Warum wir einen Turbo beim Kinder­betreuungs-Ausbau brauchen

Der Ausbau der Betreuungs­angebote ist ein wichtiger Hebel im Kampf gegen den Arbeitskäfte­mangel.


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Entrepreneur:innen
  • Weiterdenker:innen

Lesedauer:

3 Minuten

KolumnistIn: Lukas Sprenger

Lukas Sprenger, Leiter des Zielgruppenmanagements in der WKÖ i
Anja Koppitsch

Lukas Sprenger

Die Weichen für einen flächendeckenden und einen qualitativ hochwertigen Ausbau der Betreuungsangebote sind rasch zu stellen, findet Lukas Sprenger.

Der österreichischen Wirtschaft fehlen Arbeitskräfte in sämtlichen Bereichen. Bereits jetzt sind 200.000 Stellen unbesetzt und aufgrund des demografischen Wandels fehlen bis 2040 zusätzlich 363.000 Arbeitskräfte, wodurch Kosten von 150 Milliarden Euro entstehen. Durch den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen könnte eine beträchtliche Anzahl an Arbeitskräften gewonnen werden. Aus einer aktuellen market-Umfrage wird deutlich, wo Unternehmen, aber auch Arbeitnehmer:innen, Verbesserungspotenzial sehen: 82 % befürworten mehr und bessere Betreuungsplätze für den Nachwuchs als sinnvollstes Mittel. 

Daten und Fakten: Kinderbetreuung in Österreich

  • Die Betreuungsquote der unter 3-Jährigen liegt aktuell bei nur bei 29,1 % - und damit immer noch unter der Barcelona-Zielmarke von 33 %.
  • Unterdurchschnittliche Erwerbsquote von Frauen mit Kindern unter 6 Jahren: 68,9 % in Österreich vs. 79,4 % in Norwegen und Schweden​.
  • Hoher Teilzeitanteil: Fast 50 % der Frauen arbeiteten im Jahr 2021 in Teilzeit. Lange Teilzeit-Phasen resultieren wiederum in Gehaltseinbußen und später in einer geringeren Pension.
  • Nur 6 von 10 unter 3-Jährigen in Betreuung werden VIF-konform betreut.
  • Das Performance-Ranking mit EU-27 + Schweiz + Norwegen legt offen, dass Kinderbetreuung und Elementarpädagogik (unter 3 Jahre) noch großen Verbesserungsbedarf vor sich haben: Platz 20 von 29.
  • Über 65.000 Frauen mit Betreuungspflichten gaben 2022 an, dass sie mehr arbeiten möchten.

Mehrwert frühkindlicher Bildung – die ersten Jahre sind entscheidend 

Elementare Bildungseinrichtungen haben eine Schlüsselfunktion, wenn es um Chancengleichheit im Bildungssystem geht. Investitionen in qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung wirken sich empirisch belegt auf die gesamte weitere Bildungs- und Erwerbskarriere positiv aus. Der "Return on Early Education" zeigt eine Hebelwirkung von 1:8, d. h. jeder in frühe Bildung investierte Euro bringt langfristig mindestens den achtfachen volkswirtschaftlichen Nutzen – durch höhere Beschäftigungsquoten, niedrigere Arbeitslosigkeit, höhere Steuerleistungen, bessere Gesundheit.

Die Gründung einer Familie darf für niemanden eine zwingende Teilzeitfalle bedeuten.

Lukas Sprenger, Leiter der Abteilung Zielgruppenmanagement in der WKÖ

Was kostet die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? 

Durch eine Erhöhung der Betreuungsquote auf das 33 %-Barcelona-Ziel entstehen Kosten von etwa 160 Millionen Euro. Aber auch für den Staat rechnet sich ein Ausbau der Kinderbetreuung, und zwar zunächst einmal durch zusätzliche Steuereinnahmen aufgrund einer höheren Erwerbsbeteiligung. Der Selbstfinanzierungsgrad der Ausbaumaßnahmen liegt bei rund 3/4 – und das sind gute Nachrichten, weil das seit 2010 fällige Barcelona-Ziel stellt nur die absolut unterste Benchmark dar und es sind deutlich größere Investitionen auf dem Weg für eine flächendeckende und qualitativ höherwertige Kinderbetreuung notwendig.

Dazu kommt noch ein Anstieg des Privatkonsums. Über kurzfristige fiskalische Effekte hinaus entstehen langfristige positive Effekte auf die Wirtschaftsleistung, dies vor allem durch höhere Bildungsabschlüsse und den damit verbundenen Anstieg der Produktivität. Um all diese Effekte heben zu können, braucht es aber dringend mehr Pädagog:innen. 

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WKÖ/DMC

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Wir brauchen bei der Kinderbetreuung echte Wahlfreiheit

Nur wenn es ausreichend Kinderbetreuungsplätze gibt und deren Öffnungszeiten mit den Anforderungen der Arbeitswelt auch kompatibel sind, ist es Frauen bzw. Eltern möglich, ihre Wochenarbeitszeit zu erhöhen oder Vollzeit zu arbeiten. Denn die Gründung einer Familie darf für niemanden eine zwingende Teilzeitfalle bedeuten. Letztlich profitieren vom Ausbau der Kinderbetreuung alle – die Eltern durch mehr berufliche Freiräume, die Unternehmen durch mehr Arbeitskräfte und unser Wirtschaftsstandort im internationalen Wettbewerb.

Eine gute ausgebaute Kinderbetreuung schafft mehr Fairness für Frauen und es steht außer Streit, dass Bildung, gerade im frühkindlichen Alter, eine vielfache Rendite bringt und frühzeitige Investitionen hier am wirksamsten sind. Eine Investitionsoffensive in diesem Bereich ist daher eine der besten Zukunftsversicherungen, die es gibt.

Wie können wir den Turbo für den Ausbau der Kinderbetreuung zünden?

  • Ein Ausbau der Plätze bei den unter 3-Jährigen in zumutbarer Entfernung zum Wohnort und Arbeitsplatz. Dazu braucht es flankierende Angebote, wie etwa qualitätsvolle betriebliche Kinderbetreuung, Tageseltern oder Betriebstageseltern.
  • Die Ausweitung von Öffnungszeiten, die eine Vollzeitbeschäftigung für beide Eltern ermöglichen. Dies gilt auch in den Ferien.
  • Eine hohe Qualität in der Elementarbildung und -betreuung bezüglich Gruppengrößen und Betreuungsschlüssel.
  • Qualifiziertes Personal: Um eine hochwertige Betreuung zu gewährleisten, braucht es eine Ausbildungsoffensive und attraktive Rahmenbedingungen. Es gilt, Pädagog:innen in diesem Bereich zu gewinnen und zu halten.
  • Sukzessiver Ausbau der Sprachförderung sowie Förderung im Bereich MINT.
  • Planungs- und Finanzierungssicherheit.
  • Unterstützung von Marktinitiativen und Gemeindekooperationen