Kollektiv­vertrag: Warum zählt, was "die Metaller" verdienen

Wenn die Löhne der Metallindustrie verhandelt werden, schauen alle hin. Das hat 5 handfeste Gründe.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Wirtschaftseinsteiger:innen

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Connie Wagenhofer

Montage von Baukränen und einem steigenden Index i
AdobeStock

Jedes Jahr im Herbst sorgt die Eisen- und Metallindustrie mit ihren Kollektivvertrags-Verhandlungen für Schlagzeilen. Denn ihr Lohnabschluss hat Auswirkungen auf sehr viele Menschen. Die 5 Gründe, warum das so ist, erklären wir die hier.

Mit der Übergabe der Arbeitnehmer-Forderungen der Metalltechnischen Industrie starten im September traditionell die Lohnverhandlungen. Expert:innen erwarten daher auch heuer wieder harte Verhandlungen, und die Berichterstattung darüber wird uns noch länger begleiten als in anderen Jahren. Warum das Interesse an der Herbstlohnrunde der "Metaller" so groß ist und was ihr Abschluss für Hunderttausende Menschen in diesem Land bedeutet, haben wir für dich in 5 Punkten zusammengefasst.

Punkt 1: Metaller-Lohnabschluss gibt Orientierung

"Seit 1980 haben die Kollektivvertragsverhandlungen der Eisen- und Metallindustrie so etwas wie die Lohnführerschaft. Das wurde in empirischen Untersuchungen mittlerweile mehrfach festgestellt", sagt WKÖ-Experte Thomas Stegmüller. Am Lohnabschluss dieses Industriezweigs orientieren sich dann die Gewerkschaften in den KV-Verhandlungen der anderen Sparten wie etwa bei den Verhandlungen des Metallgewerbes oder beim Handel mit seinen gut 570.000 Beschäftigten, auch wenn die Lohnerhöhungen dort meist niedriger ausfallen. 

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Punkt 2: Alle anderen verhandeln später

Die "Metaller" starten als erste Sparte mit der sogenannten Herbstlohnrunde in die jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen. Die gewerkschaftlich gut organisierte Eisen- und Metallindustrie gibt also indirekt den Takt für die anderen Branchen vor. Wichtig zu wissen: Jeder verhandelnde Fachverband hat Kollektivvertragsautonomie und verhandelt daher unabhängig von den anderen Fachverbänden. Mehr zum Thema Kollektivverträge findest du hier.

Egal, wann der Abschluss der Eisen- und Metallindustrie gelungen ist: Die neu verhandelten Kollektivverträge gelten immer ab 1. November, auch rückwirkend. Für die "Metaller" hat das einen zusätzlichen Vorteil: Das Weihnachtsgeld wird bereits auf Basis des erhöhten Abschlusses ausgezahlt.

Punkt 3: Gewerkschaftlich stark organisiert

"Die Unternehmen der Eisen- und Metallindustrie haben im Vergleich zu Unternehmen anderer Sparten einen sehr hohen Organisationsgrad bezüglich gewählter Betriebsräte, die wiederum im sehr engen Kontakt zu den Gewerkschaften stehen", sagt Stegmüller. Das belegen auch Zahlen: Eine Studie zeigt, dass im Schnitt 47 % der untersuchten Betriebe einen Betriebsrat haben. Je größer der Betrieb, umso höher ist der Prozentsatz. Bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten haben 88 % einen Betriebsrat, während es bei Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten nur 18 % sind.

Wenn die Metallindustrie streikt, ist das um ein Vielfaches teurer, als wenn man eine kleine Spenglerei bestreikt.

Thomas Stegmüller, Kollektivvertrags-Experte

"Wo der Organisationsgrad sehr hoch ist, kann der Druck, hohe Löhne durchzusetzen, am ehesten verstärkt werden", sagt Stegmüller. Die Gewerkschaften legen sich bei der Herbstlohnrunde besonders ins Zeug, weil sie so ihre Bedeutung darstellen und neue Mitglieder werben können. 

Punkt 4: Es geht um viel

Ein wesentliches Druckmittel der Gewerkschaften sind Streikdrohungen. "Wenn die Metallindustrie streikt, ist das um ein Vielfaches teurer, als wenn man eine kleine Spenglerei bestreikt", sagt Stegmüller. Einen Hochofen langsam herunterfahren und wieder hochfahren zu müssen, kostet sehr viel Geld. Auch in der Just-in-Time-Produktion – etwa in der Fahrzeugindustrie  – können sich Unternehmen Streiks kaum leisten.

Punkt 5: Große, wichtige Industrie

Allein die Metalltechnische Industrie, mit der die Herbstlohnrunde traditionell startet, hat 130.000 Beschäftigte. Es gibt aber noch 5 weitere Fachverbände der Eisen- und Metallindustrie, darunter den Fachverband Bergwerke und Stahl mit Unternehmen wie der Voest, die Fahrzeugindustrie mit Betrieben wie Magna und Steyr Automotive, den Fachverband der Nicht-Eisenmetallindustrie, den Fachverband für Gas/Wärme und die Berufsgruppe der Gießerei-Industrie. Durch ihre Größe und Ihre Umsatzvolumina ist die Eisen- und Metallindustrie von großer Bedeutung für Österreichs Wirtschaft.

Gerade in der jetzigen Situation ist es aber entscheidend, dass alle Beteiligten verantwortungsvoll handeln und die gesamtwirtschaftlichen Folgen mitdenken

Thomas Eibl, stv. Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik in der WKÖ

Besonders schwierige Herbstlohnrunde

"Aufgrund der außergewöhnlichen Umstände könnte die Herbstlohnrunde heuer besonders schwierig werden", warnt Thomas Eibl, der stellvertretende Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik in der WKÖ. Die Auswirkungen der anhaltend hartnäckigen Teuerung würden die Sozialpartner vor große Herausforderungen stellen. Eibl: "Gerade in der jetzigen Situation ist es aber entscheidend, dass alle Beteiligten verantwortungsvoll handeln und die gesamtwirtschaftlichen Folgen mitdenken: Denn selbst wenn die Lohnstückkosten nur kurzzeitig stärker steigen als in anderen Ländern – ein dauerhafter Wettbewerbsnachteil bleibt bestehen. Das dürfen wir nicht riskieren!"

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Die Lohnerhöhungen anderer Sparten orientieren sich am Abschluss der Eisen- und Metallindustrie.
  • Die "Metaller" verhandeln ihre Lohnerhöhungen als erste.
  • In 95 % aller Unternehmen der Eisen- und Metallindustrie gibt es einen Betriebsrat.
  • Die Belegschaften der Eisen- und Metallindustrie sind in hohem Ausmaß in Gewerkschaften organisiert.
  • Die Eisen- und Metallindustrie ist durch ihre Größe und Bedeutung für Österreichs Wohlstand besonders wichtig. 
  • Aus Expertensicht ist es gerade in der jetzigen Situation entscheidend, dass alle Beteiligten verantwortungsvoll handeln und die gesamtwirtschaftlichen Folgen mitdenken.