Courtney Rickert McCaffrey (EY) und Gregor Sebastian (Rhodium Group) erklären dir, warum Risikomanagement für Europas Exportunternehmen entscheidend ist.
Geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Risiken und verstärktes Silo-Denken: Unternehmen stehen auf der globalen Bühne vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Um potenzielle Bedrohungen zu erkennen und zu bewältigen, wird Risikomanagement zur Chefsache – doch wie sieht so eine Risk Management Strategie aus, und welche Maßnahmen sichern Stabilität und Handlungsfähigkeit?
Hier geben die beiden Exporttag-Keynote-Speaker:innen Courtney Rickert McCaffrey, Buchautorin und Global Insights Leader bei EY, und Gregor Sebastian, Senior Analyst bei Rhodium Group, Antworten auf drei brennende Fragen für heimische Exporteur:innen.
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Jetzt zum Newsletter anmelden!Globalisierung verliert derzeit an Schwung und die Risiken für Handelskriege und militärischen Konflikte steigen. Was bedeutet das für Unternehmen?
Gregor Sebastian: Die harte Wahrheit ist, dass sich Europas Exportunternehmen auf eine Welt mit weniger Freihandel einstellen müssen. Nicht nur in China und den USA, sondern auch in Europa und anderen wichtigen Märkten drängen Regierungen auf protektionistische Maßnahmen, um Abhängigkeiten zu verringern und ihre heimischen Industrien zu schützen. Der Krieg in der Ukraine und potenzielle Konflikte im Südchinesischen Meer, zwischen China und Taiwan oder China und Indien, verstärken diese Tendenzen und führen zu teuren Lieferengpässen.
Courtney Rickert McCaffrey: Angesichts dieser Krisenherde müssen Unternehmen ein aktiveres Risikomanagement umsetzen. Teil dieses Risikomanagementprozesses ist es, die geopolitischen Entwicklungen sorgfältig zu beobachten und die wahrscheinlichen Auswirkungen auf Lieferketten, Investitionen, Einnahmen und andere Geschäftsbereiche zu antizipieren. Anschließend müssen sie diese Risiken proaktiver managen und Geopolitik in ihre Unternehmensoperationen und -strategien einbeziehen.
Wie können Unternehmen realistische Zukunftsszenarien entwickeln und Abhängigkeiten reduzieren?
Courtney Rickert McCaffrey: Die nützlichsten Zukunftsszenarien sind plausibel, mittelfristig und umsetzbar. Die Szenarioanalyse sollte nicht nur potenzielle zukünftige Umgebungen analysieren, sondern auch die strategischen Maßnahmen identifizieren, die Unternehmen heute ergreifen können, um sich in jedem Szenario widerstandsfähig und wachstumsstark zu positionieren.
Abhängigkeiten zu reduzieren hat natürlich auch einen Preis, viele Zulieferer können nicht mit subventionierten chinesischen Preisen mithalten
Gregor Sebastian: Unternehmen diversifizieren bereits heute ihre Lieferketten, verlagern Produktionsstätten und investieren in neue Märkte. Abhängigkeiten zu reduzieren hat natürlich auch einen Preis, viele Zulieferer können nicht mit subventionierten chinesischen Preisen mithalten. Hier müssen Diversifizierungskosten gegen Lieferengpassrisiken abgewogen werden. Ein Beispiel: Ohne chinesisches Graphit müsste ein europäischer Batteriehersteller die Produktion einstellen, was noch höhere Kosten verursacht.
Europa kann Abhängigkeiten durch Diversifizierung, strategische Industriepolitik und Investitionen innerhalb der Union verringern. Mit politischer Unterstützung lassen sich Wachstumsverluste eingrenzen und bieten sogar Wachstumschancen.
Welche drei aktuellen Entwicklungen sollten besonders beobachtet werden, und wie kann Europa diesen entgegentreten?
Courtney Rickert McCaffrey: Die drei wichtigsten Entwicklungen sind die Beziehungen zwischen China und dem Westen, der Krieg in der Ukraine und der Konflikt im Nahen Osten. Es ist unmöglich, die weiteren Entwicklungen vorherzusagen. Der globale Wahlzyklus und die Geopolitik der Ozeane – also der Zugang zu globalen Handelsrouten – sind für Europa die wichtigsten Faktoren.
Unternehmen müssen Risiken proaktiver managen und Geopolitik in ihre Unternehmensoperationen und -strategien einbeziehen.
Gregor Sebastian: Innerhalb Europas benötigen Unternehmen einen starken Binnenmarkt, der für die meisten weiterhin der wichtigste Markt ist. Darüber hinaus sind Investitionen in Infrastruktur, Forschung sowie die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte essenziell, um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben. Um globale Handelsbeziehungen zu stärken, muss Europa Partner finden, die freien Handel unterstützen, und diese auch durch Investitionen stärken.
Das Wichtigste in Kürze:
- In unsicheren Zeiten wird Risikomanagement für Europas Exportunternehmen immer wichtiger.
- Dabei werden geopolitische Entwicklungen sorgfältig beobachtet und die wahrscheinlichen Auswirkungen auf Lieferketten, Investitionen, Einnahmen und andere Geschäftsbereiche antizipiert.
- Heimische Unternehmen sollten ihre Abhängigkeiten von bestimmten Märkten reduzieren und ihre Lieferketten diversifizieren.
- Investitionen in Infrastruktur, Forschung und die Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte können Unternehmen helfen, wettbewerbsfähig zu bleiben.