So steht es um den österreichischen Arbeitsmarkt

Entwicklung der Arbeitszeiten, Fachkräftemangel und Maßnahmen für die heimische Wirtschaft. 


Wer diesen Beitrag lesen sollte:

  • Wissenshungrige
  • Entrepreneur:innen

Lesedauer:

4 Minuten

AutorIn: Stephanie Dirnbacher-Krug

Lupe, in deren Mitte sich eine Zielscheibe befindet - rundum Symbolfotos von Personen - Recruitingprozess i
Kiattisak | stock.adobe.com

Eine schwache Auftragslage, der sich zuspitzende Fachkräftemangel und ein Rückgang der Arbeitszeiten setzen heimische Unternehmen unter Druck.  

Die Österreicher:innen arbeiten immer weniger. Laut Employment Outlook 2024 der OECD ist die Zahl der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden pro Erwerbstätiger beziehungsweise pro Erwerbstätigem hierzulande seit 2005 um fast 14% gesunken. Damit verzeichnet Österreich den stärksten Rückgang in der Eurozone. Auch bei den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden liegt Österreich mit 37,6 Stunden pro Woche unter dem EU-Schnitt von 38,3 Stunden.

Und berücksichtigt man nicht nur Vollzeitbeschäftigte, sondern auch Teilzeitarbeitende, dann beträgt der Schnitt in Österreich lediglich 32,7 Wochenstunden.

Im Hinblick auf die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts, den Wohlstand und die künftigen Pensionen unterstreichen diese Zahlen einen besorgniserregenden Trend. Vor allem, wenn man sie in Kombination mit den anderen Herausforderungen betrachtet, die sich laut Arbeitskräfteradar des ibw im Auftrag der WKÖ derzeit auf dem Arbeitsmarkt stellen:

Eine schwache Auftragslage und der Mangel an Fachkräften beziehungsweise viele offene Stellen machen Unternehmen zu schaffen.

Marie-Magazin i
Christian Sulzenbacher

MARI€-Magazin "Gute Arbeit" jetzt für dich!

Für die MARI€ Mail anmelden und gleich loslegen.

Jetzt anmelden!


Schwache Auftragslage

Aufgrund der schwachen Auftragslage sehen sich viele Betriebe gezwungen, kurzfristig Personal einzusparen. Doch fast zwei Drittel der Befragten geben im Arbeitskräfteradar an, ihre Mitarbeiter:innen trotzdem weiterzubeschäftigen, weil das Risiko, bei einem künftigen Aufschwung der Wirtschaft nicht ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, zu groß ist. Das führt auch schon zur zweiten Herausforderung, die sich auf dem Arbeitsmarkt stellt: dem Arbeitskräftemangel.

Arbeits- und Fachkräftemangel in allen Branchen

Von den rund 2.800 befragten Unternehmen sind mehr als vier Fünftel vom Arbeits- und Fachkräftemangel in Österreich betroffen. Hochgerechnet fehlen so rund 193.000 Fachkräfte.

Vor allem Personen mit Lehrabschluss sind heißbegehrt. Das Problem zieht sich durch alle Branchen, am größten ist der Arbeitskräftemangel allerdings in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft, in Gewerbe und Handwerk sowie in den Bereichen Transport und Verkehr.

Laut Angaben der Befragten hat der Arbeitskräftemangel massive Auswirkungen auf die Entwicklung der Unternehmen und in weiterer Folge auf den Wirtschaftsstandort Österreich: Die Arbeitsbelastung für Firmenchefs und für bestehende Mitarbeiter:innen nimmt zu, Aufwand und Kosten für die Personalsuche steigen und Umsätze gehen so wie auch Innovationen zurück, weil Aufträge wegen Personalmangels abgelehnt werden müssen.

Arbeitszeit als Schlüsselfaktor

Der Rückgang der Arbeitszeit in Österreich trägt nicht nur zu einer Verschärfung des Problems bei, sondern hat sich auch nachweislich negativ auf die Produktivität ausgewirkt. Zudem wäre eine generelle Reduktion der Arbeitszeit kontraproduktiv und würde nicht nur den Arbeitskräftemangel verschlimmern, sondern auch das Wirtschaftswachstum dämpfen (Was eine generelle 32-Stunden-Woche ganz konkret bedeuten würde, beantworten wir hier).

Zu den gewünschten Maßnahmen wurden dementsprechend auch die Unternehmen befragt. Das Ergebnis: Mehr Beschäftigungsanreize für Arbeitslose (81,7%), Anreize für Vollzeit bzw. Erhöhung des Stundenausmaßes (80,3%) sowie Attraktivierung der Lehrlingsausbildung (77,1%) stehen auf der Prioritätenliste ganz oben.

Große Chance durch internationale Studierende

Auf der Suche nach weiteren Maßnahmen zur Bewältigung des Fachkräftemangels hat die Wirtschaftskammer Österreich mithilfe der Statistik Austria zudem das Potenzial internationaler Studierender in Österreich ausgelotet. Die Daten zeigen, dass es hier noch ungenutzte Chancen gibt.

So hat im Studienjahr 2020/2021 fast die Hälfte der rund 16.000 internationalen Studienabsolvent:innen Österreich innerhalb von 12 Monaten nach Abschluss verlassen. Besonders in den wichtigen MINT-Fächern und in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Recht ist der Abgang hoch. Könnte man neben den Personen, die nach Studienabschluss bereits im Land bleiben, jährlich weitere 2.000 Absolvent:innen halten, könnten bis 2040 insgesamt 34.000 Fachkräfte gesichert werden.

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut WKÖ Arbeitskräfteradar 2024 sind aktuell mehr als vier Fünftel der heimischen Unternehmen von einem Arbeits- und Fachkräftemangel betroffen. Gleichzeitig sinkt die durchschnittlich geleistete Arbeitszeit in Österreich.
  • Eine schwache Auftragslage macht den Betrieben zusätzlich zu schaffen.
  • Der Fachkräftemangel führt unter anderem zu einer Zusatzbelastung für Firmenchefs und bestehende Mitarbeiter:innen, zu einem Mehraufwand und Mehrkosten für die Personalsuche sowie zu Umsatzeinbußen, weil Aufträge wegen Personalmangels abgelehnt werden müssen.
  • Diese Entwicklung für Unternehmen hat negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort und den Wohlstand in Österreich.
  • Chancen zur Entlastung des Arbeitsmarkts ergeben sich durch Anreizsysteme für längeres Arbeiten und durch das Halten internationaler Studienabsolvent:innen in Österreich.