Wie Österreichs Wirtschaft vom Brexit betroffen ist und warum das Vereinigte Königreich auch 5 Jahre nach dem EU-Austritt ein attraktiver Markt bleibt.
Das Vereinigte Königreich ist heute die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt und Nummer 2 in Europa. Mit seinen Top-Universitäten, einem starken Dienstleistungssektor und kultureller Ausstrahlung beeinflusst das Land die Welt.
Mit dem Referendum am 23. Juni 2016 hat sich Großbritannien für den Austritt aus der EU entschieden. Am 31. Jänner 2025 jährt er sich zum 5. Mal: Der Brexit, einst von knappen 52% der britischen Wähler befürwortet, erfolgte vor 5 Jahren – mit weitreichenden Konsequenzen für das Vereinigte Königreich und seine Handelspartner. Zeit, eine Bilanz zu ziehen über den endgültigen Austritt aus der EU. Welche Auswirkungen hat der Brexit auf die britische Wirtschaft und die Handelsbeziehungen zu Österreich? Und warum bleibt Großbritannien trotz aller Hürden ein spannender Markt für Exporteure?
Die Schattenseiten des Brexit: Wirtschaftliche Herausforderungen
Der Brexit hat Großbritannien grundlegend verändert – und in einigen Bereichen für Herausforderungen verursacht, die das Land beschäftigen:
Herausforderung #1: Erschwerter Handel mit der EU
Großbritannien ist heute ein Drittland, und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr mit der EU gehört der Vergangenheit an. Zwar gibt es das Handels- und Kooperationsabkommen Trade and Cooperation Agreement, TCA), das Zölle vermeidet, doch komplexe Ursprungsregeln und zusätzliche Bürokratie belasten – vor allem kleine und mittlere - Unternehmen. Laut einer aktuellen Studie liegen die britischen Warenexporte in die EU für die Jahre 2021 bis 2023 um 27% (und die Importe aus der EU um 32%) niedriger als wenn das Land noch EU-Mitglied wäre. Der britische Rechnungshof schätzt zudem, dass allein die neuen Grenzkontrollen den Staat bisher über 5 Milliarden Pfund gekostet haben.
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Herausforderung #2: Fachkräftemangel
Durch das Ende der Personenfreizügigkeit hat Großbritannien mit einem massiven Mangel an qualifizierten Fachkräften zu kämpfen. Besonders betroffen sind Branchen wie Bau, Logistik und Gastronomie, die traditionell stark auf EU-Arbeitskräfte angewiesen waren.
Herausforderung #3: Zusätzlicher Aufwand und Kosten
Neue Zollverfahren, Grenzkontrollen und administrative Prozesse haben die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes im Vereinigten Königreich beeinträchtigt. Gleichzeitig kämpfen britische Unternehmen mit einer reduzierten wirtschaftlichen Wachstumsdynamik: Langfristig könnte der Brexit das BIP des Landes um 4–7% senken, so Schätzungen führender Wirtschaftsinstitute.
Durch den Ausstieg aus der Europäischen Union hat man den Handel und den Austausch mit dem wichtigsten Wirtschaftspartner – eben der EU –für das Vereinigte Königreich natürlich erschwert. Es gibt keine vier Freiheiten mehr, die für uns im Binnenmarkt in Österreich ja ganz selbstverständlich sind.
LOOKAUT-Video: 5 Jahre Brexit – Erfolg oder teures Eigentor?
Versprechen und Realität: Was hat der Brexit gebracht?
Viele Brexit-Versprechen haben sich als schwierig umsetzbar erwiesen:
- Kontrolle über Immigration: Während die Nettozuwanderung in Großbritannien in den Jahren nach dem Brexit insgesamt gestiegen ist, hat sich die Migration aus der EU verringert. Der Anteil europäischer Arbeitskräfte in vielen Schlüsselbranchen ist zurückgegangen.
- Wirtschaftswachstum durch neue globale Positionierung: Das Vereinigte Königreich hat seit Brexit zwar Freihandelsabkommen mit Australien und Neuseeland abgeschlossen und ist als erstes europäisches Land dem Handelsblock Transpazifische Partnerschaft (CPTPP) beigetreten, doch die erwarteten wirtschaftlichen Vorteile können die Brexit-Verluste nicht annähernd kompensieren.
- Souveränität bei Regelungen: Sehr viele EU-Regeln gelten weiterhin, einschließlich der CE-Kennzeichnung für die meisten Produktkategorien. Ein echter Bruch mit EU-Standards ist bisher nur in Einzelfällen erfolgt.
Auf beiden Seiten des Ärmelkanals werden neue Kooperationsfelder in den Bereichen Wirtschaft und Handel, Sicherheit und Verteidigung, illegale Migration, erneuerbare Energien, Emissionshandel, Jugendaustausch und Veterinärwesen evaluiert. Ich hoffe daher auf eine fortlaufende Intensivierung und Verbesserung der Beziehungen zur EU, wenn auch nicht in dem Maße, wie wir es vor 2020 gewohnt waren.
FACTBOX: So bereitest du dich auf den britischen Markt vor
Wer den britischen Markt erschließen will, sollte sorgfältig planen. Themen wie Importabwicklung, Produktkennzeichnung und die neuen Einreisebestimmungen für Mitarbeiter sind entscheidend. Unterstützung bietet das AußenwirtschaftsCenter London mit maßgeschneiderten Beratungsangeboten und Veranstaltungen, etwa:
Brexit und die Chancen für österreichische Unternehmen
Trotz Herausforderungen bleibt Großbritannien ein attraktiver Markt – gerade für innovative, exportorientierte Unternehmen aus Österreich.
Chance #1: Positive Entwicklung im Handel
Während die britischen Warenexporte globalstagnieren, haben sich die österreichischen Warenexporte ins Vereinigte Königreich seit 2019 nominell um über 21% gesteigert. Besonders gut laufen Geschäfte in Bereichen wie Technologie, Infrastruktur, Maschinen und hochqualitative Konsumgüter. Österreichische Unternehmen, die hier aktiv werden möchten, profitieren von einer kaufkräftigen Bevölkerung und einem rechtssicheren Umfeld.
Chance #2: Dienstleistungen und Investitionen
Der britische Dienstleistungssektor ist nach wie vor sehr stark. Die Dienstleistungsexporte entwickeln sich sehr dynamisch mit zweistelligen Zuwachsraten pro Jahr. Großbritannien ist der fünftgrößte Markt für österreichische Dienstleistungsexporte und bleibt ein wichtiger Standort für Auslandsinvestitionen österreichischer Unternehmen – mit rund 300 Niederlassungen österreichischer Firmen vor Ort.
Chance #3: Innovationsstandort UK
London und andere britische Städte sind weiterhin globale Knotenpunkte für Innovationen, etwa in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Biotechnologie und Finanzen. Das bietet zum Beispiel für Startups und Scaleups die Möglichkeit in einem globalen, hochentwickelten und finanzstarken Ökosystem zu skalieren. Das Vereinigte Königreich ist außerdem per 2024 wieder EU-Horizon, dem weltweit größten Forschungsförderprogramm, beigetreten.
Im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsländern hält sich Österreich bei den Exporten in das Vereinigte Königreich durchaus sehr, sehr gut. UK bleibt für Österreich ein ganz essenzieller Wirtschaftspartner.
Fazit: Hürden überwinden, Chancen nutzen
5 Jahre nach dem Brexit ist klar: Der Austritt aus der EU hat Großbritannien viele wirtschaftliche Nachteile gebracht. Doch für österreichische Unternehmen bietet der Markt weiterhin großes Potenzial – sei es im Handel, bei Dienstleistungen oder in innovativen Branchen. Mit der richtigen Vorbereitung und Unterstützung lassen sich die neuen Herausforderungen meistern, und Großbritannien bleibt ein spannender Partner für die Zukunft.
Das Wichtigste in Kürze:
- Wirtschaftliche Nachteile des Brexit: Handel mit der EU erschwert, Fachkräftemangel verschärft und zusätzliche Kosten durch neue Regulierungen.
- Gebrochene Versprechen: Brexit-Verluste übersteigen wirtschaftliche Vorteile neuer Handelsabkommen bei Weitem.
- Österreich-UK-Handel stabil: Österreichs Warenexporte in das Vereinigte Königreich sind seit 2019 um +21% gestiegen, trotz Herausforderungen durch Brexit-Bürokratie.
- Chancen für Exporteure: UK bleibt ein attraktiver Innovations- und Dienstleistungsmarkt mit hoher Kaufkraft und rechtssicherem Umfeld.
- Unterstützungsangebote: Webinare und das GoUK Export-Bootcamp 2025 erleichtern österreichischen Unternehmen den Markteinstieg in Großbritannien.