Weihnachts­shopping: Der Dezember-Dopamin-Effekt

So ändert sich die Hirnchemie beim Weihnachtsshopping.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Wirtschaftseinsteiger:innen

Lesedauer:

4

Minuten

AutorIn: David Sievers

Frau von hinten beim Weihnachtsshopping i
Darunee | stock.adobe.com

Mit dem frohen Fest in Sichtweite mischen sich Vorfreude, Nähe und ein ordentlicher Dopamin­schub zu einem ganz eigenen Einkaufs­rhythmus. Warum wir im Advent anders einkaufen, erklärt Konsum­psychologe Josef Sawetz.

Ein neues Buch, ein schönes Kleidungsstück, ein kleines Geschenk und der Tag fühlt sich plötzlich leichter an. Viele Menschen kennen dieses Gefühl, wenn Einkaufen kurzfristig die Stimmung hebt

Retail Therapy – der kleine Stimmungsbooster im Advent

Dieses Phänomen ist unter dem Begriff "Retail Therapy" bekannt. In der Konsumforschung beschreibt er eine Form der kurzfristigen Stimmungsregulation, die vor allem bei Stress oder emotionalen Defiziten greift.

"Wenn man irgendwo ein Defizit empfindet und mit sich oder der aktuellen Situation unzufrieden ist, holt man sich positive Emotionen über verschiedene Wege", erklärt Konsumpsychologe Josef Sawetz. Das können soziale Kontakte, Bewegung oder Erlebnisse sein. "Wenn das alles gerade nicht verfügbar ist, gibt es eine Möglichkeit, die immer da ist: Shopping."

Wenn Hirnchemie auf Lichterketten trifft

Dass dieser Mechanismus im Advent besonders stark wirkt, überrascht wenig. Einkaufen ist in der Weihnachtszeit nicht nur leicht verfügbar und emotional aufgeladen, sondern auch gesellschaftlich erwünscht.

Geschenke gehören eben zum Fest dazu.

Der Handel schafft dafür frühzeitig die passenden Rahmenbedingungen, etwa mit Aktionen wie der Black Week, Sonderangeboten und stimmungsvollen Inszenierungen. Diese Atmosphäre, Licht und Gestaltung beeinflussen das Kaufverhalten nachweislich. 

VIDEO: Der Dezember-Dopamin-Effekt: Warum wir im Advent anders einkaufen

So treffen im Advent das nahe Jahresende, vertraute Rituale, Vorfreude und soziale Erwartungen auf eine Umgebung, die alle Sinne anspricht.

Die Folge: Die Hirnchemie läuft auf Hochtouren.

Dopamin – der Motor der Vorfreude

Dopamin ist ein zentraler Botenstoff für Motivation und Erwartung. Er wird aktiviert, wenn wir uns auf etwas freuen oder eine Belohnung erwarten.

Das beginnt nicht erst beim Kauf, sondern bereits beim Stöbern, Vergleichen und Planen.

Sawetz erklärt diesen Effekt evolutionär: "Viele Mechanismen in unserem Gehirn sind Steinzeitprogrammierungen. Biologisch hat sich unser Gehirn seit rund 30.000 Jahren kaum verändert, während sich unsere Umwelt extrem schnell entwickelt hat."

Als sogenanntes "Mängelwesen" wusste der Mensch lange Zeit nicht, ob auch morgen noch ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen würden. Das früher überlebenswichtige Jagen, Sammeln und Dinge-nach-Hause-bringen aktiviert bis heute das Belohnungssystem.

Im Advent geschieht das besonders häufig, ausgelöst durch gute Angebote, sinnliche Reize und die ständige Aussicht auf Belohnun

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Oxytocin – Nähe als Kaufantrieb

Neben Dopamin spielt auch Nähe eine wichtige Rolle beim vorweihnachtlichen Einkaufen. Oxytocin ist jenes Hormon, das mit Bindung, Vertrauen und sozialer Verbundenheit in Verbindung gebracht wird.

"Wir sind soziale Wesen", erklärt Josef Sawetz. "Wir sind dann zufrieden, wenn Geben und Nehmen in einer halbwegs ausgewogenen Balance stehen."

Geschenke erfüllen genau diese Funktion. Sie sind Ausdruck von Beziehungspflege, Wertschätzung und Zugehörigkeit.

Gerade in der Weihnachtszeit wird Schenken zu einem sozialen Ritual, das Nähe schafft. Das gilt innerhalb der Familie ebenso wie im Freundes- oder Kollegenkreis.

Nostalgie – der Sicherheitsfaktor im Kopf

Viele Menschen erinnern sich an eine Zeit, in der Weihnachten noch einen besonderen, unbeschwerten Zauber hatte. Diese Sehnsucht, dieses Gefühl wieder aufleben zu lassen, tragen viele bis ins Erwachsenenalter mit.

Nostalgie wirkt deshalb als zusätzlicher Verstärker für das Weihnachtsgeschäft.

Rituale, vertraute Abläufe und wiederkehrende Geschenkideen geben Orientierung und Sicherheit. Gleichzeitig aktivieren sie positive Erinnerungen an frühere Weihnachtserlebnisse.

Dopamin, Oxytocin und Nostalgie wirken im Advent nicht isoliert, sondern gemeinsam. Diese emotionale Verdichtung macht den Dezember zu einem besonderen Konsummonat.

Tipps für den Handel: Was wir aus diesen Mustern lernen können

Aus Sicht von Dr. Sawetz brauchen Kundinnen und Kunden vor Weihnachten vor allem zwei Dinge: "Gute Preise, wenn sie wissen, was sie wollen, und gute Ideen, wenn sie es noch nicht wissen."

  • Tipp #1 – Zur richtigen Zeit die richtigen Angebote machen: Kundinnen und Kunden mit klaren Kaufplänen schätzen zeitlich gut platzierte Aktionen, mit denen sich Einkaufslisten effizient abarbeiten lassen.
  • Tipp #2 – Inspiration statt Entscheidungsstress bieten: Kreativ präsentierte Produktideen, Geschenksets und Pakete helfen Unentschlossenen und machen den Einkauf zum positiven Erlebnis.

Fazit: Ein Monat voller Gefühl und Hirnchemie

Der Advent ist kein normaler Konsummonat, sondern ein emotionaler Verstärker. Hirnchemie, Rituale und Vorfreude greifen ineinander und prägen das Kaufverhalten.

Josef Sawetz fasst die ambivalente Lage so zusammen: "Unser Steinzeithirn will Besitz anhäufen, aber Besitz kann auch belasten. Jede Person sollte für sich das richtige Maß für ein glückliches und erfülltes Leben finden."

Zwischen Lichterglanz und Einkaufslisten liegt genau darin die Chance: bewusst konsumieren und Weihnachten mit Gefühl, Sinnlichkeit und passenden Geschenken genießen.

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Weihnachtsshopping aktiviert Dopamin, Oxytocin und Nostalgie zugleich.
  • "Retail Therapy" wirkt im Advent besonders stark durch Stimmung, Rituale und Erwartungen.
  • Bewusstes Planen hilft Konsument:innen, entspannt einzukaufen.
  • Der Handel profitiert von klaren Angeboten und inspirierenden Ideen.