vernetztes Land aber nur hohe Kosten und keinen Effekt bringen. Denn der günstige Strom würde in die Nachbarländer abfließen.

Ich würde mir von allen Verantwortlichen – auf europäischer und nationaler Ebene – wünschen, so schnell wie möglich aktiv zu werden und Maßnahmen umzusetzen, nicht nur vorzuschlagen. Unser Wirtschaftsstandort kann sich keine Verzögerungen leisten.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die EU-Kommission will mit dem Affordable Energy Action Plan 2025 die Energiepreise europaweit senken – durch acht Maßnahmenpakete zu Investitionen, Resilienz und Marktintegration.
  • Viele geplante Schritte sind langfristig angelegt – konkrete Entlastungen für heimische Unternehmen lassen auf sich warten.
  • Der Plan fokussiert stark auf Strom – andere Energieträger und die Ausweitung des Energieangebots bleiben unterbelichtet.
  • Die Umsetzung der Maßnahmen ist unklar: Es fehlen verbindliche Vorgaben, Zeitpläne und nationale Initiativen.
  • Die WKÖ fordert europäische Lösungen, etwa eine automatische Entkoppelung von Strom- und Gaspreisen in Krisenzeiten – national hätte das für Österreich keine Wirkung.