Warum Österreichs Industrie ins Ausland abwandert

Hohe Arbeitskosten, unkalkulierbare Energiepreise, zu viel Bürokratie - wir erklären dir die Gründe


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Entrepreneur:innen
  • Weiterdenker:innen

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Eva Baumgardinger

Arbeiter mit gelbem Helm auf dem Kopf stehen in einer langen Schlange, vorderer Teil der Schlange ist verschwommen i
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Der Industriestandort Österreich verliert an Attraktivität. Produzierende Unternehmen ziehen Teile ihrer Wertschöpfungsketten ins Ausland ab. Das hat weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft, Wachstum und Jobs im Land.

Die Deindustrialisierung hat sich schleichend auch in Österreich eingenistet. 3 von 4 Industrieunternehmen sehen sie als reale Gefahr für den Standort Österreich. Das ergab eine Befragung der Unternehmensberatung Deloitte, an der mehr als 500 Vertreter:innen heimischer Industriebetriebe aus verschiedenen Bereichen teilgenommen haben.

41% der Industriebetriebe  haben in den letzten drei Jahren bereits Teile ihrer Wertschöpfungskette in "moderatem, starkem oder sogar sehr starkem Ausmaß" ins Ausland verlagert. Und der Trend dürfte sich weiter verstärken. In Deutschland liegt dieser Anteil schon bei 66%.

Weil viele österreichische Industriebetriebe deutschen Partnern zuliefern, liegt die Vermutung nahe, dass diese bald nachziehen. Aus Österreich abgezogen werden vor allem kostenintensive Bereiche – und damit auch entsprechende Arbeitsplätze.

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Industrie ist stützende Säule für Standort Österreich

Wenn die Deindustrialisierung in großem Maße um sich greift, hat das Auswirkungen auf das gesamte Wachstum, den Wohlstand und die Jobs im Land.

Denn die Industrie ist eine tragende Säule für unsere Wirtschaft:

Die heimische Industrie erwirtschaftet einen Produktionswert von rund 200 Mrd. Euro und trägt mit rund 50 Mrd. Euro zur österreichischen Bruttowertschöpfung bei. Die Industrieunternehmen Österreichs beschäftigen mehr als 450.000 Mitarbeiter:innen und sind mit einer Exportquote von 69% stark international vernetzt.

Rechnet man auch alle verbundenen Wirtschaftsbereiche mit ein, so stehen in Österreich sogar 2,5 Millionen Arbeitnehmer:innen direkt oder indirekt im Zusammenhang mit der Industrie. Das sind zwei von drei Beschäftigungsverhältnissen.

Kostenbelastung und Bürokratie

Woran liegt es also, dass ausgelagert wird? Nach den Gründen für Investitionen in andere Länder befragt – siehe hierzu auch die untenstehende Grafik - gibt die Mehrheit der Befragten (78%) an, dass die hohen Arbeitskosten den Industriestandort Österreich zunehmend unattraktiv machen. Regulierungen bzw. Bürokratie wiederum veranlassen zwei Drittel (66%) der Befragten zu Investitionen im Ausland. Ebenso essenzielle Faktoren: Die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften, Steuern und Abgaben sowie Energiesicherheit- und kosten. 


Das Thema Bürokratie hat aber auch Auswirkungen für Unternehmer:innen in Österreich im Allgemeinen.

Bürokratie auch Hemmschuh für KMU und EPU

Wie eine Befragung des Market Instituts nämlich zeigt, steht für 88% der Unternehmer:innen ein Abbau der Bürokratie im Fokus. Was sie darüber hinaus unterstreicht: Der Bürokratieaufwand ist in den letzten drei Jahren für 6 von 10 Unternehmer:innen sogar gestiegen. Bei KMU ist dies sogar bei 7 von 10 der Fall. Was das in konkreten Zahlen ausgedrückt heißt, zeigt die untenstehende Grafik. 

Gemäß dieser muss jedes Unternehmen im Schnitt pro Woche 9,4 Arbeitsstunden für Bürokratie aufwenden. Besonders betroffen sind KMU, bei diesen schlägt der Bürokratieaufwand sogar mit 19,3 Arbeitsstunden pro Woche zu Buche – was rund 2,5 Arbeitstagen entspricht. Bei EPU wiederum beträgt der durchschnittliche Bürokratieaufwand pro Woche 3,9 Stunden.

Auf notwendige Impulse für die österreichische Wirtschaft angesprochen, betreffen deshalb auch 7 von 10 der geforderten Maßnahmen den Bürokratieabbau, wie zum Beispiel die Verbesserung der Kleinunternehmerregelung durch Erhöhung der Umsatzgrenze von 35.000 auf 85.000 Euro. 



Ähnliches zeigt sich auch bei den Vertreter:innen der heimischen Industriebetriebe im Zuge der Deloitte-Befragung. 

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Maßnahmen für den Standort

Auf die Frage, welche Maßnahmen die Befragten für den Standort als besonders wichtig erachten, gibt es eine klare Antwort: 88% wünschen sich eine Senkung der Lohnnebenkosten in Österreich, 79% eine Vereinfachung der Administration und 77% wettbewerbsfähige Energiepreise. Etwas mehr als zwei Drittel (67%) sprechen sich zudem für steuerliche Entlastungen aus. 51% sehen die Vereinfachung der Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte als wesentlichen Standortfaktor.

Die Politik ist also auf nationaler wie auf europäischer Ebene gefragt, rasch gegenzusteuern, wenn Österreich, aber auch die EU als Industriestandort attraktiv bleiben sollen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Laut einer Deloitte-Umfrage sehen 3 von 4 österreichischen Unternehmen die Gefahr einer Deindustrialisierung in Österreich.
  • 41% der heimischen Industriebetriebe haben in der jüngeren Vergangenheit schon Teile ihrer Wertschöpfungskette aus Österreich abgezogen – Tendenz steigend.
  • Bisher lag der Fokus bei den Auslagerungen auf dem europäischen Ausland. Für jene, die in nächster Zeit eine Verlagerung planen, werden der asiatische Raum und die USA als Zielregionen zunehmend interessant. Dort wirkt das attraktive Subventions- und Förderungsprogramm IRA, aber auch günstigere Energiepreise als in Österreich und Europa spielen eine Rolle.
  • Hauptgrund für die Unternehmen, Teile ihrer Wertschöpfung aus Österreich abzuziehen, sind  die zu hohen Arbeitskosten.
  • Die Industrie ist eine tragende Säule für unsere Gesamtwirtschaft, Wachstum und Jobs im Land.
  • Damit der Industriestandort Österreich, aber auch Europa wettbewerbsfähig bleibt und Wertschöpfung und Jobs nicht verloren gehen, braucht es einen rasch wirksamen Mix aus Entlastungs- und Unterstützungsmaßnahmen.