Kollektiv­vertrag: Warum zählt, was "die Metaller" verdienen

Wenn die Löhne der Metallindustrie verhandelt werden, schauen alle hin. Das hat 5 handfeste Gründe.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Weiterdenker:innen
  • Wirtschaftseinsteiger:innen

Lesedauer:

3 Minuten

AutorIn: Connie Wagenhofer

Illustration 2 Personen im Gespräch i
AdobeStock

Jedes Jahr im Herbst sorgt die Eisen- und Metallindustrie mit ihren Kollektivvertrags-Verhandlungen für Schlagzeilen. Denn ihr Lohnabschluss hat Auswirkungen auf sehr viele Menschen. Die 5 Gründe, warum das so ist, erklären wir die hier.

Eins ist so gut wie fix: Wenn die Lohnverhandlungen der Metalltechnischen Industrie am Montag, dem 17. Oktober fortgesetzt werden, wird das kein leichtes Spiel – weder für die Arbeitgeber- noch die Arbeitnehmervertreter. Während die Gewerkschaft 10,6 % Lohnerhöhung fordert, sieht sich die Industrie mit hohen Energiekosten, der Teuerung für Rohstoffe, Lieferengpässen und nicht zuletzt mit einer rückläufigen Auftragsentwicklung konfrontiert.

Expert:innen erwarten daher harte Verhandlungen, und die Berichterstattung darüber wird uns noch länger begleiten als in anderen Jahren. Warum das Interesse an der Herbstlohnrunde der "Metaller" so groß ist und was ihr Abschluss für Hunderttausende Menschen in diesem Land bedeutet, haben wir für dich in 5 Punkten zusammengefasst.

Punkt 1: Metaller-Lohnabschluss gibt Orientierung

"Seit 1980 haben die Kollektivvertragsverhandlungen der Eisen- und Metallindustrie so etwas wie die Lohnführerschaft. Das wurde in empirischen Untersuchungen mittlerweile mehrfach festgestellt", sagt WKÖ-Experte Thomas Stegmüller. Am Lohnabschluss dieses Industriezweigs orientieren sich dann die Gewerkschaften in den KV-Verhandlungen der anderen Sparten wie etwa bei den Verhandlungen des Metallgewerbes oder beim Handel mit seinen gut 570.000 Beschäftigten, auch wenn die Lohnerhöhungen dort meist niedriger ausfallen. 

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Punkt 2: Alle anderen verhandeln später

Die "Metaller" starten als erste Sparte mit der sogenannten Herbstlohnrunde in die jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen. Die gewerkschaftlich gut organisierte Eisen- und Metallindustrie gibt also indirekt den Takt für die anderen Branchen vor. Wichtig zu wissen: Jeder verhandelnde Fachverband hat Kollektivvertragsautonomie und verhandelt daher unabhängig von den anderen Fachverbänden. Mehr zum Thema Kollektivverträge findest du hier.

Egal, wann der Abschluss der Eisen- und Metallindustrie gelungen ist: Die neu verhandelten Kollektivverträge gelten immer ab 1. November, auch rückwirkend. Für die "Metaller" hat das einen zusätzlichen Vorteil: Das Weihnachtsgeld wird bereits auf Basis des erhöhten Abschlusses ausgezahlt.

Punkt 3: Gewerkschaftlich stark organisiert

"Die Unternehmen der Eisen- und Metallindustrie haben im Vergleich zu Unternehmen anderer Sparten einen sehr hohen Organisationsgrad bezüglich gewählter Betriebsräte, die wiederum im sehr engen Kontakt zu den Gewerkschaften stehen", sagt Stegmüller. Das belegen auch Zahlen: Eine Studie zeigt, dass im Schnitt 47 % der untersuchten Betriebe einen Betriebsrat haben. Je größer der Betrieb, umso höher ist der Prozentsatz. Bei Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten haben 88 % einen Betriebsrat, während es bei Betrieben mit 10 bis 49 Beschäftigten nur 18 % sind.

Wenn die Metallindustrie streikt, ist das um ein Vielfaches teurer, als wenn man eine kleine Spenglerei bestreikt.

Thomas Stegmüller, Kollektivvertrags-Experte

"Wo der Organisationsgrad sehr hoch ist, kann der Druck, hohe Löhne durchzusetzen, am ehesten verstärkt werden", sagt Stegmüller. Die Gewerkschaften legen sich bei der Herbstlohnrunde besonders ins Zeug, weil sie so ihre Bedeutung darstellen und neue Mitglieder werben können. 

Punkt 4: Es geht um viel

Ein wesentliches Druckmittel der Gewerkschaften sind Streikdrohungen. "Wenn die Metallindustrie streikt, ist das um ein Vielfaches teurer, als wenn man eine kleine Spenglerei bestreikt", sagt Stegmüller. Einen Hochofen langsam herunterfahren und wieder hochfahren zu müssen, kostet sehr viel Geld. Auch in der Just-in-Time-Produktion – etwa in der Fahrzeugindustrie  – können sich Unternehmen Streiks kaum leisten.

Punkt 5: Große, wichtige Industrie

Allein die Metalltechnische Industrie, mit der die Herbstlohnrunde traditionell startet, hat 130.000 Beschäftigte. Es gibt aber noch 5 weitere Fachverbände der Eisen- und Metallindustrie, darunter den Fachverband Bergwerke und Stahl mit Unternehmen wie der Voest, die Fahrzeugindustrie mit Betrieben wie Magna und Steyr Automotive, den Fachverband der Nicht-Eisenmetallindustrie, den Fachverband für Gas/Wärme und die Berufsgruppe der Gießerei-Industrie. Durch ihre Größe und Ihre Umsatzvolumina ist die Eisen- und Metallindustrie von großer Bedeutung für Österreichs Wirtschaft.

Es braucht heuer in besonderem Maße Vernunft, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein.

Claudia Huber, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik in der WKÖ

Augenmaß heuer besonders gefragt

Expert:innen sind sich einig, dass es die heurigen Lohnverhandlungen aufgrund der hohen Energiepreise unter besonders herausfordernden Vorzeichen stehen: "Es braucht heuer in besonderem Maße Vernunft, Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein. Staat, Betriebe und Beschäftigte sind in dieser besonderen Situation gleichermaßen gefordert und dürfen sich wechselseitig nicht überfordern", sagt Claudia Huber, Leiterin der WKÖ-Abteilung für Wirtschaftspolitik.

Das Wichtigste auf einen Blick:

  • Die Lohnerhöhungen anderer Sparten orientieren sich am Abschluss der Eisen- und Metallindustrie.
  • Die "Metaller" verhandeln ihre Lohnerhöhungen als erste.
  • In 95 % aller Unternehmen der Eisen- und Metallindustrie gibt es einen Betriebsrat.
  • Die Belegschaften der Eisen- und Metallindustrie sind in hohem Ausmaß in Gewerkschaften organisiert.
  • Die Eisen- und Metallindustrie ist durch ihre Größe und Bedeutung für Österreichs Wohlstand besonders wichtig. 
  • Angesichts der enorm herausfordernden Situation für Haushalte und Unternehmen braucht es bei den heurigen KV-Verhandlungen in besonderem Maße Verantwortungsbewusstsein und Augenmaß der Verhandlungspartner.