Das Jahr 2022 ist noch jung, die Wachstumsaussichten sehr positiv, aber die Risiken für die Weltwirtschaft sind so hoch wie lange nicht. Ein Überblick.
Das Jahr 2022 verspricht das erste Jahr seit Beginn der Corona-Pandemie zu werden, in dem Covid-19 nicht mehr der Haupttreiber der wirtschaftlichen Entwicklung ist. Trotzdem sind die Risiken für das globale Wachstum im Jahr 2022 vielfältig – von Lieferkettenengpässen über Energiepreise, Arbeitskräftemangel, die Entwicklung des privaten Konsums, bis zur Geldpolitik, Fiskalpolitik und Unsicherheiten in Bezug auf China und last, not least, Klimaschutzmaßnahmen. Diese neun Themen solltest du in Sachen Weltwirtschaft heuer besonders im Auge behalten:
- Corona-Pandemie (mehr Infos)
- Lieferkettenengpässe (mehr Infos)
- Energiepreise (mehr Infos)
- Arbeitskräftemangel (mehr Infos)
- Privater Konsum (mehr Infos)
- Geldpolitik (mehr Infos)
- Fiskalpolitik (mehr Infos)
- Entwicklung des chinesischen BIPs (mehr Infos)
- Klimaschutz und Greenflation (mehr Infos)
Big Picture: Die 9 größten Risiken
Du willst noch mehr wissen...? Die ausführliche Analyse der Abteilung für Wirtschafts- und Handelspolitik in der WKÖ findest du HIER.
1. Corona-Pandemie: Das Streben nach Herdenimmunität
Die Corona-Pandemie – mit all ihren wirtschaftlichen Auswirkungen – wird auch im Jahr 2022 viele Wendungen nehmen. Erfreulicherweise haben wir mittlerweile viele Werkzeuge zur Verfügung, um die schlimmsten Folgen zu verhindern. Es könnte im Laufe des Jahres dazu kommen, dass die Pandemie sich in eine endemische Situation umwandelt. Neue Medikamente könnten zudem dafür sorgen, dassCovid nur mehr für die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen eine Gefahr darstellt.
Numbers to watch: Bis zum 10.02.2022 wurden 53,73 % der Weltbevölkerung komplett gegen Covid-19 geimpft. Bis Ende 2022 wird erwartet, dass der Anteil auf über 80 % ansteigt.
2. Lieferkettenengpässe: Entspannung in Sicht?
Die rasante wirtschaftliche Erholung und das veränderte Nachfrageverhalten hin zu physischen Gütern haben zusammen mit den gesundheitspolitischen Beschränkungen zu ausgeprägten Lieferkettenproblemen geführt. Es kann als enormer Erfolg der globalisierten Wirtschaft gewertet werden, dass sie anpassungsfähig genug ist, um Engpässe trotz immer neuer Angebotsschocks abzubauen. Für 2022 ist und bleibt die "Zero Covid"-Politik von China das große Fragezeichen. Sollten die Behörden weiter daran festhalten, würde dies die Lieferketten auch 2022 unter Spannung halten.
Wenn es allerdings zu keinen zusätzlichen unvorhergesehenen und negativen Schocks durch die Pandemie kommt, ist zu erwarten, dass die Lieferschwierigkeiten im Laufe des Jahres weiter abnehmen. Die Halbleiterknappheit wird jedoch voraussichtlich das ganze Jahr über bestehen bleiben.
Numbers to watch: Im Dezember 2021 befand sich der "Global Supply Chain Pressure Index" über 4 Standardabweichungen vom langjährigen Mittelwert entfernt. Im Dezember 2021 ist der Index jedoch leicht gefallen, was hoffen lässt, dass mit Ende 2021 auch der Höhepunkt der Lieferkettenprobleme überschritten ist.
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3) Die Energiepreiskrise und die Abhängigkeit von Russland
Gegen Ende 2021 schwappte die Energiekrise von China auf Europa über. Die EU konnte sich durch die Liberalisierung des Erdgasmarktes zwar teilweise von Russland emanzipieren, machte sich jedoch auf der anderen Seite von einem Weltmarkt abhängig, der zunehmend von Chinas steigendem Energieverbrauch geprägt ist. Im Verlauf von 2022 erwarten die Expertinnen und Experten einen Rückgang der hohen Energiepreise, allerdings bleiben zumindest die Gaspreise über dem Vorkrisenniveau. Die Abhängigkeit von Russland wird bestehen bleiben.
Deshalb stellt die Unsicherheit bezüglich russischer Gaslieferungen weiterhin ein starkes Aufwärtsrisiko für die Energiepreise – und damit die Inflation - dar.
Numbers to watch: Nachdem sich die erwartete Nachfrageschwäche durch die Verbreitung von Omikron nicht einstellt, ist der Erdölpreis wieder auf rund 85 USD/Barrel gestiegen. Die OPEC hat zwar angekündigt, einen Ölpreis von über 100 USD vermeiden zu wollen, allerdings dürfte der Markt aufgrund niedriger Reserven im ersten Quartal noch volatil bleiben.
4. Arbeitskräftemangel bleibt größte Herausforderung für Unternehmen
Laut aktueller "Business and Consumer Survey" der Europäischen Kommission meldeten im Jänner 2022 mehr als ein Viertel der europäischen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors einen Mangel an Arbeitskräften als produktionshemmenden Faktor. Der Anteil der Dienstleistungsunternehmen in Österreich, der mit einem Mangel an Arbeitskräften konfrontiert ist, liegt bei 31 %. Dies ist der höchste Anteil seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1982.
Aufgrund des Arbeitskräftemangels besteht die Gefahr, dass der bevorstehende Konjunkturaufschwung abgebremst wird. Darüber hinaus kann der Arbeitskräftemangel die Erreichung der ambitionierten Ziele zur Energiewende gefährden. Zur Sicherung des Arbeitskräftebedarfs muss an vielen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden. Notwendig sind beispielsweise eine Steigerung der Mobilität am Arbeitsmarkt, eine Verbesserung von Qualifizierungsmaßnahmen, ein Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte oder eine Erhöhung des effektiven Pensionsantrittsalters.
5. Privater Konsum von Unsicherheit geprägt
Selbst wenn keine neuen COVID-19-bedingten Verschärfungen beschlossen werden, dürften freiwillige Einschränkungen beim Mobilitätsverhalten zusammen mit Lieferengpässen den privaten Verbrauch im ersten Quartal 2022 bremsen. Ein Teil der während der Pandemie angelegten globalen Ersparnisse wird 2022 für mehr Konsum verwendet. Gegen Ende des Jahres befindet sich das Konsumverhältnis von Gütern und Dienstleistungen voraussichtlich wieder nahe dem Vorkrisenniveau.
Numbers to watch: Im 3. Quartal 2021 ist der inflationsbereinigte Konsum von dauerhaften Gütern in Österreich im Vergleich zum Vorquartal um 7 % angestiegen.
6. Geldpolitik: Zentralbanken vor wichtigen Entscheidungen
Während in der EU die Inflation zum größten Teil auf die stark gestiegenen Gaspreise zurückzuführen ist, sind die Preissteigerungen in den USA breiter in der Volkswirtschaft verteilt. Zusammen mit der sehr viel geringeren Arbeitslosigkeit hat die Fed im Gegensatz zur EZB ihr Anleihekaufprogramm bereits eingestellt und plant für 2022 bereits mehrere Leitzinserhöhungen. Die EZB wird ihr Notfallankaufprogramm (PEPP) voraussichtlich bis März beenden, jedoch zum Beruhigen der Märkte die standardmäßigen Ankaufprogramme ausweiten.
Ende des Jahres soll die Inflation im Euroraum nur mehr knapp über 2 % zu liegen kommen, trotz starkem Wirtschaftswachstum.
Numbers to watch: Die monatlichen Anleihekäufe der EZB betrugen im Dezember 2022 etwa 80 Mrd. Euro und werden bis Oktober 2022 auf voraussichtlich 20 Mrd. Euro reduziert.
7. Fiskalpolitik: Reform der Schuldenregeln
Es ist allgemein bekannt, dass die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegten Schuldenregeln schon immer schwierig einzuhalten waren. Im Laufe des Jahres 2022 plant die Europäische Kommission deshalb eine Reform der Regeln, damit sie ab Inkrafttreten 2023 tatsächlich eingehalten werden können. Besonders wichtig ist es dabei zu definieren, wie man die notwendigen Investitionen für das Erreichen der Net-Zero-Ziele mit den Schuldenregeln in Einklang bringt.
Am wahrscheinlichsten ist ein Kompromiss, der zwar die 60 %-Regel als langfristiges Ziel für die Staatschuldenquote beibehält, aber den Zeitplan an die Gegebenheiten der einzelnen Mitgliedsstaaten anpasst.
Numbers to watch: Die Zinslücke zwischen 10-jährigen Staatsanleihen von Deutschland zu jenen von Italien betrug am 14. Jänner 2022 - 1,38 Prozentpunkte. Das heißt, dass für italienische Staatsanleihen im Vergleich zu jenen von Deutschland eine Risikoprämie in Höhe von 1,38 Prozentpunkten verlangt wurde.
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8. China: Beitrag zum globalen BIP-Wachstum sinkt
Vor zwei Jahren galt die chinesische Wirtschaft noch als unaufhaltsam, heute ist sie gleich von mehreren Seiten unter Druck. Dazu zählen ein möglicher Immobiliencrash, sinkende Bevölkerungszahlen, Crackdowns im Technologiesektor und eine angesichts von Omikron fragwürdigen "Zero Covid"-Politik. Neben den wirtschaftlichen (und demografischen) Ungleichgewichten sorgen angespannte Handels- und Sicherheitsbeziehungen zwischen China und den USA für Unsicherheit - und Europa sitzt hier zwischen den Stühlen.
Numbers to watch: Zwischen 2010 und 2019 betrug das durchschnittliche BIP-Wachstum der Volksrepublik China rund 7,6 %.
9. Der Klimaschutz und seine Kosten: Greenflation
Die Intensität von klimabedingten Ereignissen nimmt weltweit zu. Damit steigt das globale Risiko einer größeren Klimakatastrophe, die massive Versicherungsschäden, Versorgungsengpässe oder Spillover-Effekte auslösen könnte. Außerdem haben die über Jahre hinweg zu geringen Investitionen in die Energiewende zu einem enormen Aufholbedarf geführt, sofern die Klimaziele erfüllt werden sollen. Für den Bau von Solarpaneelen und Windrädern benötigte Metalle wie Kupfer und Aluminium sind in den letzten Monaten stark im Preis gestiegen.
Sollte das Angebot nicht ausgebaut werden, könnten sie sich durch eine rasch steigende Nachfrage weiter verteuern – Stichwort: Greenflation.
Numbers to watch: Mitte Jänner 2022 kostete ein EU-ETS-Emissionszertifikat rund 80 Euro pro Tonne CO2. Die deutsche Bundesregierung hat angekündigt, einen nationalen Mindestpreis von 60 Euro/t einführen zu wollen bzw. sich für einen EU-weiten Mindestpreis einzusetzen, sollte der Preis der ETS-Zertifikate auf unter 60 Euro/t fallen.